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BFH Urteil vom 24.06.1966 - VI 171/65

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Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Die Gewinnausschüttungen ("Braugelder"), die die brauberechtigten Bürger einer Stadt ("Braubürger"), die eine Realgemeinde bilden, von der gemeinsam betriebenen Brauerei erhalten, sind Einkünfte aus Kapitalvermögen.

 

Normenkette

EStG §§ 20, 22/1

 

Tatbestand

Streitig ist die Steuerpflicht von Braugeldern, die die im Handelsregister Abt. A als Realgemeinde eingetragene "Städtische Brauerei zu X" an die Brauberechtigten ausschüttet. Die Realgemeinde wird von den jeweiligen Eigentümern von 424 Hausstellen (Wohnhäusern) in der Stadt X gebildet, mit denen eine Brauberechtigung verbunden war. Jedes berechtigte Wohnhaus hat das gleiche Anrecht am Vermögen der Brauerei. Die Brauereiberechtigungen können auf andere Wohnhäuser in X übertragen werden. Für die Verbindlichkeiten der Brauerei haftet nur das Brauereivermögen. Die Oberaufsicht über das Unternehmen führt die Stadt X. Der Reingewinn der Brauerei wird nach kaufmännischen Grundsätzen ermittelt und als "Braugeld" unter die als Braubürger bezeichneten Brauberechtigten aufgeteilt. Bei einer Unterbilanz kann die Generalversammlung, in der jeder Braubürger je eine und der Magistrat der Stadt X 76 nicht gewinnberechtigte Sonderstimmen hat, die Liquidation des Unternehmens beschließen. Nach Durchführung der von der Genehmigung des Magistrats abhängigen Liquidation ist das verbleibende Vermögen unter die Brauberechtigten zu verteilen. Im Jahre 1960 betrug das an die Braubürger ausgeschüttete Braugeld je Anteil 225 DM.

Die Steuerpflichtige (Stpfl.) ist Eigentümerin von zwei mit einer Brauberechtigung verbundenen Wohnhäusern. Sie erhielt demgemäß im Jahre 1960 450 DM an Braugeld, das sie in ihrer Einkommensteuererklärung als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung bezeichnete und die das Finanzamt (FA) auch so veranlagte. Mit dem Einspruch machte die Stpfl. geltend, das Braugeld gehöre zu den wiederkehrenden Bezügen im Sinn von § 22 EStG und begehrte den Abzug des Werbungskostenpauschbetrags nach § 9 a Ziff. 3 EStG. In der Einspruchsentscheidung wurde das Braugeld zu den Einkünften aus Kapitalvermögen gerechnet und der Einspruch mangels änderung des Steuerbetrags als unbegründet zurückgewiesen.

Im Berufungsverfahren vertrat die Stpfl. die Auffassung, das Braugeld könne allenfalls zu den sonstigen Einkünften im Sinn von § 22 EStG gerechnet werden. Die Berufung hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte aus, die Brauerei sei nach bürgerlichem Recht zwar weder eine juristische Person noch ein nicht rechtsfähiger Verein. Das FA habe das Braugeld aber zutreffend zu den Einkünften aus Kapitalvermögen gerechnet; denn es sei ein dividendenähnlicher Gewinnanteil. Da die Kapitaleinkünfte in § 20 EStG nicht erschöpfend aufgezählt seien, gehörten alle Früchte eines Geldkapitals dazu. Die Anteile der Braubürger seien Vermögenswerte. Das werde insbesondere bestätigt durch die für den Fall der Liquidation vorgesehene Verteilung des Vermögens der Brauerei und auch durch die Tatsache, daß die Anteile der Braubürger nur gegen erhebliches Entgelt veräußert würden.

Die Stpfl. rügt mit ihrer nach dem Inkrafttreten der FGO als Revision zu behandelnden Rechtsbeschwerde unrichtige Anwendung des geltenden Rechts. Das FG habe zu Unrecht angenommen, die Aufzählung der steuerpflichtigen Kapitaleinkünfte in § 20 EStG sei nicht erschöpfend. Nur die in dieser Vorschrift genannten Kapitalerträge seien Einkünfte aus Kapitalvermögen. Die Braugelder seien nicht dazuzurechnen. Das Braugeld sei kein dividendenähnlicher Gewinnanteil im Sinn von § 20 Abs. 1 Ziff. 1 EStG. Die Generalklausel in § 20 Abs. 2 Ziff. 1 EStG setze ein Kapitalvermögen voraus, als dessen Früchte sich die Einkünfte darstellen müßten. Wenn auch in dem Anteil an einer Realgemeinde regelmäßig ein Vermögensrecht stecke, so treffe das für die "Städtische Brauerei zu X" nicht zu. Nach der Einführung der Gewerbefreiheit müßten die sogenannten Brauberechtigungen anders als die früheren mittelalterlichen Zwangs- und Bannrechte beurteilt werden. Sie seien jetzt kein Vermögenswert mehr. Anteile an einem nicht rechtsfähigen Verein seien keine bewertungsfähigen Wirtschaftsgüter und daher auch keine Vermögenswerte im Sinn des Steuerrechts, wie das FG angenommen habe, wenn es die Braugelder als Früchte eines Vermögenswertes bezeichnet habe. Die Stpfl. beantragt:

das Urteil des FG, die Einspruchsentscheidung und den Einkommensteuerbescheid aufzuheben und die Einkommensteuer für das Streitjahr unter Zugrundelegung eines um 450 DM niedrigeren Einkommens festzusetzen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet. Der Senat hat im Urteil VI 42/60 U vom 3. November 1961 (Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Bd. 74 S. 15 - BFH 74, 15 -, BStBl III 1962, 7) entschieden, daß die Aufzählung der Kapitaleinkünfte in § 20 EStG nicht erschöpfend ist. Er hält an dieser Auffassung auch gegenüber den Ausführungen der Stpfl. fest. In diesem Urteil hat er die Ausschüttungen einer Forstgenossenschaft als Realgemeinde zu den Einkünften aus Kapitalvermögen gerechnet, soweit sie nicht innerhalb eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs anfielen. Für diese Beurteilung war entscheidend, daß die Beteiligten die Erträge auf Grund ihrer kapitalmäßigen Beteiligung an der Realgemeinde erhalten hatten. Der IV. Senat des BFH hat die gleiche Rechtsauffassung vertreten für Jahnschaften (Urteil IV 213/58 S vom 5. September 1963, BFH 78, 294, BStBl III 1964, 117) und für Forstinteressentschaften (Urteil IV 106/62 U vom 3. März 1965, BFH 82, 204, BStBl III 1965, 319), bei denen eine ähnliche kapitalmäßige Beteiligung der Berechtigten bestand.

Der III. Senat des BFH hat in einer die Einheitsbewertung der Brauereiberechtigungen der "Städtischen Brauerei zu X" betreffenden Sache entschieden, daß die an den Grundstücken der Braubürger haftenden Brauberechtigungen selbständig bewertungsfähige Wirtschaftsgüter im Sinn des BewG sind. Dabei ging er davon aus, daß die Braubürger an der Brauerei kapitalistisch beteiligt seien, und daß die Brauerei als nicht rechtsfähiger Verein zu gelten habe (Urteil III 27/52 U vom 13. Februar 1953, BFH 57, 225, BStBl III 1953, 90). Daß die "Städtische Brauerei zu X" als nicht rechtsfähiger Verein zu behandeln sei, wurde in dem amtlich nicht veröffentlichten Urteil III 444/58 vom 26. Januar 1962 nochmals bestätigt. Für die Entscheidung dieses Rechtsstreits ist es jedenfalls von Bedeutung, daß auch der III. Senat eine kapitalmäßige Beteiligung der Braubürger angenommen hat.

Das FG hat insbesondere auf Grund der angeführten Urteile VI 42/60 U und III 27/52 U (a. a. O.) das streitige Braugeld zu den Einkünften aus Kapitalvermögen gerechnet. Daß es Ertrag aus einer kapitalmäßigen Beteiligung an der jetzt als "Städtische Brauerei zu X" bezeichneten Brauerei ist, hat es vor allem aus der Beschlußfassung der Braubürger über die Jahresrechnung, aus der Bezeichnung des Braugeldes als "Dividende", aus der Verteilung des Brauereivermögens auf die Braubürger bei der Liquidation und schließlich aus dem Umstand gefolgert, daß bei dem Verkauf von Anteilen der Braubürger erhebliche Beträge bezahlt werden. Das FG konnte auf Grund dieser Feststellung ohne Rechtsirrtum den Schluß ziehen, daß die Anteile der Braubürger kapitalmäßiger Art sind, und daß die ihnen auf Grund dieser Beteiligung zufließenden Erträge als Einkünfte aus Kapitalvermögen nach § 20 EStG der Besteuerung unterliegen. Daß die Brauberechtigung der Braubürger als solche durch die Einführung der Gewerbefreiheit wertlos geworden ist, ändert nichts daran; denn die Beteiligung an der Brauerei stellt einen Vermögenswert dar, dessen Ertrag die jährlich ausgeschütteten Braugelder sind.

 

Fundstellen

Haufe-Index 412169

BStBl III 1966, 579

BFHE 1966, 548

BFHE 86, 548

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