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BFH Urteil vom 02.05.1974 - I R 194/72

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Leitsatz (amtlich)

Wird das vereinbarte Gehalt eines beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführers einer Kapitalgesellschaft deshalb nicht ausbezahlt, weil sich die Gesellschaft in finanziellen Schwierigkeiten befindet (BFH-Urteil vom 12. Dezember 1973 I R 183/71, BFHE 111, 150, BStBl II 1974, 179), so setzt die steuerrechtliche Anerkennung der Gehaltsvereinbarung voraus, daß im übrigen alle rechtlichen Folgerungen aus ihr gezogen werden. Dazu gehört vor allem, daß die Gehaltsschuld in der Bilanz der Gesellschaft ausgewiesen wird.

 

Normenkette

KStG § 6 Abs. 1 S. 2

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine GmbH, vereinbarte mit ihrem alleinigen Gesellschafter-Geschäftsführer, daß dieser seine Dienste aufgrund eines Arbeitsvertrags zur Verfügung stellen sollte. Die Höhe des Gehalts wurde nach den Feststellungen des FG erstmals am 2. Dezember 1965 bestimmt. Dem Gesellschafter-Geschäftsführer wurde ein Anspruch auf 14 Monatsgehälter von je 2 000 DM eingeräumt. Für das folgende Jahr wurde das Gehalt auf 2 500 DM monatlich erhöht. Später wurde eine weitere Erhöhung auf 3 000 DM monatlich für das Geschäftsjahr 1967 vereinbart.

Die Klägerin wies in den Jahresbilanzen 1965 und 1966 keine Gehaltsschuld aus, obwohl bei Aufstellung der Bilanzen das Gehalt 1965 und das Gehalt 1966 rückständig waren. Erst im Streitjahr 1967 zahlte die Klägerin an den Gesellschafter-Geschäftsführer 28 000 DM zur Tilgung des Gehaltsrückstands 1965. Zahlungen für 1966 und 1967 waren nach dem Vorbringen der Klägerin nicht möglich. Trotzdem wies die Klägerin auch in der Jahresbilanz 1967 keine Gehaltsschuld aus. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) behandelte die Tilgung des Gehaltsrückstands 1965 in Höhe von 28 000 DM als verdeckte Gewinnausschüttung.

Die Klägerin erhob Einspruch gegen den Körperschaftsteuerbescheid 1967 und den Gewerbsteuerbescheid 1967.

Der Einspruch hatte in anderen Streitpunkten zum Teil Erfolg.

Die Klage richtete sich zunächst gegen den Körperschaftsteuerbescheid 1967 und den Gewerbesteuerbescheid 1967. Die Klägerin gab dann aber ihr Klagebegehren in der Gewerbesteuersache auf und wandte sich insoweit nur noch gegen den Kostenausspruch in der Einspruchsentscheidung.

Das FG hat das Verfahren eingestellt, soweit die Klage den Gewerbesteuerbescheid 1967 betraf. Im übrigen hat das FG die Klage abgewiesen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Klägerin, mit der Verletzung des § 76 FGO und des § 6 Abs. 1 Satz 2 KStG gerügt wird.

Die Klägerin beantragt, das Urteil des FG und den angefochtenen Körperschaftsteuerbescheid 1967 sowie die Einspruchsentscheidung insoweit aufzuheben, als bei der Veranlagung eine verdeckte Gewinnausschüttung in Höhe von 28 000 DM berücksichtigt worden sei.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

Zutreffend hat das FG in der Zahlung des Betrags von 28 000 DM als Gehalt für das Jahr 1965 eine verdeckte Gewinnausschüttung erblickt (§ 6 Abs. 1 Satz 2 KStG). Die Zahlung erfolgte an einen beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer. Die steuerrechtliche Anerkennung der Zahlung setzt daher voraus, daß sie auf einer im voraus getroffenen, klaren und eindeutigen Vereinbarung beruht und daß diese Vereinbarung auch tatsächlich durchgeführt wird. Im Streitfall fehlt es bereits an der Durchführung. Der steuerrechtlichen Anerkennung der Vereinbarung steht es zwar nicht entgegen, wenn dem Gesellschafter-Geschäftsführer das Gehalt nicht oder nicht voll ausgezahlt wird, weil sich die Gesellschaft in finanziellen Schwierigkeiten befindet (Urteil des BFH vom 12. Dezember 1973 I R 183/71, BFHE 111, 150, BStBl II 1974, 179). Aber auch in diesem Fall müssen im übrigen die rechtlichen Folgerungen aus dem Vertrag gezogen werden. Dazu gehört vor allem, daß die Gehaltsverbindlichkeit der Gesellschaft in der Bilanz ausgewiesen wird. Die Klägerin irrt, wenn sie meint, der Kaufmann brauche eine noch nicht fällige Verbindlichkeit nicht auszuweisen. Verbindlichkeiten sind ohne Rücksicht auf ihre Fälligkeit anzusetzen (Adler-Düring-Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Aktiengesellschaft, 4. Aufl., Bd. 1, § 149 Tz. 38). Daher sind auch Gehaltsrückstände in der Bilanz als Verbindlichkeiten oder, wenn sie dem Grunde oder der Höhe nach ungewiß sind, als Rückstellungen auszuweisen, auch wenn - wie die Klägerin im Streitfall behauptet - das Gehalt gestundet worden ist. Die Klägerin hat daher, wenn man das rechtliche Bestehen einer gestundeten Gehaltsforderung unterstellt, durch das Weglassen der Gehaltsverpflichtung in der Bilanz gegen § 39 HGB, §§ 41, 42 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) verstoßen. Ihr Beweggrund, daß sie beim Ansatz der Verbindlichkeit überschuldet gewesen wäre und Konkursantrag hätte stellen müssen, entlastet sie nicht. Es bedarf keiner besonderen Begründung dafür, daß die Rechtsfolgen, die das Gesetz an die Überschuldung knüpft (§§ 63, 64, 84 GmbHG), nicht dadurch vermieden werden können, daß die Gesellschaft in die Bilanz einen Schuldposten gesetzwidrig nicht einsetzt. Im Falle des BFH-Urteils I R 183/71 war das Fehlen eines Passivpostens für die Gehaltsrückstände nur deshalb unschädlich, weil die GmbH die zunächst passivierten Gehaltsverbindlichkeiten auf Veranlassung des FA ausgebucht hatte.

Die Vereinbarung der Klägerin mit dem Gesellschafter-Geschäftsführer über das Gehalt 1965 kann daher mangels Durchführung steuerrechtlich nicht anerkannt werden. Die Verfahrensrüge der Klägerin erweist sich damit als unbegründet. Denn es kommt nicht darauf an, wann die Vereinbarungen getroffen wurden. Auch die Frage der Rückwärtsberichtigung der Bilanzen ist bei der rechtlichen Beurteilung des Senats gegenstandslos.

Die Zahlung des Betrags von 28 000 DM erfolgte nach den Feststellungen des FG ausdrücklich als Gehalt für das Jahr 1965. Sie kann daher nicht ohne weiteres durch die Klägerin in eine Gehaltszahlung für 1967 umgedeutet werden. Selbst eine nachträgliche Vereinbarung der Klägerin mit dem Gesellschafter-Geschäftsführer, der Betrag sei eine Gehaltszahlung für 1967, könnte die verdeckte Gewinnausschüttung nicht rückwirkend beseitigen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 70968

BStBl II 1974, 585

BFHE 1974, 476

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