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BFH Urteil vom 17.02.1961 - VI 243/60 U

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Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Auch § 10 d EStG 1955 gibt dem Steuerpflichtigen kein Wahlrecht, wann er von dem Recht des Verlustabzugs Gebrauch machen will.

Der Verlustabzug wirkt sich insoweit aus, als er den Gesamtbetrag der Einkünfte mindert. Daß der Steuerpflichtige wegen der tarifmäßigen Freibeträge schon bei einem über 0 DM liegenden Betrag von der Einkommensteuer freigestellt wäre, führt nicht dazu, daß der Verlust nur in einem entsprechend geringeren Betrag abgezogen werden kann.

 

Normenkette

EStG § 10d

 

Tatbestand

Strittig ist, in welcher Höhe der von dem Bf. in dem Jahre 1954 erlittene Verlust aus Gewerbebetrieb bei der Veranlagung zur Einkommensteuer für das Jahr 1956 zu berücksichtigen ist. Der Verlust hat 5.697 DM betragen, andere (positive ) Einkünfte sind in dem Jahr 1954 nicht angefallen. Für das Jahr 1955 ist der Bf. unter Zugrundelegung von einem Gesamtbetrag der Einkünfte von 5.114 DM und von Sonderausgaben von 5.114 DM (hierunter 4.292 DM Verlustabzug) zu einer Einkommensteuer von 0 DM veranlagt worden.

Für das Jahr 1956 veranlagte das Finanzamt den Bf. nach einem Einkommen von 3.871 DM, wobei es den Verlustabzug in Höhe von (5.697 ./. 4.292 =) 1.405 DM berücksichtigte. Der Einspruch des Bf., der einen Verlustabzug in Höhe von 2.756 DM für berechtigt hielt, blieb ohne Erfolg.

Die Berufung hatte ebenfalls keinen Erfolg. Der Bf., so führt das Urteil des Finanzgerichts aus, könne nicht wählen, wann er den Verlustabzug geltend machen wolle. Der Verlustabzug sei vielmehr kraft Gesetzes insoweit ausgeschlossen, als der Verlust im Jahre der Entstehung ausgeglichen und in einem der folgenden Jahre abgezogen worden oder abzuziehen gewesen sei. Die Fassung des § 10 d EStG 1955 habe gegenüber der Fassung des § 10 Abs. 1 Ziff. 4 EStG 1953 in diesem Punkte keine änderung gebracht. Die Fassung des § 10 d EStG 1958 sei insoweit keine änderung, sondern nur eine Bestätigung des bisher schon geltenden Rechts.

Mit seiner wegen der grundsätzlichen Bedeutung des Falles ausdrücklich zugelassenen Rb. wehrt sich der Bf. gegen die Nichtberücksichtigung des von ihm geltend gemachten Betrags. Ihm gehe es, so bringt er vor, nicht um ein Wahlrecht, wie es von dem Finanzgericht abgelehnt worden sei. Ihm gehe es vielmehr darum, daß er den Verlust zwar für das Jahr 1955 habe geltend machen müssen, aber, wie auch Abschn. 115 Abs. 3 EStR 1956/57 es ausspreche, "soweit er sich in diesem Jahr nicht auswirkt", für das Jahr 1956 geltend machen könne. Bei der Veranlagung für das Jahr 1955 aber habe sich der Verlustabzug insoweit nicht ausgewirkt, als er die Tabellenfreibeträge betroffen habe.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. ist im Ergebnis unbegründet.

Wie das Finanzgericht ohne Rechtsirrtum festgestellt hat, kann der Verlust nur insoweit abgezogen werden, als er nicht schon im Jahr der Entstehung ausgeglichen und bei der Veranlagung der Veranlagungszeiträume, die dem zu veranlagenden Zeitraum vorangehen, abgezogen worden ist. Ist der Abzug versäumt worden, so ist der Verlust doch insoweit verbraucht, als er hätte abgezogen werden können. Der Steuerpflichtige hat kein Wahlrecht, ob und in welcher Höhe er von dem Verlustabzug Gebrauch machen will (vgl. die Urteile des Bundesfinanzhofs IV 266/54 U vom 1. Dezember 1955, BStBl 1956 III S. 41, Slg. Bd. 62 S. 108, und VI 9/58 U vom 6. November 1959, BStBl 1960 III S. 47, Slg. Bd. 70 S. 126). Wenn § 10 d EStG 1955 sagt, daß die Verluste abgezogen werden "können", so ist hiermit nur, wie es dem Wesen der unter dem 5. Teil des II. Abschn. des EStG zusammengefaßten "Sonderausgaben" entspricht, zum Ausdruck gebracht, daß der Steuerpflichtige die Möglichkeit hat, den Verlustabzug geltend zu machen. Wie im Fall der anderen Sonderausgaben, so kann aber auch im Fall des Verlustabzugs nicht für einen späteren Veranlagungszeitraum nachgeholt werden, was für einen früheren Veranlagungszeitraum hätte geltend gemacht werden können. Es besteht, wie bereits das Finanzgericht zutreffend ausgeführt hat, keinerlei Anlaß zu der Annahme, daß der Gesetzgeber von dieser zu § 10 Abs. 1 Ziff. 4 EStG früherer Fassung ständig vertretenen Rechtsprechung habe abweichen wollen (vgl. auch das Urteil des Bundesfinanzhofs I 189/59 S vom 15. November 1960, BStBl 1961 III S. 80). Mit dem Finanzgericht ist auch davon auszugehen, daß die Neufassung des § 10 d EStG durch das Steueränderungsgesetz vom 18. Juli 1958 (BGB 1958 I S. 473, BStBl 1958 I S. 412), nach der der Verlust nur noch insoweit abgezogen werden kann, als ein Ausgleich oder Abzug in dem vorangegangenen Veranlagungszeitraum "nicht möglich" war, lediglich der Klarstellung diente, nicht aber etwa zum Ausdruck brachte, daß man eine änderung der bisherigen Rechtslage für erforderlich gehalten hätte (vgl. auch die bereits vom Finanzgericht angeführte Drucksache 260 des Deutschen Bundestages, 3. Wahlperiode, S. 55).

Wenn das Finanzgericht sich mit der Feststellung begnügt hat, daß der Steuerpflichtige kein Wahlrecht hat, so ist es offenbar der Auffassung gewesen, daß damit auch die von dem Bf. aufgeworfene Frage beantwortet sei. In der Tat liegt in der Feststellung, daß der Steuerpflichtige kein Wahlrecht hat, auch zugleich die Feststellung, daß der Verlustabzug jeweils in dem Umfange geltend gemacht werden muß, wie er geltend gemacht werden kann. Dies ist jedoch noch keine eindeutige Antwort auf die von dem Bf. als sein eigentliches Begehren herausgestellte Frage, ob denn ein solches Müssen oder Können auch insoweit vorliege, als die tarifmäßigen Freibeträge in Betracht kämen und sich der Abzug auf die Besteuerung nicht auswirke.

Dem Bf. ist zuzugeben, daß der Verlust für den Abzug in dem folgenden Veranlagungszeitraum in vollem Umfange erhalten bleibt, wenn der Abzug des Verlustes sich in dem vorangegangenen Veranlagungszeitraum nicht ausgewirkt hat. Dies ist z. B. der Fall, wenn eine Körperschaft für diesen Veranlagungszeitraum der Mindestbesteuerung unterworfen worden ist (vgl. das Urteil des Bundesfinanzhofs I 2/53 U vom 23. März 1953, BStBl 1953 III S. 130, Slg. Bd. 57 S. 329). Die Frage der Auswirkung kann sich aber, soweit eine Veranlagung nach dem Einkommen durchzuführen ist, nur nach der Auswirkung auf eben dieses Einkommen und nicht danach beurteilen, ob rein tarifmäßige Vergünstigungen zum Zuge kommen konnten. Im Streitfall hat sich der Verlust bei der Veranlagung für das Jahr 1955 dahin ausgewirkt, daß sich statt eines Einkommens von (5.114 ./. 822 =) 4.292 DM ein Einkommen von (5.114 ./. 822 ./. 4.292 =) 0 DM ergab. Allein dies ist entscheidend. Ob und in welcher Höhe etwaige tarifmäßige Freibeträge oder Vergünstigungen nunmehr unberücksichtigt bleiben, ist unerheblich. Wollte man dem Steuerpflichtigen hier die Möglichkeit zugestehen, den Verlust nur bis zu der Höhe abzusetzen, als es ihm für die Erreichung der zu einer Besteuerung von 0 DM führenden Grenze ausreichend erscheint, so liefe dies wieder auf ein Wahlrecht heraus, wie es dem Steuerpflichtigen gerade nicht zusteht.

 

Fundstellen

Haufe-Index 409983

BStBl III 1961, 232

BFHE 1961, 634

BFHE 72, 634

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