Revision eingelegt (BFH VIII R 35/24)
Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an das Fahrtenbuch eines Berufsgeheimnisträgers - Revision eingelegt (Aktenzeichen des BFH: VIII R 35/24)
Leitsatz (amtlich)
1. Die in § 43a Abs. 2 BRAO normierte Verschwiegenheitspflicht eines Rechtsanwalts erstreckt sich auch auf die Identität des Mandanten und die Tatsache seiner Beratung.
2. Berufsgeheimnisträger können bei der Vorlage eines Fahrtenbuchs nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 3 EStG Schwärzungen vornehmen, soweit diese Schwärzungen erforderlich sind, um die Identitäten von Mandanten zu schützen.
3. Die Berechtigung, einzelne Eintragungen im Fahrtenbuch zu schwärzen, ändert nichts an der grundsätzlichen Beweislastverteilung; gegebenenfalls muss der Berufsträger substantiiert und nachvollziehbar darlegen, weshalb Schwärzungen in dem erfolgten Umfang erforderlich waren, und die berufliche Veranlassung der Fahrten durch ergänzende Angaben darlegen.
Normenkette
AO § 125 Abs. 2 Nr. 3; BRAO § 43a Abs. 2; EStG § 6 Abs. 1 Nr. 4 S. 3; EStG § 10 Abs. 1 Nr. 9 S. 3
Tatbestand
Der Rechtsstreit betrifft die Frage, ob ein Berufsgeheimnisträger zum Nachweis des Verhältnisses von privaten Fahrten zu beruflichen Fahrten nach der Fahrtenbuchmethode ein teilweise geschwärztes Fahrtenbuch vorlegen darf. Außerdem begehren die Kläger die Berücksichtigung der Kosten eines Feriensprachkurses, den ihr Sohn auf der Insel Malta absolviert hat, als Sonderausgaben.
Der Kläger war in den Streitjahren als Rechtsanwalt tätig. Am 3. Februar 2017 erwarb er ein gebrauchtes Kraftfahrzeug zu einem Bruttokaufpreis von € 49.800. Der Bruttolistenpreis des Fahrzeugs im Zeitpunkt der Erstzulassung am 26. April 2016 betrug einschließlich der Kosten der Sonderausstattung € 59.014,65.
In der Folge nutzte der Kläger das Kraftfahrzeug sowohl beruflich als auch privat, wobei die berufliche Nutzung unstreitig mehr als 50% betrug. Die Kanzlei des Klägers befand sich in der X-Allee in Hamburg. Daneben verfügte der Kläger über einen beruflich genutzten Raum in der Wohnung der Klägerin, seiner Ehefrau, im ... A unter der Anschrift XX. Seit 2017 ist der Kläger Mitglied des Mecklenburgisch-Vorpommerschen Anwaltsvereins. Seit Juli 2018 leitet er die Beratungsstelle des Lohnsteuerhilfevereins in A.
Der Sohn B der Kläger besuchte vom xx bis xx 2017 eine Sprachschule auf Malta. In diesem Zusammenhang fielen bei den Klägern unter anderem Kosten für die Sprachschule ("Intensivkurs C General English") in Höhe von € 520 sowie Kosten für den Flug in Höhe von € 305,47 an.
In den Streitjahren 2017 bis 2019 wurden die Kläger zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. In ihrer Einkommensteuererklärung für 2017 gaben sie den Wert der privaten Pkw-Nutzung mit € 912,58 an. Im Zusammenhang mit dem Sprachkurs auf Malta machten sie Sonderausgaben in Höhe von € 1.558 geltend, wobei dieser Betrag auch die Kosten der Unterbringung auf Malta umfasste.
Am 16. Oktober 2019 erließ der Beklagte einen Einkommensteuerbescheid für 2017 sowie einen - nur an den Kläger gerichteten - Umsatzsteuerbescheid für 2017. In dem Einkommensteuerbescheid wurde der Wert der privaten Pkw-Nutzung nach der 1%-Methode berechnet und mit € 5.976 angesetzt. Dabei erfolgte die Berechnung nicht auf der Grundlage des Bruttolistenpreises in Höhe von € 59.014,65, sondern auf der Basis des gezahlten Kaufpreises in Höhe von € 49.800. Aufwendungen für den Sprachkurs des Sohnes wurden nicht berücksichtigt. Bei der Umsatzsteuer wurden für die private Kfz-Nutzung unentgeltliche Wertabgaben zu 19% in Höhe von € 4.780 (dies entspricht 80% von € 5.976) angesetzt.
Am 17. Oktober 2019 legten beide Kläger gegen den Einkommensteuerbescheid und der Kläger gegen den Umsatzsteuerbescheid Einspruch ein. Mit Schreiben vom 23. März 2020 bat der Beklagte die Kläger um Vorlage eines Fahrtenbuchs für 2017. Daraufhin legte der Kläger am 1. April 2020 die Kopie eines Fahrtenbuchs für den Zeitraum vom 4. Februar 2017 bis 22. April 2018 vor; darin waren bei allen beruflich veranlassten Fahrten die Eintragungen in den Spalten "Fahrtstrecke" und "Grund der Fahrt / besuchte Personen" geschwärzt. Der Anteil der Fahrten in 2017, die als Privatfahrten eingetragen waren, belief sich auf 6,25%. Zahlreiche als beruflich eingetragene Fahrten hatten an Wochenenden stattgefunden. Zu den Schwärzungen erklärte der Kläger, dass die geschwärzten Eintragungen gemäß § 43a Abs. 2 der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) und § 203 des Strafgesetzbuchs (StGB) der anwaltlichen Verschwiegenheitspflicht unterlägen. Außerdem legte der Kläger gegen die Anforderung des Fahrtenbuchs vorsorglich Einspruch ein. Mit Schreiben vom 3. Mai 2021 führte der Beklagte aus, dass die anwaltliche Verschwiegenheitspflicht nicht dazu zwinge, die an ein Fahrtenbuch zu stellenden Maßstäbe herabzusetzen. Außerdem beanstandete der Beklagte unter anderem, dass für den Zeitraum vom 1. Januar 2017 bis 3. Februar 2017 keine Aufzeichnungen vorhanden seien. Der Beklagte bat die Kläger, ein "unzensiertes" Fahrtenbuch...