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BFH Urteil vom 20.07.1956 - III 195/54 U

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Leitsatz (amtlich)

Zur Bedeutung des § 19 Abs. 2 1. StDVO-SHG.

Bedient sich ein Unternehmen zur Gewährung von Ruhegeldern einer rechtsfähigen Unterstützungskasse, so ist das Unternehmen zum Abzug der Pensionslast im Sinne des Urteils des Bundesfinanzhofs III 32/50 U vom 16. Dezember 1950 (BStBl 1951 III S. 44) nur dann berechtigt, wenn es selbst seinen Betriebsangehörigen gegenüber Pensionsverpflichtungen eingegangen ist.

Normenkette

SHG § 7/2/2/a; StDVO-SHG § 19 Abs. 2

Tatbestand

Die beschwerdeführende GmbH bedient sich zur Gewährung sozialer Leistungen an ihre Betriebsangehörigen einer rechtsfähigen Unterstützungskasse. Die Kasse gewährt Ruhegeld, Unterstützungen an Hinterbliebene und sonstige laufende und einmalige Beihilfen. Das Kassenvermögen wird durch freiwillige Zuweisungen seitens der Beschwerdeführerin (Bfin.) gebildet. Ein Rechtsanspruch der Unterstützungsempfänger an die Kasse besteht nicht.

In der Vermögensanzeige und Selbstberechnung der Soforthilfeabgabe setzte die Bfin. unter Berufung auf § 7 Abs. 2 Ziff. 2 Buchst. a des Soforthilfegesetzes (SHG) für laufende Pensionsverpflichtungen 89.644 DM (Kapitalwert der Pensionen 94.314 DM abzüglich 4.670 DM Vermögen der Unterstützungskasse) ab. Mit Bescheid vom 9. Februar 1954 ließ das Finanzamt gemäß § 19 Abs. 2 Ziff. 2 Buchstabe b der Ersten Durchführungsverordnung zum Ersten Teil des Soforthilfegesetzes (1. StDVO-SHG) nur einen Betrag von 10.000 DM zum Abzug zu. Einspruch und Berufung der Bfin. waren erfolglos. Das Finanzgericht hat ausgeführt, die Einwendungen der Bfin. gegen die Rechtsgültigkeit des § 19 Abs. 2 1. StDVO-SHG seien unbegründet. Selbst wenn diese Vorschrift die in § 7 SHG begründete Abzugsfähigkeit der Pensionsverpflichtungen einschränke, müsse sie als rechtswirksam angesehen werden, da sich aus der Entwicklung ergebe, daß der damalige Gesetzgeber die Durchführungsverordnung als seinen eigenen Willensakt betrachtet habe. Das SHG und die Durchführungsverordnung seien am 24. Mai 1949 vom Wirtschaftsrat des Vereinigten Wirtschaftsgebietes verabschiedet worden. Der Länderrat habe ihnen zugestimmt, die Militärverwaltung sie genehmigt. Das Gesetz und die 1. StDVO-SHG seien daher als eine einheitliche rechtsverbindliche gesetzliche Regelung anzusehen. Im übrigen sei § 19 1. StDVO-SHG in der Verwaltungspraxis und Rechtsprechung stets als rechtsgültige gesetzliche Bestimmung behandelt worden. Würde heute, nachdem die Veranlagung der Soforthilfeabgabe im Bundesgebiet durchweg abgeschlossen sei, im Einzelfall die Rechtsverbindlichkeit der Bestimmung verneint, so wäre das mit dem Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland (GG) nicht vereinbar.

Die Rechtsbeschwerde (Rb.) der Abgabepflichtigen hält an der Auffassung fest, § 19 Abs. 2 1. StDVO-SHG schränke die gesetzlich festgelegte Abzugsfähigkeit von Pensionsverpflichtungen in unzulässiger Weise ein und sei daher rechtsunwirksam. Eine Gleichsetzung der 1. StDVO-SHG mit dem SHG sei nicht möglich, insbesondere sei die gesetzgebende Funktion des Wirtschaftsrats des Vereinigten Wirtschaftsgebietes nicht gleichbedeutend mit seiner Funktion bei Durchführungsverordnungen, die nur seiner Zustimmung bedürften. Der Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 GG greife gegenüber einer unrichtigen Rechtsanwendung nicht durch, da dem einzelnen Steuerpflichtigen ein unabdingbarer Anspruch auf ordnungsmäßige Rechtsanwendung zustehe.

Entscheidungsgründe

Die Rb. muß zur Aufhebung der Vorentscheidung führen.

Das SHG beruht auf einem gesetzgebenden Akt des damals als gesetzgebendes Organ des Vereinigten Wirtschaftsgebietes funktionierenden Wirtschaftsrats, während die 1. StDVO-SHG auf Grund der Ermächtigung in § 83 SHG durch den Direktor der Verwaltung für Finanzen des Vereinigten Wirtschaftsgebietes (mit Zustimmung des Wirtschaftsrats und Länderrats) zur "Durchführung" des SHG erlassen wurde. Solche Zustimmungsverordnungen verlieren durch die Beteiligung der Gesetzgebungsorgane nicht ihren Verordnungscharakter. Sie sind unwirksam, soweit sie die ihnen zugrunde liegende gesetzliche Ermächtigung überschreiten, insbesondere das Gesetz abändern, vgl. Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 24. April 1953, Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Bd. 2 S. 237 ff. (255). Auch die Anwendung des Gleichheitsgrundsatzes des Art. 3 GG könnte der rechtsunwirksamen Bestimmung einer Rechtsverordnung nicht unter dem Gesichtspunkt Rechtswirksamkeit verschaffen, daß diese Bestimmung in der Verwaltungsübung und Rechtsprechung bisher in einer großen Zahl von Fällen angewandt worden sei. Der im GG verankerte Gleichheitsgrundsatz kann niemals dazu führen, Unrecht für Recht zu erklären.

Der Senat ist jedoch der Auffassung, daß die Bestimmungen des § 19 Abs. 2 1. StDVO-SHG die in § 19 Abs. 1 1. StDVO-SHG nochmals bestätigte Abzugsfähigkeit der Pensionsverpflichtungen gar nicht eingeschränkt haben, vielmehr den sich einer Unterstützungskasse bedienenden Unternehmen die Auffüllung des durch die Währungsumstellung zusammengeschmolzenen Kassenvermögens in einem bestimmten Umfang durch die Zulassung entsprechender Kürzungen an ihrem abgabepflichtigen Vermögen erleichtern wollten. Dabei ist der Verordnungsgeber möglicherweise von der Auffassung ausgegangen, daß die Schaffung einer Unterstützungskasse, die nach ihrer Satzung Ruhegelder an frühere Betriebsangehörige zu zahlen hat, das Unternehmen selbst von einer eigenen Verpflichtung zur Zahlung von Pensionen schlechthin entlaste, so daß beim Unternehmen eine Rückstellung für Pensionsverpflichtungen nicht mehr vorgenommen werden dürfe (vgl. Kühne, die Soforthilfeabgabe in der Praxis, 3. Auflage, Textziffer 159). Zu dieser Frage hat der erkennende Senat in dem Urteil III 32/50 U vom 16. Dezember 1950 (Slg. Bd. 55 S. 113, Bundessteuerblatt 1951 III S. 44) ausgeführt, ein Unternehmen werde seiner Fürsorgepflicht für die Betriebsangehörigen nicht dadurch ledig, daß es sich in der Unterstützungskasse ein besonderes Instrument für soziale Betreuung geschaffen habe. Das Unternehmen verliere daher deshalb, weil die Unterstützungskasse und nicht das Unternehmen selbst tatsächlich die Unterstützungsbeträge gezahlt habe, nicht die Befugnis, den Kapitalwert laufender Unterstützungen, gekürzt um das den gleichen Zwecken dienende Kassenvermögen, als Betriebsschuld abzusetzen. An dieser Auffassung hält der Senat fest. Eine entsprechende Rückstellung für Pensionslasten bei dem Unternehmen selbst ist aber, was in dem Urteil III 32/50 vielleicht nicht ganz eindeutig zum Ausdruck gekommen ist, nur dann zulässig, wenn das Unternehmen selbst - und nicht nur die Unterstützungskasse - mit einer Pensionsverpflichtung belastet ist. Dabei kann der Umstand, daß die Unterstützungskasse ihre Aufgaben nur erfüllen kann, wenn sie entsprechende Zuwendungen von dem sich ihrer bedienenden Unternehmen erhält, einer eigenen Pensionsverbindlichkeit des Unternehmens nicht gleichgesetzt werden (vgl. das von ähnlichen Erwägungen ausgehende Urteil des Reichsfinanzhofs III 39/43 vom 9. März 1944, Slg. Bd. 54 S. 75 Reichssteuerblatt 1944 S. 180). Eine solche unmittelbare Pensionsverpflichtung des Unternehmens gegenüber seinen Betriebsangehörigen setzt die übernahme einer bürgerlich-rechtlichen Verbindlichkeit gegenüber den einzelnen Leistungsempfängern voraus. Dem ist nach der Rechtsprechung (vgl. Urteil des Reichsfinanzhofs III 211/37 vom 10. Februar 1938, Reichssteuerblatt 1938 S. 531) gleichzuachten eine rechtsähnliche Verpflichtung, die dann vorliegt, wenn nach den Umständen angenommen werden kann, daß sich das Unternehmen den in einem bestimmten Umfang tatsächlich gewährten Leistungen auf die Dauer gesehen nicht entziehen wird und nicht entziehen kann.

Hiernach mußte die Vorentscheidung wegen rechtsirriger Auslegung des § 19 Abs. 2 1. StDVO-SHG aufgehoben werden. Die nicht spruchreife Sache wird an das Finanzgericht zurückverwiesen, das nach den dargelegten Gesichtspunkten zu prüfen haben wird, ob die Bfin. am Währungsstichtag mit von ihr selbst unmittelbar übernommenen Pensionsverpflichtungen belastet war. Ist das der Fall, so steht dem Abzug der kapitalisierten Pensionslast, gekürzt um das entsprechende Kassenvermögen nichts im Wege. Daneben könnte dann das Betriebsvermögen der Bfin. um den bisher nach § 19 Abs. 2 Ziff. 2 Buchstabe b 1. StDVO-SHG zum Abzug zugelassenen Betrag von 10.000 DM nicht gekürzt werden. Denn entweder ist davon auszugehen, daß die Bestimmungen des § 19 Abs. 2 1. StDVO-SHG insoweit, als das sich einer Unterstützungskasse bedienende Unternehmen eigene Pensionslasten als Betriebsschulden abziehen kann, keine Anwendung finden, oder es sind etwaige Zuwendungen an eine Unterstützungskasse nach § 19 Abs. 2 1. StDVO-SHG, die nur unter der Fiktion abzugsfähig sind, eine entsprechende Verpflichtung habe bereits zu Beginn des Währungsstichtags bestanden (vgl. Zweiten Soforthilfeabgabe-Sammelerlaß, Textziffer 7), so anzusehen, als ob sie zu Beginn des Währungsstichtags bereits an die Kasse geleistet oder als ob wenigstens entsprechende Ansprüche der Kasse in diesem Zeitpunkt bereits vorhanden gewesen wären. Diese Betrachtungsweise würde aber zu dem gleichen Ergebnis wie die Nichtanwendbarkeit der Bestimmungen des § 19 Abs. 2 a. a. O. führen, da die Zuwendungen in diesem Fall dem Kassenvermögen zu Beginn des Währungsstichtags zuzurechnen und mithin als Teile dieses Kassenvermögens von der Pensionsrückstellung des Unternehmens wieder abzusetzen wären.

Die Kostenentscheidung sowie die Feststellung des Wertes des Streitgegenstandes werden nach § 318 Abs. 2, § 320 Abs. 3 der Reichsabgabenordnung dem Finanzgericht übertragen.

Fundstellen

  • Haufe-Index 408519
  • BStBl III 1956, 256
  • BFHE 1957, 155
  • BFHE 63, 155
  • StRK , SHG:7 R 7

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