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BGH Urteil vom 12.12.1994 - II ZR 206/93

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Leitsatz (amtlich)

Persönliche Spannungen und gesellschaftsbezogene Meinungsverschiedenheiten können die Ausschließung eines Kommanditisten aus der Gesellschaft nur in besonders schwerwiegenden Fällen rechtfertigen.

 

Normenkette

HGB § 140

 

Verfahrensgang

OLG Karlsruhe (Urteil vom 17.08.1993)

LG Heidelberg (Urteil vom 30.10.1992)

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 17. August 1993 aufgehoben.

Die Berufung der Kläger gegen das Urteil der Kammer für Handelssachen I des Landgerichts Heidelberg vom 30. Oktober 1992 wird zurückgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten der beiden Rechtsmittelzüge.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Die Kläger sind die persönlich haftenden Gesellschafter, die Beklagte ist die einzige Kommanditistin der Fr. H. KG, einer Familiengesellschaft, die den Handel mit Metall und Schrott betreibt. Zwischen den verschwisterten bzw. verschwägerten Parteien bestehen familiäre Spannungen. Hintergrund ist ein, auch gerichtlich ausgetragener, Erbschaftsstreit mit einem weiteren Bruder, F. H. Dieser war kraft gesellschaftsvertraglicher Regelung nicht Nachfolger in den Gesellschaftsanteil der verstorbenen Mutter geworden. In einem Rechtsstreit, den er wegen seines Abfindungsanspruchs gegen die Kläger des vorliegenden Prozesses führte, wandte sich die jetzige Beklagte mit zwei Schreiben an das Landgericht, in denen sie nachteilige und zum Teil ehrenrührige Behauptungen über die jetzigen Kläger aufstellte. Insbesondere behauptete sie, sie und ihr Bruder F. seien von den Klägern im Zusammenhang mit der Übernahme des vererbten Vermögens übervorteilt worden.

Die Kläger halten aufgrund dieses Verhaltens eine Fortsetzung des Gesellschaftsverhältnisses mit der Beklagten für unzumutbar. Diese habe ihrem Bruder F. auch Informationen über Gesellschaftsinterna zukommen lassen, die dieser im Erbrechtsstreit verwendet habe. Dies könne sich negativ auf die KG auswirken, da F. H. ein Konkurrenzunternehmen betreibe. Die Beklagte müsse daher aus der KG ausgeschlossen werden.

Das Landgericht hat die Ausschließungsklage abgewiesen, das Oberlandesgericht hat ihr stattgegeben. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Wiederherstellung des klageabweisenden landgerichtlichen Urteils.

1. Wie die Revision zu Recht rügt, tragen die tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts den Ausschluß der Beklagten aus der Gesellschaft nicht.

Nach § 140 i.V.m. §§ 133, 161 Abs. 2 HGB ist der Ausschluß eines Gesellschafters aus einer KG nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes zulässig. Ob ein solcher zu bejahen ist, unterliegt zunächst der Beurteilung durch den Tatrichter. Diese ist für das Revisionsgericht jedoch dann nicht bindend, wenn sie auf einem unzutreffenden Verständnis dieses Rechtsbegriffes beruht. So liegt es hier.

Das Berufungsgericht hat zwar nicht verkannt, daß persönliche Zerstrittenheit allein keinen wichtigen Grund für eine Ausschließungsklage abgibt, sondern daß von dem Zerwürfnis zumindest nachhaltige Auswirkungen auf das Gesellschaftsverhältnis ausgehen müssen. Zu Unrecht hat es hierfür jedoch ausreichen lassen, daß die Beklagte in ihren Schreiben an das Landgericht Vorwürfe gegen die Kläger erhoben hat, die die Höhe ihrer Gewinnbeteiligung und des Abfindungsanspruchs ihres Bruders F. zum Gegenstand hatten. Es trifft zwar zu, daß das persönliche Zerwürfnis hierdurch einen Gesellschaftsbezug bekam und daß das Verhalten der Beklagten gegen die wirtschaftlichen Interessen der KG gerichtet war. Dies genügt jedoch nicht, eine Fortsetzung des Gesellschaftsverhältnisses derart unzumutbar zu machen, daß das einschneidende Mittel einer Ausschließung gerechtfertigt ist. Daß die Schreiben der am damaligen Rechtsstreit nicht beteiligten Beklagten irgendeinen Einfluß auf die Entscheidung des Gerichts haben konnten, kann wohl ausgeschlossen werden; jedenfalls ist dafür nichts vorgetragen. Die weiteren Vorwürfe, die die Kläger gegen die Beklagte erheben (Äußerungen gegenüber Dritten über eine unlautere Benachteiligung des Bruder F., Information des Bruders über Interna der KG), sind völlig vage und unbestimmt; schädliche Auswirkungen auf die Gesellschaft sind nicht dargetan.

Soweit das Berufungsgericht die verwandtschaftlichen Bindungen als einen die Unzumutbarkeit verstärkenden Gesichtspunkt angesehen hat, hat es dessen Ambivalenz verkannt: Er kann zwar, wie der Senat bereits entschieden hat, unter Umständen ein Fehlverhalten als besonders verwerflich erscheinen lassen, andererseits kann er aber auch die Pflicht begründen, über gewisse gesellschaftswidrige Verhaltensweisen hinwegzusehen und gegen sie mit weniger einschneidenden Maßnahmen vorzugehen (vgl. BGHZ 51, 204, 206, wo dies insbesondere für den, hier gegebenen, Fall eines ererbten Familienunternehmens bejaht wurde). Nicht berücksichtigt hat das Berufungsgericht zudem, daß die Beklagte nur als Kommanditistin an der Gesellschaft beteiligt ist; im Verhältnis zu einer solchen können aber persönliche Spannungen und gesellschaftsbezogene Meinungsverschiedenheiten den Verbleib in der Gesellschaft nur in besonders schwerwiegenden Fällen für die anderen Gesellschafter unzumutbar machen (RG, JW 1938, 2212, 2213; im Grundsatz bestätigt durch Sen.Urt. v. 3. Juli 1961 – II ZR 74/60, NJW 1961, 1767). Ein solcher Fall liegt hier nicht vor.

2. Da weitere tatsächliche Feststellungen nicht zu treffen sind, kann der Senat in der Sache selbst entscheiden. Ein Grund, der die Ausschließung der Beklagten rechtfertigen könnte, ist nicht vorgetragen. Die klageabweisende Entscheidung des Landgerichts ist daher wiederherzustellen.

 

Unterschriften

Boujong, Dr. Hesselberger, Dr. Henze, Stodolkowitz, Dr. Greger

 

Fundstellen

Haufe-Index 1130990

BB 1995, 215

NJW 1995, 597

Nachschlagewerk BGH

ZIP 1995, 113

GmbHR 1995, 131

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