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BFH Urteil vom 19.09.1985 - VII R 164/84 (NV)

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Entscheidungsstichwort (Thema)

Sachaufklärung (§ 76 FGO) und Beweisaufnahme (§ 81 Abs. 1 FGO)

 

Leitsatz (NV)

Zur Sachaufklärung (§ 76 FGO) und zur Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme (§ 81 Abs. 1 FGO) bei der Verwertung von Ermittlungen der Steuerfahndung hinsichtlich zu Unrecht ausgezahlt erhaltener Vorsteuerbeträge.

 

Normenkette

FGO §§ 75, 81 Abs. 1

 

Tatbestand

Der Kläger war in den Jahren 1979 und 1980 der Buchhalter der GmbH, über deren Vermögen im Oktober 1980 das Konkursverfahren eröffnet worden ist. Bei einer von der Steuerfahndungsstelle A durchgeführten Prüfung wurde festgestellt, daß die GmbH u. a. in erheblichem Umfang mit Hilfe fingierter Lieferantenrechnungen Vorsteuerabzugsbeträge angemeldet und sich hatte auszahlen lassen. Da nach dem Ergebnis der Steuerfahndungsprüfung der Kläger als der Initiator dieser Maßnahmen anzusehen war, nahm ihn das FA - nach fruchtlosen Vollstreckungsversuchen bei der GmbH - mit Bescheid vom Juni 1982 in Form der Einspruchsentscheidung vom Februar 1983 wegen Steuerhinterziehung (§ 370 der Abgabenordnung - AO 1977 -) gemäß § 71 der Reichsabgabenordnung (AO) in Haftung.

Bereits vor Erlaß der Einspruchsentscheidung hatte das FA dem Kläger den Steuerfahndungsbericht übersandt, aufgrund dessen es die Inanspruchnahme als Haftungsschuldner vorgenommen hatte. Die ursprünglich höher festgesetzte Haftungssumme hatte das FA in der Einspruchsentscheidung um diejenigen Beträge gekürzt, hinsichtlich deren eine schuldhafte Verkürzung nicht aufrecht zu halten war, ferner um die zwischenzeitlich getilgten Steuerbeträge. Auf diese Weise gelangte das FA zu der in der Einspruchsentscheidung festgesetzten Haftungssumme von insgesamt . . . DM.

Das FG hat nach mündlicher Verhandlung die Klage, mit der die Aufhebung des Haftungsbescheids begehrt wurde, abgewiesen.

Mit der Revision verfolgt der Kläger das Klagebegehren weiter. Er rügt wesentliche Verfahrensmängel und unrichtige Anwendung von § 71 AO 1977. Im wesentlichen macht er geltend:

Ein Verfahrensverstoß liege darin, daß es das FG unterlassen habe, die von ihm in der mündlichen Verhandlung vor dem FG angebotenen Zeugen zu vernehmen. Dadurch seien die Grundsätze der gebotenen Sachaufklärung (§ 76 FGO) und der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme (§ 81 FGO) verletzt worden. Auch die vom FG aufgrund des ihm zugänglichen Erkenntnisstandes angestellte Beweiswürdigung sei zu beanstanden. Das FG hätte bei sachgerechter Würdigung der Ermittlungen der Steuerfahndung sowie der später getroffenen Feststellungen nicht zu dem Ergebnis kommen dürfen, daß der Kläger eine Steuerhinterziehung begangen oder mindestens daran teilgenommen habe. Ferner sei ihm das rechtliche Gehör nicht hinreichend gewährt worden. So habe er keine Einsicht in die Steuerakten der GmbH erhalten und sei daher nicht in der Lage gewesen, die Haftungsschuld nach Grund und Höhe nachzuvollziehen. Die Vorentscheidung enthalte keine schlüssige Tatbestandsdarstellung; das FG habe gegen §§ 119 Nr. 6, 105 Abs. 2 und 3 FGO verstoßen. Schließlich habe das FG verkannt, daß auch die Ermessensausübung bei Erlaß des Haftungsbescheids nicht ordnungsgemäß ausgeübt, mindestens aber nicht hinreichend kenntlich gemacht worden sei.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.

Die in revisionsrechtlich zulässiger Weise (§ 120 Abs. 2 FGO) erhobene Rüge, das FG habe einen Verfahrensfehler (§ 76 Abs. 1 FGO) dadurch begangen, daß es den vom Kläger in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisanträgen auf Vernehmung bestimmter Zeugen nicht entsprochen habe, greift durch.

Nach § 76 Abs. 1 FGO erforscht das Gericht den Sachverhalt von Amts wegen. Es ist dabei an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH ist diese Bestimmung dahin auszulegen, daß die Tatsacheninstanz gehalten ist, erforderlichenfalls unter Ausnutzung aller verfügbaren Beweismittel den Sachverhalt so vollständig wie möglich aufzuklären. Sie darf daher auf die Erhebung eines von einem Beteiligten bezeichneten Beweismittels im Regelfall nur verzichten, wenn sie die Richtigkeit der durch das Beweismittel zu beweisenden Tatsache zugunsten der betreffenden Partei unterstellt, das Beweismittel nicht erreichbar oder die Tatsache rechtsunerheblich ist (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 10. Januar 1978 VII R 106/74, BFHE 124, 305, 307, BStBl II 1978, 311, mit Hinweisen auf die Rechtsprechung). Diese Grundsätze hat das FG verletzt.

Das FG durfte die angetretenen Beweise nicht mit der Begründung unerhoben lassen, die Anträge seien rechtsmißbräuchlich. Die FGO kennt - abgesehen vom Fall des Art. 3 § 3 des Gesetzes zur Entlastung der Gerichte in der Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit (VGFGEntlG), der hier nicht gegeben ist - keine Zurückweisung verspäteten oder nicht schriftsätzlich angekündigten Vorbringens (vgl. BFH-Urteile vom 5. März 1970 IV R 235/68, BFHE 98, 528, BStBl II 1970, 496, und vom 26. Februar 1975 II R 120/73, BFHE 115, 185, 190, BStBl II 1975, 489, 491). Selbst Angriffs- und Verteidigungsmittel, die aus grober Nachlässigkeit erst spät vorgebracht werden, sind zu berücksichtigen, wenn sie in der mündlichen Verhandlung vorgetragen werden; das ist nur dann nicht der Fall, wenn ein offenbarer Rechtsmißbrauch vorliegt (BFHE 115, 185, 190, BStBl II 1975, 489, 491). Daran aber fehlt es hier.

Auf einen offenbaren Rechtsmißbrauch läßt sich hier nicht schon deswegen schließen, weil der Kläger in seinen die mündliche Verhandlung vorbereitenden Schriftsätzen die tatsächlichen Annahmen, auf denen der angefochtene Bescheid beruht, nicht in Zweifel gezogen hatte. Mangels einer besonderen Aufforderung nach Art. 3 § 3 VGFGEntlG war der Kläger nicht verpflichtet, alle Beweisanträge, die er in der mündlichen Verhandlung zu stellen beabsichtigte, schriftsätzlich anzukündigen. Im vorliegenden Fall kam hinzu, daß sich dem FG unabhängig vom Vorbringen der Beteiligten die Frage aufdrängen mußte, ob - und ggf. unter welchen Voraussetzungen - es sich die Feststellungen der Steuerfahndung zu eigen machen und den Inhalt der Vernehmungsprotokolle der Steuerfahndung gleich einem Zeugenbeweis würdigen durfte (vgl. BFHE 124, 305, BStBl II 1978, 311, und BFH-Urteil vom 18. November 1971 VIII 21/65, BFHE 104, 409, BStBl II 1972, 399). Es mußte also mit entsprechendem Vorbringen des Klägers noch in der mündlichen Verhandlung rechnen.

Da die Vorentscheidung auf diesem Verfahrensmangel beruhen kann, war sie aufzuheben. Es bedurfte daher keines Eingehens auf die weiteren Revisionsrügen des Klägers, insbesondere die der unzureichenden tatsächlichen Feststellungen des FG (vgl. dazu z. B. BFH-Urteil vom 21. Januar 1981 I R 153/77, BFHE 133, 33, BStBl II 1981, 517).

 

Fundstellen

Haufe-Index 414148

BFH/NV 1986, 674

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