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BFH Urteil vom 20.02.1953 - III 114/51 U

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Entscheidungsstichwort (Thema)

Steuerliche Betriebsprüfung Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Die Finanzbehörden haben das Recht und die Pflicht, das Vorliegen der materiellen Voraussetzungen einer Grundbuchberichtigung nachzuprüfen, soweit dies steuerlich von Bedeutung ist (§ 204 AO).

Nach dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 1 StAnpG) können sich diejenigen, die zur Täuschung staatlicher Stellen eine Schenkung zum Schein vorgenommen haben, gegenüber dem Staat als Gläubiger der Schenkungsteuerforderung nicht auf § 5 Abs. 1 StAnpG berufen.

 

Normenkette

AO § 204; StAnpG §§ 1, 5 Abs. 1

 

Tatbestand

Der Beschwerdeführer (Bf.) hat seiner Ehefrau durch notariell beurkundeten Vertrag vom 29. Januar 1946 Wertpapiere und zwei Grundstücke geschenkt. Die Auflassung der Grundstücke hat der durch den Schenkungsvertrag von den Beschränkungen des § 181 BGB befreite Bf. am 12. März 1946 zu notariellem Protokoll erklärt und gleichzeitig die Eintragung seiner Ehefrau als Eigentümerin in das Grundbuch bewilligt. Die Ehefrau des Bf. ist am 21. März 1947 als Eigentümerin im Grundbuch eingetragen worden. Das Finanzamt hat den Bf. am 26. April 1948 zur Abgabe einer Schenkungsteuererklärung aufgefordert. Im Verlauf der zwischen dem Finanzamt und dem Bf. über die Abgabe des Schenkungsteuererklärung geführten Schriftwechsels ist dem Finanzamt eine am 9. Januar 1950 errichtete öffentliche Urkunde übersandt worden, in der der Bf. und seine Ehefrau erklärt haben, daß der Schenkungsvertrag nur zum Schein abgeschlossen worden sei. Der Bf. habe damals Anlaß gehabt, Eingriffe in sein Vermögen zu befürchten. In der genannten Urkunde haben der Bf. und seine Ehefrau gegenseitig die Nichtigkeit des Schenkungsvertrags sowie der nachfolgenden Auflassung anerkannt sowie Grundbuchberichtigung dahin bewilligt und beantragt, daß der Bf. wieder als Eigentümer der Grundstücke im Grundbuch eingetragen werde. Die Grundbuchberichtigung ist am 26. Februar 1950 erfolgt. Das Finanzamt hat durch Steuerbescheid vom 17. April 1950 für die Schenkung der Wertpapiere und der Grundstücke Schenkungsteuer festgesetzt. Der auf völlige Freistellung von der Schenkungsteuer gerichtete Einspruch ist erfolglos geblieben. Die ebenfalls auf völlige Freistellung von der Schenkungsteuer abzielende Berufung hat insofern Erfolg gehabt, als die Schenkungsteuer für die Wertpapiere wegen insoweit mangelnden Vollzugs der Schenkung in Wegfall gekommen ist; dagegen hat das Finanzgericht eine gültige Grundstücksschenkung angenommen. Mit der Rechtsbeschwerde (Rb.) erstrebt der Bf. wie schon in den Vorinstanzen Aufhebung der Schenkungsteuerfestsetzung auch für die übertragung der Grundstücke.

 

Entscheidungsgründe

Der Rb. muß der Erfolg versagt bleiben.

Die Rb. erblickt einen Verstoß wider den klaren Inhalt der Akten darin, daß die angefochtene Entscheidung die Grundstücksschenkung des Bf. an seine Ehefrau als gültig angesehen hat, obwohl der Schenkungsvertrag (und die Auflassung) vom Grundbuchamt laut Grundbuchnachricht vom 26. Februar 1950 als nichtig behandelt und dementsprechend Grundbuchberichtigung vorgenommen worden ist. Diese Auffassung der Rb. ist nicht zutreffend. Das Finanzgericht hat in tatsächlicher Hinsicht nicht etwa festgestellt, das Grundbuchamt habe Schenkungsvertrag und Auflassung nicht als nichtig angesehen, sondern das Finanzgericht hat eine mit der grundbuchlichen Behandlung nicht übereinstimmende Rechtsauffassung vertreten.

Die Rb. meint in diesem Zusammenhang, die Auffassung des Finanzgerichts beruhe auch auf unrichtiger Rechtsanwendung, weil die Finanzbehörden (und Finanzgerichte) die Entscheidungen anderer Behörden, die diese im Rahmen ihrer Zuständigkeit getroffen haben, als verbindlich anzuerkennen hätten. Es kann dahingestellt bleiben, ob ein entsprechender Grundsatz in dieser Allgemeinheit anzuerkennen wäre, für den hier vorliegenden Fall der Grundbuchberichtigung trifft er jedenfalls nicht zu. Das Recht der Grundbuchordnung wird von dem Grundsatz des formellen Konsensprinzips beherrscht (§ 19 der Grundbuchordnung). Hiernach braucht der Grundbuchrichter, wenn ihm eine Berichtigungsbewilligung vorgelegt wird, nicht zu prüfen, ob das Grundbuch in der Tat unrichtig ist. d. h. er darf daneben nicht noch den Nachweis der Unrichtigkeit verlangen (Staudinger, BGB, 10. Aufl. 1935, Anm. 42 Abs. 2 zu § 894 auf S. 277; Güthe-Triebel, Grundbuchordnung, 6. Aufl. 1936, Anm. 24a zu § 19 auf S. 378). Die Vornahme einer Grundbuchberichtigung durch das Grundbuchamt beweist also nichts für das Vorliegen ihrer materiellen (sachlichen) Voraussetzungen. Deshalb haben die Finanzbehörden und die Finanzgerichte auch das Recht und die Pflicht, das Vorliegen der materiellen Voraussetzungen einer Grundbuchberichtigung nachzuprüfen, soweit dies - wie hier bezüglich der Nichtigkeit des Schenkungsvertrags und der nachfolgenden Auflassung - steuerlich von Bedeutung ist. Die von dem Bf. angezogene Bemerkung von Kühn in seinem Erläuterungsbuch zur Reichsabgabenordnung, Anm. 5 zu § 204 auf S. 208, das Finanzamt könne nicht die Richtigkeit einer Grundbucheintragung nachprüfen, geht insoweit fehl; von den Entscheidungen des Reichsfinanzhofs, die Kühn a. a. O. anführt, bezieht sich nur das Urteil vom 24. März 1935 (Mrozek-Kartei, Rechtsspr. 8 zu § 204 der Reichsabgabenordnung - AO - 1919) auf den Fall einer Grundbucheintragung - übrigens nicht einer Grundbuchberichtigung -. Es bestätigt aber keineswegs die von Kühn vertretene Auffassung, sondern spricht vielmehr aus, daß die Steuerstellen nicht von Amts wegen nachprüfen müssen, ob eine ihnen vom Grundbuchamt mitgeteilte Eigentumsänderung auch tatsächlich eingetreten ist, insbesondere ob eine rechtsgültige Auflassung zugrunde gelegen hat.

Für den vorliegenden Fall ergibt sich hiernach, daß die durch das Grundbuchamt vorgenommene Grundbuchberichtigung für die steuerliche Beurteilung nicht bindend ist.

Die Vorinstanz hat im Wege der freien Beweiswürdigung ohne ersichtlichen Rechtsverstoß und daher auch für den erkennenden Senat bindend die Feststellung getroffen, daß der Bf. einen Zugriff auf sein Vermögen seitens der Behörden für die politische Säuberung befürchtete. Diese Sachlage spricht dafür, daß der Bf. sich seiner Grundstücke rechtswirksam entledigen wollte, der Vertrag vom 29. Januar 1946 also eine vom Bf. und seiner Ehefrau ernstgemeinte Schenkung zum Gegenstand hatte und die angebliche Scheinnatur dieses Vertrags eine erst nachträglich aufgestellte Schutzbehauptung darstellt. Indessen kann es dahingestellt bleiben, ob vorliegendenfalls die Steuerpflicht auf Grund der Gültigkeit des Schenkungsvertrags zu bejahen wäre, weil die Schenkung hier auch dann steuerpflichtig ist, wenn es sich bei ihr von vornherein um ein Scheingeschäft gehandelt haben sollte.

Wenn die Schenkung wirklich nur zum Schein vorgenommen war, so hatte sie den Zweck, die Behörden der politischen Säuberung über den wahren Vermögensbestand des Bf. zu täuschen. Diese Behörden waren ebenso ein - rechtlich unselbständiger - Teil der staatlichen Hoheitsgewalt wie die Behörden der Finanzverwaltung. Dem Bf. stand demnach der Staat als Einheit gegenüber. Hat nun der Bf. gegenüber dem Staat als Träger der politischen Säuberung den Anschein erweckt, er (der Bf.) habe sein Vermögen durch eine rechtswirksame Schenkung an seine Ehefrau vermindert, so kann er sich gegenüber eben demselben Staat in dessen Eigenschaft als Steuergläubiger nicht darauf berufen, die Schenkung sei nur zum Schein vorgenommen. Es folgt dies aus dem auch für das Steuerrecht geltenden Grundsatz von Treu und Glauben, der insbesondere dem sogenannten "venire contra factum proprium", d. h. dem Vorgehen im Widerspruch zur eigenen Handlung, die rechtliche Anerkennung versagt. Ein solcher Fall des Vorgehens im Widerspruch zur eigenen Handlung liegt vor, wenn Personen (hier: der Bf. und seine Ehefrau) als Träger einer bestimmten Rechtsstellung (hier: als Schenker und als Beschenkte) aufgetreten sind. Die genannten Personen müssen dann den dadurch hervorgerufenen Schein im Verhältnis zum Vertrauenden (demjenigen, dem gegenüber der Anschein der betreffenden Rechtsstellung hervorgerufen ist, hier: dem Staat - als Träger der politischen Säuberung -) gegen sich gelten lassen (vgl. Staudinger, BGB, 10. Aufl. 1940/41, Anm. 546 Abs. 2 zu § 242 S. 332). Der Bf. kann sich also nicht auf die Bestimmung des § 5 Abs. 1 des Steueranpassungsgesetzes berufen, diese wird vielmehr im vorliegenden Fall durch den übergeordneten allgemeinen Grundsatz von Treu und Glauben verdrängt (vgl. für einen ähnlichen Fall das Urteil des Reichsfinanzhofs IV A 97/32 vom 24. Mai 1932, Steuer und Wirtschaft Sp. 1889, ferner die grundsätzlichen Ausführungen in dem Aufsatz von Popitz "Die Ideale im Recht und das Steuerrecht", Archiv für öffentliches Recht, Bd. 40 - 1921 - S. 143).

Hiernach war die Rb. als unbegründet zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 307 ff. AO.

 

Fundstellen

Haufe-Index 407601

BStBl III 1953, 97

BFHE 1954, 245

BFHE 57, 245

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