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BFH Urteil vom 15.03.1957 - VI 84/55 U

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Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer Körperschaftsteuer Handelsrecht Gesellschaftsrecht

 

Leitsatz (amtlich)

Gehört ein Beamter kraft seines Hauptamts als Vertreter seines Dienstherrn dem Aufsichtsrat einer AG an, so steht ihm nicht die Erstattung oder Anrechnung der Aufsichtsratsteuer zu, die von der auf ihn entfallenden Aufsichtsratstantieme einbehalten worden ist.

EStG 1953 §§ 19, 45, 45a, 47; KStG 1953 § 2 Abs. 1 Ziff. 2, § 19 Abs. 3; VO über den Steuerabzug von Aufsichtsratsvergütungen vom 31. 3. 1939 (RGBl I S. 691, RStBl 1939 S. 521) i. d. F. der VO vom

 

Normenkette

EStG §§ 19, 45, 45a; KStG § 2 Abs. 1 Ziff. 2, § 19 Abs. 3; EStG § 47; AktG § 86 Abs. 2; EStG § 18

 

Tatbestand

Der Beschwerdegegner (Bg.) ist Oberbürgermeister der Stadt X. Er ist gleichzeitig Vorsitzender des Verwaltungsrats der Bezirkssparkasse X und stellvertretender Vorsitzender des Aufsichtsrats der Firma Elektrizitätswerke Y AG (abgekürzt: AG), deren Aktien zu etwa 48 v. H. die Stadt X besitzt. Im Jahre 1953 bezog der Bg. von der Bezirkssparkasse X ohne Steuerabzug eine Vergütung von 1000 DM. Von der AG erhielt er eine Aufsichtsratsvergütung von 900 DM, von der die AG die Aufsichtsratsteuer mit 450 DM einbehielt und abführte. In der Einkommensteuererklärung für 1953 beantragte er, die beiden Vergütungen (1000 DM + 900 DM) als Aufwandsentschädigung außer Ansatz zu lassen. Er verlangte aber, außer der Lohnsteuer die Aufsichtsratsteuer auf die Einkommensteuerschuld für 1953 anzurechnen und die überzahlten Steuerabzugsbeträge zu erstatten. Das Finanzamt lehnte ab, den Bg. seinen Antrag entsprechend wegen berechtigten Interesses zu veranlagen, weil die Lohnsteuer nicht überzahlt sei. Die Aufsichtsratsteuer könne dem Bg. nicht angerechnet werden, weil sie als für Rechnung der Stadt X einbehalten gelte.

Das Finanzgericht gab der Sprungberufung statt. Es führte im wesentlichen aus: Der Bg. könne die Anrechnung der einbehaltenen Aufsichtsratsteuer in Höhe von 450 DM verlangen. Das Finanzamt stütze sich auf eine Allgemein-Verfügung der Oberfinanzdirektion und den Erlaß des Bundesministers der Finanzen vom 23. November 1951. Danach übe ein Beamter, der dem Aufsichtsrat auf Veranlassung seines Dienstvorgesetzten angehöre und die erhaltene Aufsichtsratsvergütung an eine andere Stelle abliefern müsse, die Tätigkeit als Aufsichtsratsmitglied nur treuhänderisch aus; die vertretene Behörde sei Empfängerin der Aufsichtsratsvergütung und Steuerschuldnerin der Aufsichtsratsteuer. Im Streitfall sei aber der Bg. nicht verpflichtet gewesen die Aufsichtsratsvergütung an die Stadt X abzuliefern; sie sei ihm als pauschale Aufwandsentschädigung belassen worden. Der Auffassung der Oberfinanzdirektion, daß auch in solchen Fällen die Aufsichtsratsteuer nicht nach § 47 des Einkommensteuergesetzes (EStG) auf die Einkommensteuer des Beamten angerechnet werden dürfe, trete das Finanzgericht nicht bei. Für das Streitjahr 1953 hätten dem Bg. nach den beamtenrechtlichen Bestimmungen 1920 DM als Pauschale Aufwandsentschädigung belassen werden können. Der Bg. habe aber insgesamt nur 1900 DM bezogen. Die Aufsichtsratsteuer sei, wie die Lohnsteuer und Kapitalertragsteuer, eine Einkommensteuer, die im Wege des Steuerabzugs erhoben werde. Im Streitfall habe der Bg. die Aufsichtsratstätigkeit ausgeübt; die Aufsichtsratsvergütung sei ihm unmittelbar und endgültig zugeflossen. Die einbehaltene Aufsichtsratsteuer müsse ihm deshalb auf die Einkommensteuerschuld angerechnet werden. Wäre die Aufsichtsratsvergütung nicht nach § 3 Ziff. 11 EStG in Verbindung mit Abschn. 18 der Lohnsteuer- Richtlinien (LStR) 1952 steuerfrei geblieben, so hätte der Bg. die Aufsichtsratsvergütung versteuern müssen. In diesem Fall wären bei der Veranlagung 900 DM als Einkünfte aus Aufsichtsratstätigkeit anzusetzen gewesen. Daß die Aufsichtsratstätigkeit mit der Tätigkeit des BG. als Arbeitnehmer der Stadt X zusammenhänge, spiele keine Rolle. Ob anders zu entscheiden wäre, wenn die Aufsichtsratsvergütung nicht unmittelbar an den Bg., sondern von der AG an die Stadt X gezahlt und von dieser dann an den Bg. weitergeleitet worden wäre, könne dahingestellt bleiben.

Mit der Rechtsbeschwerde (Rb.) wendet sich der Vorsteher des Finanzamts gegen die Rechtsauffassung des Finanzgerichts. Er vertritt weiterhin die Auffassung, daß die Aufsichtsratsteuer bei der Veranlagung des Bg. nicht nach § 47 EStG angerechnet werden dürfe.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. ist begründet.

Der Bg. könnte die Anrechnung bzw. die Erstattung der einbehaltenen Aufsichtsratsteuer von 450 DM nur verlangen, wenn diese Steuer für seine Rechnung einbehalten und abgeführt worden wäre. Das ist nicht der Fall. Der Bg. ist, wie bei Gemeinden allgemein üblich, als leitender Beamter der Stadt X, die Großaktionärin der AG war, in den Aufsichtsrat gewählt worden, weil nach § 86 Abs. 2 des Aktiengesetzes (AktG) eine juristische Person nicht Aufsichtsrat sein kann. Die Verpflichtung der AG zur Vornahme des Steuerabzugs vom Arbeitslohn wird nicht dadurch berührt, daß ein Aufsichtsratsmitglied auf Grund besonderer Bestimmungen oder Vereinbarungen im Innenverhältnis die Aufsichtsratsvergütung an eine andere Stelle abführen muß (§ 2 Abs. 2 der Verordnung über den Steuerabzug von Aufsichtsratsvergütungen vom 31. März 1939, Reichsgesetzblatt - RGBl - I S. 691, Reichssteuerblatt - RStBl - 1939 S. 521, in der Fassung der Verordnung vom 16. Oktober 1948, Gesetz- und Verordnungsblatt des Wirtschaftsrats des Vereinigten Wirtschaftsgebietes - WiGBl - 1948 S. 181). Gehört ein Beamter als Vertreter einer öffentlichen Körperschaft dem Aufsichtsrat einer AG an, so übt er die Tätigkeit als Aufsichtsratsmitglied im Zusammenhang mit seiner Haupttätigkeit gewissermaßen treuhänderisch für die öffentliche Körperschaft aus. Es kommt dabei nicht darauf an, ob und in welchem Umfang die Körperschaft an der AG beteiligt ist. Entscheidend ist vielmehr, daß die Tätigkeit als Aufsichtsrat unmittelbar mit dem Hauptamt des Beamten zusammenhängt (vgl. Abschn. 18 Abs. 1 LStR 1952). Weil die öffentliche Körperschaft den Beamten für seine gesamte Tätigkeit, die er ihr leistet, besoldet, stehen ihr wirtschaftlich die Aufsichtsratsvergütungen zu, die für die Aufsichtsratstätigkeit des Beamten gezahlt werden. Mit diesen Bezügen ist die öffentliche Körperschaft nach § 2 Abs. 1 Ziff. 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) beschränkt körperschaftsteuerpflichtig; die Körperschaftsteuer gilt gemäß § 19 Abs. 3 KStG als durch den Steuerabzug abgegolten. Es kann dahingestellt bleiben, ob und wie nach §§ 99, 84 AktG die Verantwortlichkeit und Haftung eines Beamten zu beurteilen ist, der auf Grund seines Hauptamts als Aufsichtsrat einer AG bestellt wird. Für die steuerliche Beurteilung ist nach den Grundsätzen der wirtschaftlichen Betrachtungsweise jedenfalls entscheidend, daß die Aufsichtsratstätigkeit eine Nebentätigkeit ist, die mit dem Hauptamt verbunden ist.

Bundes- und Länderbeamte müssen die Vergütung, die sie aus der Aufsichtsratstätigkeit beziehen, an die Kasse ihrer vorgesetzten Behörde abliefern, wenn sie wegen ihres Hauptamts und auf Veranlassung ihrer vorgesetzten Behörde zum Aufsichtsrat bestellt worden sind. Es kann ihnen aber ein der Höhe nach begrenzter Betrag als pauschale Aufwandsentschädigung belassen werden (Nr. 13 der Verordnung über die Nebentätigkeit) der Beamten vom 6. Juli 1937 in der Fassung der Bekanntmachung vom 24. Januar 1951, Bundessteuerblatt - BStBl - I S. 94, und der Verordnung zur änderung der Verordnung über die Nebentätigkeit der Beamten vom 26. August 1953, Bundesgesetzblatt - BGBl - I S. 1034). Nach Abschn. 18 Abs. 2 LStR können solche Aufwandsentschädigungen ohne weiteren Nachweis und ohne Eintragung auf der Lohnsteuerkarte steuerfrei bleiben, und zwar nicht nur bei Bundes- und Länderbeamten, sondern auch bei Beamten anderer öffentlich- rechtlicher Körperschaften, die auf Veranlassung ihrer vorgesetzten Behörde die Aufsichtsratstätigkeit übernommen haben.

Es kann dahingestellt bleiben, ob die Verwaltungsanweisung in Abschn. 18 Abs. 2 LStR eine ausreichende Rechtsgrundlage im EStG hat. Die Entschädigungen sind jedenfalls, weil sie den Beamten im Zusammenhang mit ihrer Haupttätigkeit als Arbeitnehmer zufließen, Arbeitslohn. Dabei braucht im Streitfall nicht geprüft zu werden, ob und welche Werbungskosten davon abgesetzt werden können, weil eine Veranlagung nicht durchgeführt wird.

Es spielt entgegen der Auffassung des Finanzgerichts bei der Beurteilung der Streitfrage keine Rolle, ob die Aufsichtsratsvergütung zunächst, sei es von dem Beamten oder von der AG, an die Körperschaft des öffentlichen Rechts abgeführt wird und diese dann dem Beamten den Teil, der ihm nach der Nebentätigkeits-Verordnung belassen werden kann, auszahlt, oder ob der Beamte die Aufsichtsratsvergütung unmittelbar in Empfang nimmt und mit Zustimmung der öffentlichen Körperschaft bis zu der nach der Nebentätigkeits-Verordnung zulässigen Höhe für sich behält. Wird der letzterwähnte Weg gewählt, so handelt es sich nur um eine vereinfachte Abrechnung.

Es ist nicht richtig, wenn das Finanzgericht annimmt, daß im Falle der Veranlagung die dem Bg. belassene Entschädigung als Einnahme aus selbständiger Tätigkeit im Sinne des § 18 EStG (Aufsichtsratstätigkeit) anzusetzen sei. Es handelt sich vielmehr um Arbeitslohn. Das ist insbesondere von Bedeutung, wenn einem Beamten Entschädigungen gewährt oder belassen werden, die die in der Nebentätigkeits-Verordnung bestimmten Grenzen übersteigen. Auch in solchen Fällen kann eine einbehaltene Aufsichtsratsteuer dem Beamten nicht angerechnet werden. Die öffentliche Körperschaft hat vielmehr die übersteigenden Beträge als Arbeitslohn dem Steuerabzug vom Arbeitslohn zu unterwerfen.

Nach allem steht dem Bg. ein Anspruch auf Anrechnung bzw. Erstattung der von der AG einbehaltenen Aufsichtsratsteuer nicht zu.

 

Fundstellen

Haufe-Index 408729

BStBl III 1957, 226

BFHE 1957, 600

BFHE 64, 600

DB 1957, 621

StRK, EStG:19/1/1 R 79

FR 1957, 492

NWB, F. 4 S. 239 NR. 1

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