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BFH Urteil vom 17.02.1961 - VI 66/59 U

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Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Der mit dem Steuerpflichtigen für ein Verlustjahr zusammenveranlagte Sohn und Erbe kann in den folgenden Jahren den Verlust jedenfalls dann nicht abziehen (als Sonderausgabe geltend machen), wenn er wegen Durchführung des Nachlaßkonkurses nur beschränkt haftet und der Verlust nicht von ihm, sondern von den Gläubigern getragen wird.

 

Normenkette

EStG § 10 Abs. 1 Ziff. 4, § 10d

 

Tatbestand

Strittig ist die Berücksichtigung eines Verlustes aus Gewerbebetrieb bei der Veranlagung der Bf. für das Jahr 1954. Die Bf. sind Ehegatten. Ob sie den Antrag auf Zusammenveranlagung stellen, hängt von der Frage der Verlustberücksichtigung ab. über diese Frage ist durch Zwischenurteil vorab entschieden worden.

Den Verlust hat der am 21. Dezember 1953 gestorbene frühere (geschiedene) Ehemann der Bfin. erlitten. Alleinerbe ist der damals 13 Jahre alte Sohn der Bfin. aus dieser Ehe. Bei der Zusammenveranlagung von Vater und Sohn für das Jahr 1953 (Freistellungsbescheid) ist das Finanzamt von einem Verlust von 496.382 DM ausgegangen. Am 12. Februar 1954 ist über den Nachlaß des Vaters Konkurs eröffnet worden. Er ist nach Abwicklung durch Beschluß vom 12. März 1956 beendet worden.

Bei der Zusammenveranlagung der Bf. mit ihren Kindern (zwei Kindern des Ehemannes aus dessen erster Ehe und dem vorerwähnten Sohn der Ehefrau aus deren erster Ehe) für das Jahr 1954 ließ das Finanzamt den Verlust unberücksichtigt, weil dieser, wenn auch der Sohn dem Grunde nach zur Geltendmachung des Verlustabzugs berechtigt sei, doch nicht von dem Sohn, der wegen des Nachlaßkonkurses nur beschränkt hafte, sondern von den Gläubigern seines verstorbenen Vaters getragen werde. Der Einspruch blieb ohne Erfolg.

Die Berufung hatte ebenfalls keinen Erfolg. Der Verlust, so führt das Urteil des Finanzgerichts aus, sei für das vorliegende Verfahren ohne Rücksicht auf den seinerzeitigen Freistellungsbescheid zu ermitteln. Berücksichtige man, daß bei der hohen überschuldung des Betriebs mit einer Bezahlung der Verbindlichkeiten durch den Sohn des Betriebsinhabers ernstlich nicht habe gerechnet werden können, dann seien die Verbindlichkeiten in der der Verlustermittlung zugrunde liegenden Bilanz vom 31. Dezember 1953 viel zu hoch angesetzt worden, zumal der Betriebsinhaber zu diesem Zeitpunkt bereits tot und der Nachlaßkonkurs unvermeidlich gewesen sei. Wären aber die Verbindlichkeiten mit den Werten, mit deren Abdeckung zu rechnen gewesen sei, und unter Berücksichtigung der Ausfälle, die die Gläubiger tatsächlich hätten tragen müssen, angesetzt worden, dann hätte sich kein Verlust ergeben.

Mit ihrer Rb. wehren sich die Bf. gegen die Nichtberücksichtigung des Verlustes. Für die Abzugsfähigkeit sei, so machen sie geltend, allein entscheidend, daß der Verlust entstanden sei und daß der jetzt mit ihnen zusammen zu veranlagende Sohn seinerzeit mit dem Vater, der den Verlust erlitten habe, zusammen veranlagt worden sei. Was sich später - nach dem Verlustjahr 1953 - ereignet habe, sei gleichgültig. Es sei also unerheblich, ob der Sohn wegen der Durchführung des Nachlaßkonkurses nur beschränkt hafte. Die Ausführungen des Finanzgerichts über den Ansatz der Verbindlichkeiten und damit über die Höhe des Verlustes verstießen gegen die Bewertungsregeln, insbesondere gegen den Grundsatz, daß nichtrealisierte Gewinne nicht ausgewiesen werden könnten.

über die Sache ist mündlich verhandelt worden. In der mündlichen Verhandlung haben die Bf. ergänzend vorgetragen, daß ihnen der Verlustabzug auch nicht etwa mit der Begründung versagt werden könne, daß der mit ihnen zusammen veranlagte Sohn durch den Verlust nicht belastet sei. Der Sohn hafte zwar beschränkt. Das ändere aber nichts daran, daß die Forderungen der Gläubiger, soweit sie durch den Nachlaßkonkurs nicht befriedigt worden seien, nach wie vor bestünden und dem Sohn gegenüber geltend gemacht werden könnten. Ob dieser dann von der Einrede der beschränkten Erbenhaftung Gebrauch mache, stehe auf einer ganz anderen Ebene. Jedenfalls könne hieraus nicht gefolgert werden, daß der Sohn den Verlust nicht zu tragen habe. Hierbei dürfe auch nicht außer acht gelassen werden, daß in den Aktivwerten der aufgelösten Firma erhebliche Reserven gesteckt hätten, wie auch die Firma selbst einen erheblichen Geschäftswert gehabt habe. Dies alles habe der Sohn ebenso verloren wie die sehr wertvolle Wohnungseinrichtung seines verstorbenen Vaters.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. ist nicht begründet.

Den Bf. ist zwar zuzugeben, daß die Ausführungen des Finanzgerichts über die Berücksichtigung der Ausfälle der Gläubiger und damit der Tatsache, daß der Sohn des verstorbenen Betriebsinhabers nur beschränkt haftet, bei den Ansätzen der Verbindlichkeiten in der Schlußbilanz des Jahres 1953 der Rechtsgrundlage entbehren. Verbindlichkeiten können zwar und müssen unter Umständen statt mit den "Anschaffungskosten" mit dem "höheren" Teilwert angesetzt werden. Sie können aber, selbst wenn der Schuldner mit einer Minderung rechnen kann, nicht etwa mit einem Wert angesetzt werden, der unter den "Anschaffungskosten" liegt. Ein solcher Ansatz ist vielmehr erst dann möglich (und geboten), wenn die Verbindlichkeit sich tatsächlich, z. B. durch Erlaß, gemindert hat.

Die von dem Finanzgericht vertretene Auffassung, daß der Verlustabzug im vorliegenden Falle nicht zulässig sei, ist aber trotzdem im Ergebnis nicht zu beanstanden. Wenn überhaupt, so kann hier, wovon sowohl die Bf. als auch die Vorinstanzen ausgehen, der in der Person des verstorbenen früheren Ehemannes der Bfin. entstandene Verlust nur über den mit diesem seinerzeit zusammen veranlagten Sohn der Bfin. berücksichtigt werden. Der Verlustabzug ist nach ständiger Rechtsprechung grundsätzlich an die Person des Steuerpflichtigen, der den Verlust erlitten hat, geknüpft (vgl. B. das Urteil des Bundesfinanzhofs I 131/57 U vom 8. Januar 1958, BStBl 1958 III S. 97, Slg. Bd. 66 S. 250). Ob der Erbe, wenn er mit dem Steuerpflichtigen zusammen veranlagt worden ist, zur Geltendmachung des Verlustabzugs berechtigt ist (vgl. das Urteil des Reichsfinanzhofs VI 433/40 vom 2. Juli 1941, RStBl 1941 S. 658), kann hier dahingestellt bleiben. Jedenfalls kann der Verlustabzug, wie das Finanzamt in seiner Einspruchsentscheidung mit Recht ausgeführt hat, von einem Erben dann nicht geltend gemacht werden, wenn er wegen der Beschränkung seiner Haftung auf den Nachlaß selbst nicht belastet ist.

Der Verlustabzug soll für den betroffenen Steuerpflichtigen zu einer Art Durchschnittsbesteuerung führen. Er soll die Härten mildern, die darin liegen, daß bei der normalen Besteuerung Verluste, soweit sie nicht im Entstehungsjahr ausgeglichen werden können, sich bestenfalls in einer Freistellung auswirken, während Gewinne ohne Rücksicht darauf, inwieweit sie durch frühere Verluste belastet sind, voll versteuert werden müssen. Nach ständiger Rechtsprechung ist aber dem Sinn und Zweck des Verlustabzugs entsprechend ein Abzug insoweit unzulässig, als der Verlust wirtschaftlich zu keiner Belastung des Steuerpflichtigen führt, wie z. B. dann, wenn dem Verlust im Jahr der Geltendmachung ein Sanierungsgewinn gegenübersteht (vgl. das Urteil des Bundesfinanzhofs I 24/57 U vom 10. Dezember 1957, BStBl 1958 III S. 83, Slg. Bd. 66 S. 214). Dieser Auffassung ist auch der erkennende Senat. Wenn auch § 10 Abs. 1 Ziff. 4 EStG 1953 den Verlustabzug dem Wortlaut nach ohne jede Einschränkung gestattet, so wäre es doch unverständlich und mit dem Grundsatz der Gleichbehandlung aller Steuerpflichtigen unvereinbar, wenn ein Steuerpflichtiger den Verlust auch dann abziehen könnte, wenn er wirtschaftlich nicht belastet ist. Hat nicht der Steuerpflichtige, sondern haben seine Gläubiger den Verlust zu tragen, so würde es nicht auf eine Durchschnittsbesteuerung, sondern auf eine dem Sinn und Zweck der Begünstigung nicht entsprechende doppelte Berücksichtigung des Verlustes hinauslaufen, wenn dieser außer bei den Gläubigern auch noch bei dem Steuerpflichtigen berücksichtigt würde. Dabei kann es für die Beurteilung der Frage, ob der Verlust von den Gläubigern oder dem Steuerpflichtigen zu tragen ist, nicht darauf ankommen, ob die Forderungen der Gläubiger rechtlich bestehen, wenn ernstlich mit einer Erfüllung durch den Steuerpflichtigen und demgemäß mit einer Geltendmachung durch die Gläubiger nicht zu rechnen ist (vgl. das einen in Konkurs gefallenen Steuerpflichtigen betreffende Urteil des Reichsfinanzhofs VI A 690/34 vom 5. Februar 1936, RStBl 1936 S. 555, ferner Blümich-Falk, Einkommensteuergesetz, 8. Auflage, Bemerkung 3 zu § 10 d, Bd. 1 S. 917, und Littmann, das Einkommensteuerrecht, 6. Auflage, Tz. 1 a zu § 10 d, S. 865). Dementsprechend kann auch ein Erbe, selbst wenn er dem Grunde nach zum Abzug eines in der Person des Erblassers entstandenen Verlusts berechtigt wäre, diesen doch jedenfalls insoweit nicht geltend machen, als er ihn auf Grund der Beschränkung seiner Haftung durch den Nachlaßkonkurs weder rechtlich noch wirtschaftlich trägt (§§ 1989, 1973 BGB). Den Bf. ist zwar zuzugeben, daß der Erbe nach wie vor Schuldner der ausgefallenen Forderungen ist, von den Gläubigern in Anspruch genommen werden kann und gegebenenfalls auch die Haftungsbeschränkung erst geltend machen muß. Die Bf. sehen aber an den tatsächlichen Gegebenheiten vorbei, wenn sie das rechtliche Bestehen der Forderungen und die Möglichkeit ihrer Geltendmachung in den Vordergrund stellen, die Haftungsbeschränkung jedoch als eine entfernte, nur erst auf das Vorbringen des Erben zu berücksichtigende Möglichkeit darstellen. Sie lassen völlig außer acht, daß es doch gerade der Zweck des Nachlaßkonkurses ist, die Gläubiger auf den Nachlaß zu verweisen und ihnen für die Zukunft die Möglichkeit zu nehmen, sich auch an das persönliche - das nicht zum Nachlaß gehörige - Vermögen des Erben zu halten. Wirtschaftlich ist es also gerade umgekehrt so, daß nämlich die Haftungsbeschränkung im Vordergrund steht und dem rechtlichen Bestehen der Forderungen, wenn überhaupt, nur ein geringer Wert beizumessen ist. Jedenfalls muß, wenn nicht besondere Gründe im Einzelfall für eine andere Auffassung sprechen, grundsätzlich davon ausgegangen werden, daß der Ausfall der nach der Durchführung des Konkurses nicht befriedigten Forderungen nicht von dem Erben, sondern von den Gläubigern getragen wird.

Daß der Sohn des verstorbenen Steuerpflichtigen, in dessen Person der hier geltend gemachte Verlust entstanden ist, wegen des Nachlaßkonkurses nur beschränkt haftet und für die ausgefallenen Verbindlichkeiten nicht etwa persönlich einzustehen beabsichtigt, kann ernsthaft nicht in Frage gestellt werden. Der Hinweis der Bf., daß der Sohn ein großes Vermögen von seiner Mutter erben werde und nicht zuletzt im Hinblick auf die Möglichkeit, das aufgelöste Unternehmen des verstorbenen Vaters wieder zu eröffnen, gezwungen sein könnte, den Gläubigern entgegenzukommen, rechtfertigt es nicht, die Haftungsbeschränkung als gegenstandslos zu betrachten. über die Frage, welche steuerlichen Auswirkungen sich ergeben, wenn der Sohn tatsächlich persönlich einspringen sollte, wird zu gegebener Zeit zu entscheiden sein. Jedenfalls kann der Umstand, daß ein solches Einspringen nicht schlechthin ausgeschlossen erscheint, nicht dazu führen, es bereits jetzt zu unterstellen.

Bei der Höhe der ausgefallenen Forderungen besteht auch kein Zweifel, daß der Verlust, um dessen Abzug es geht, wirtschaftlich nicht von dem Sohn, sondern von den Gläubigern getragen worden ist. Wie von den Bf. nicht in Frage gestellt worden ist, hat sich die überschuldung ausweislich der Bilanzen von (-) 49.812,94 DM Ende 1952 auf 640.162,95 DM Ende 1953 erhöht. Selbst wenn in den "Aktiva" stille Reserven gesteckt haben und manche Wirtschaftsgüter gerade im Hinblick auf den Nachlaßkonkurs zu einem ungünstigen Preis veräußert worden sind, vermag dies bei der Höhe der ausgefallenen Forderungen doch nichts daran zu ändern, daß der Verlust nicht den Erben, sondern die Gläubiger getroffen hat. Aus dem gleichen Grunde muß auch der Verlust der Wohnungseinrichtung unberücksichtigt bleiben. Daß dem Erben, weil die aktiven Güter des Nachlasses zur Befriedigung der Gläubiger verwendet wurden, persönlich keinerlei aktive Güter verblieben, reicht für sich allein nicht aus, um den Erben als durch den Verlust belastet anzusehen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 409984

BStBl III 1961, 230

BFHE 1961, 630

BFHE 72, 630

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