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BFH Urteil vom 17.01.1957 - V 110/55 S

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Entscheidungsstichwort (Thema)

Umsatzsteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Frage der Abgrenzung eines sogenannten Umtauschgeschäfts nach § 8 UStDB von einem Tausch mit Baraufgabe, wenn die Kunden einer Silberwarenfabrik bei Bestellung von Silbergeräten Silber anliefern.

Zur Tragweite des Urteils des Bundesfinanzhofs II 13/51 U vom 24. August 1951 (Slg. Bd. 56 S. 246, BStBl 1952 III S. 97).

 

Normenkette

UStG § 3/2; UStG § 3/4; UStDB § 8; UStG § 3/9

 

Tatbestand

Bei der Steuerpflichtigen (Stpfl.), die die Herstellung und den Verkauf von Silberwaren (Bestecken, Tafelgeschirr und Tafelgerät) betreibt, hat im August / September 1952 eine Betriebsprüfung stattgefunden, nach deren Vorschlag die Umsatzsteuerveranlagungen II/1948 bis 1950 nach § 222 Abs. 1 Ziff. 1 der Reichsabgabenordnung (AO) geringfügig berichtigt wurden, während die Veranlagung für 1951 erstmalig gegenüber der Steuererklärung gleichfalls zu einer geringen Steuererhöhung führte. Die Gründe, die zu einer Erhöhung der Steuer in allen streitigen Veranlagungszeiträumen führten, sind von der Stpfl. nie angefochten worden; die Stpfl. legte gegen die Berichtigungsbescheide II/1948 bis 1950 und den Steuerbescheid für 1951 gleichwohl Einspruch ein mit der Begründung, daß Textziffer 87 des Betriebsprüfungsberichtes vom Finanzamt nicht beachtet worden sei.

In Textziffer 87 ist ausgeführt, bei Anlieferung von Kundensilber werde der amtliche Silberpreis gutgeschrieben und im Zeitpunkt der Gutschrift als steuerpflichtiges Entgelt behandelt.

Die Stpfl. vertritt die Auffassung, die durch sie geübte Behandlung der Kundenlieferungen von Silber als Werklieferung entspreche nicht dem Urteil des Bundesfinanzhofs II 13/51 U vom 24. August 1951 (Slg. Bd. 56 S. 246, Bundessteuerblatt - BStBl - 1952 III S. 97); das Finanzamt hätte dieses Urteil zu ihren Gunsten berücksichtigen müssen. Das Finanzamt hat die Einsprüche für II/1948 bis 1950 als unzulässig verworfen, da insoweit die Rechtskraft der Bescheide gemäß § 234 AO eine Berichtigung hindere; für 1951 hat es den Einspruch als unbegründet zurückgewiesen, weil im Streitfalle anders als im Falle des Urteils vom 24. August 1951 ein Sonderfall der Leistung im Sinne des § 8 der Durchführungsbestimmungen zum Umsatzsteuergesetz (UStDB) nicht vorliege.

Im Berufungsverfahren hat das Finanzgericht die Umsatzsteuer für II/1948 bis 1950 auf den in den Steuererklärungen angegebenen Betrag herabgesetzt, also auch die eingangs erwähnten unstreitigen Erhöhungen auf Grund der Betriebsprüfung nicht berücksichtigt, weil es ebenso wie für 1951 die Voraussetzungen des § 8 UStDB bei Anlieferung von Kundensilber als gegeben ansah, eine neue Tatsache im Sinne des § 222 Abs. 1 Ziff. 2 AO zwar nicht vorliege, die Anfechtung der Berichtigungsbescheide im Rahmen des § 234 AO bis zur Höhe des festgesetzten Mehrbetrages aber zulässig sei. Für 1951 hat das Finanzgericht der Berufung in vollem Umfange stattgegeben.

Gegen die Vorentscheidung haben sowohl der Vorsteher des Finanzamts als auch die Stpfl. Rechtsbeschwerde (Rb.) eingelegt. Der Vorsteher beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Berufung gegen alle angefochtenen Bescheide als unbegründet zurückzuweisen. Die Rb. der Stpfl. bemängelt für II/1948 bis 1950, daß die Vorentscheidung die angefochtenen Bescheide in unrichtiger Anwendung des § 234 AO nur beschränkt zu ihren Gunsten berichtigt habe, für 1951 beantragt sie Zurückweisung der Rb. des Vorstehers.

 

Entscheidungsgründe

Die Prüfung der Rechtslage ergibt, daß die Rb. des Vorstehers des Finanzamts zur Aufhebung der Vorentscheidung führt. Ob die von der Stpfl. begehrte weitergehende Herabsetzung der Umsatzsteuer für II/1948 bis 1950 verfahrensrechtlich zulässig ist, kann jedenfalls dann unerörtert bleiben, wenn sachlich-rechtlich die Voraussetzungen hierfür nicht gegeben sind. Da der Senat zu der Auffassung kommt, § 8 UStDB sei auf den Streitfall nicht anwendbar, ist schon aus diesem Grunde die Rb. der Stpfl. unbegründet.

§ 8 UStDB stellt den gesetzlichen Niederschlag der Grundsätze dar, die die Rechtsprechung für Fälle des Umtauschgewerbes, insbesondere der Umtauschmüllerei und der Umtauschbäckerei, aufgestellt hat, wobei sich die Geschäfte äußerlich und bürgerlich-rechtlich in den Formen des Tausches abspielen, während wirtschaftlich nicht Warenwerte ausgetauscht werden, sondern ein Arbeitserfolg gegen Werklohn erzielt werden soll. Mit dem von beiden Parteien angeführten Urteil II 13/51 U vom 24. August 1951 ist auch der erkennende Senat der Auffassung, daß § 8 UStDB materiell-rechtlichen Inhalts ist, doch zwingt die Entstehungsgeschichte dieser Vorschrift und der damit allein verfolgte Zweck, ihrem wirtschaftlichen Gehalt nach reine Arbeitsleistungen zu begünstigen, zu einer Auslegung, die für den Fall, daß das Entgelt nach handelsmäßigen Gesichtspunkten berechnet wird, die Anwendbarkeit des § 8 UStDB verneint. Denn nur wer feststehende Materialpreise zum Ausgangspunkt seiner Berechnung macht, so daß mit Sicherheit festgestellt werden kann, das Entgelt werde unter Ausschluß von Marktpreisschwankungen bemessen, berechnet sein Entgelt "nach Art des Werklohnes" im Sinne des § 8 UStDB (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs V 57/53 S vom 3. Dezember 1953, Slg. Bd. 58 S. 402, BStBl 1954 III S. 65). Sind diese Voraussetzungen nicht eindeutig gegeben, so liegen auf beiden Seiten Lieferungen vor oder tauschähnliche Umsätze oder ein Tausch mit Baraufgabe mit der Folge, daß der Wert des angelieferten Materials in den Leistungsaustausch einzubeziehen ist.

Für die Besonderheiten des Streitfalles sei noch auf folgendes hingewiesen: Für die Anwendung des § 8 UStDB kommt es, wie erwähnt, in erster Linie darauf an, ob die streitigen Umsätze nach dem Willen der Vertragsparteien wirtschaftlich lediglich auf eine Arbeitsleistung gerichtet sind und dementsprechend auch tatsächlich nur ein Werklohn vereinbart worden ist. Hierüber, sowie über den gesamten Ablauf der streitigen Umsatzgeschäfte, hat das Finanzgericht durch eine nachträgliche Betriebsprüfung Feststellungen treffen lassen. Daraus ist einmal zu entnehmen, daß Unterschiede in der Herstellung von Waren für Abnehmer, die Silber zur Verfügung gestellt haben, und von Waren, die ohne Silberabgabe geliefert wurden, nicht gegeben sind. Das eingehende Silber wurde gesammelt und, sobald ein ausreichender Vorrat vorhanden war, in die Produktion gegeben. Aus der gesamten Produktion und aus etwa von früher vorrätigen Lagerbeständen wurden die vorliegenden Aufträge beliefert. Vor allem waren aber Unterschiede in der Kalkulation für Fertigwaren mit und ohne Silbergestellung nicht feststellbar. Erfolgte in den streitigen Veranlagungszeiträumen für Hohlwaren eine Einzelkalkulation, so berechnete die Stpfl. für Bestecke Listenpreise, die dem jeweils veränderten Silberkurs, wenn auch nicht sofort und nicht immer in entsprechendem Umfange, angepaßt wurden. Allein hieraus geht hervor, daß die Entgeltsberechnung nicht der Vorschrift des § 8 UStDB entspricht. Demgegenüber kann es nicht ausschlaggebend darauf ankommen, daß für den jeweiligen Auftrag Listenpreise und Silberkurse im Zeitpunkt der Auftragsbestätigung maßgebend blieben, und daß der Kunde nach Anlieferung des Silbers eine entsprechende Gutschrift erhielt, die nicht auf der Warenrechnung erschien, die Gutschrift vielmehr im Kontokorrentverkehr gesondert an Zahlungsstatt erteilt wurde. Denn auch nach der Auffassung der Vorinstanz blieben die Schwankungen des Silberkurses nur für die kurze Zeit zwischen Bestellung und Lieferung ohne Einfluß auf das Entgelt. Aber auch in Fällen, in denen eine Beistellung nicht erfolgt ist, ist es durchaus handelsüblich, zu festen Preisen zu bestellen, so daß Schwankungen der Rohstoffpreise bis zur Ausführung der Bestellung unberücksichtigt bleiben. Vor allem muß nach Sachlage davon ausgegangen werden, daß der Listenpreis seinerseits ein in handelsüblicher Weise kalkulierter Marktpreis war. Auch vermag die Vorinstanz ihre Auffassung, daß auch für die einzelne Lieferung nicht nach handelsmäßigen Gesichtspunkten kalkuliert worden sei, mit den Feststellungen des Betriebsprüfers im Nachtragsbericht nicht in Einklang zu bringen. Einmal beeinflußten die Schwankungen der Marktpreise für Silber die Höhe des Entgelts, weil der Kalkulation grundsätzlich der jeweils geänderte Silberkurs zugrunde gelegt wurde, dann aber enthielten die Listenpreise wie auch die für Hohlwaren angesetzten Verkaufspreise kalkulatorisch auch einen Aufschlag auf das Material. Die dahingehende Schlußfolgerung des Betriebsprüfers jedenfalls ist allein schon aus der unstreitig gebliebenen Tatsache, daß Unterschiede in der Kalkulation von Fertigwaren mit oder ohne Silberabgabe nicht festzustellen gewesen seien, nicht zu widerlegen. Soweit das Urteil vom 24. August 1951 dem hier eingenommenen Standpunkt zuwiderläuft, ist es nach Auffassung des erkennenden Senats nur für Zeiträume vor der Währungsreform anwendbar. Zutreffend hebt hierzu die Rb. des Finanzamts hervor, daß dieses Urteil wohl den besonderen Verhältnissen vor der Währungsreform gerecht wird, unter denen Silber im Handel nicht zu erhalten war, während das umlaufende Geld für den Sachwertbesitzer kaum einen Anreiz bot. Ist auch in der Zeit bis einschließlich 1951 das Silber noch bewirtschaftet gewesen, so war eine weitgehende Normalisierung des Wirtschaftslebens eingetreten, vor allem bot umgekehrt die Knappheit an Zahlungsmitteln einen Anreiz zu Tauschlieferungen mit Baraufgaben. Es muß deshalb davon ausgegangen werden, daß es den Bestellern in erster Linie darauf ankam, Silberwaren zu kaufen; an der Natur des Lieferungsgeschäfts wurde durch die Hergabe des Silbers nur insoweit etwas geändert, als aus einem Kauf ein Tausch wurde. Es kann aber mit der Rückkehr zu weitgehend normalen wirtschaftlichen Verhältnissen nicht angenommen werden, daß die Besteller das Hauptgewicht auf die Umarbeitung des von ihnen beschafften Stoffes gelegt haben (vgl. auch Schettler, Deutsche Steuer-Zeitung 1952 S. 196 ff., S. 198 unter Ziff. 3). In diesem Zusammenhang darf schließlich die buchmäßige und steuerliche Behandlung der Geschäfte durch die Stpfl. selbst nicht unbeachtet bleiben. Gerade der Umstand, daß insoweit steuerlich nicht erfahrene Angestellte tätig waren, zeigt, daß eine unbefangene Beurteilung zu einer Behandlung der Vorgänge als Tausch mit Baraufgabe kommen muß. Wenn auch der Senat durchaus im Sinne des Urteils vom 24. August 1951 der äußeren Form der Rechnungserteilung, die hier auf Tausch hindeutet, nicht ausschlaggebende Bedeutung zumißt, so muß anderseits die Kalkulation der Stpfl. eindeutig ergeben, daß das Entgelt im wesentlichen einen Werklohn, gegebenenfalls noch Zuschläge für die vom Unternehmer beigesteuerten Stoffe, darstellt. Kann eine solche Feststellung nicht zweifelsfrei getroffen werden, so verbleibt es bei einer Besteuerung, die im Einklang mit der Form und der bürgerlich-rechtlichen Gestaltung der Vorgänge steht.

Hat nach alledem die Stpfl. die hier streitigen Umsätze zutreffend versteuert, so war unter Zurückweisung der Rb. der Stpfl. auf die Rb. des Vorstehers des Finanzamts die Vorentscheidung aufzuheben und die Berufung der Stpfl. gegen die Einspruchsentscheidung des Finanzamts vom 7. Oktober 1953 als unbegründet zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 307 AO.

 

Fundstellen

BStBl III 1957, 82

BFHE 1957, 215

BFHE 64, 215

StRK, UStG:3/2 R 10

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