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BFH Urteil vom 14.07.1954 - II 63/53 U

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Entscheidungsstichwort (Thema)

Steuerliche Betriebsprüfung Verfahrensrecht/Abgabenordnung

 

Leitsatz (amtlich)

Persönliche Gründe, wie Alter und Krankheit des Steuerpflichtigen, rechtfertigen regelmäßig nicht die Bewilligung von Erleichterungen für die Erfüllung der landwirtschaftlichen Buchführungspflicht.

 

Normenkette

AO §§ 202, 161 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2

 

Tatbestand

Der Beschwerdeführer (Bf.) ist Landwirt und bewirtschaftet einen Hof von 73,55 ha mit einem Einheitswert von 34.500 DM.

Da er für seinen Betrieb keine Bücher führte, sein Betriebsvermögen und seine Umsätze die Grenzen für nichtbuchführungspflichtige Betriebe auch nicht überstiegen, während dies hinsichtlich der Einkünfte nur gelegentlich und in geringfügigem Maße der Fall war, wurde die Besteuerung früher nach Durchschnittsätzen durchgeführt.

Als aber für die Jahre 1949 und 1950 die ermittelten Gewinne aus der Landwirtschaft, die mit 8.486 DM bzw. 9.082 DM rechtskräftig veranlagt sind, die damalige Gewinngrenze von 6.000 DM für nichtbuchführungspflichtige Betriebe erheblich überstiegen, wies das Finanzamt in den beiden Einkommensteuerbescheiden für II/1948 bis 1949 und für 1950 ausdrücklich auf die damit eingetretene Verpflichtung zur Buchführung hin. Es forderte den Bf. außerdem in einer besonderen Verfügung vom 25. Juni 1952 unter Androhung einer Geldstrafe von 100 DM zur Einrichtung einer ordnungsmäßigen Buchführung auf. Als der Bf. in einem Schreiben vom 10. Juli 1952 unter Hinweis auf sein Alter von diesem Verlangen Abstand zu nehmen bat, lehnte das Finanzamt dies ab und forderte den Bf. in zwei weiteren Schreiben vom 14. Juli und 29. Juli 1952 erneut auf, seiner Buchführungspflicht nachzukommen. Als auch diese Aufforderungen erfolglos blieben, setzte es am 13. August 1952 die angedrohte Erzwingungsgeldstrafe von 100 DM fest.

Gegen diese Straffestsetzung hat der Bf. unter erneutem Hinweis auf Alter und körperliche Gebrechen unter dem 22. August 1952 ein als "Beschwerde" bezeichnetes Rechtsmittel eingelegt.

Das Finanzgericht hat in dem Schreiben des Bf. vom 10. Juli 1952 eine Beschwerde gegen die Strafandrohung vom 25. Juli 1952 erblickt und die beiden Rechtsmittel vom 10. Juli und 22. August 1952 als unbegründet zurückgewiesen, weil nach seiner Ansicht eine Ermessungsverletzung seitens des Finanzamts nicht vorliegt.

Die Rechtsbeschwerde rügt dagegen Ermessensmißbrauch, weil die Erfüllung der Buchführungspflicht mit Rücksicht auf den Gesundheitszustand des Bf. nicht zumutbar sei.

 

Entscheidungsgründe

Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.

Bedenken gegen die Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde bestehen auch hinsichtlich der Straffestsetzung als solcher allerdings nicht, da auch diese im finanzgerichtlichen Verfahren anfechtbar ist (vgl. Urteil des erkennenden Senats II 125/52 U vom 29. August 1952, Slg. Bd. 56 S. 647 ff., Bundessteuerblatt - BStBl - 1952 III S. 250, Steuer und Wirtschaft - StuW - 1952 Nr. 207, Steuerrechtskartei, Reichsabgabenordnung § 202 Rechtsspruch 6).

Die Rechtsbeschwerde ist jedoch in der Sache selbst unbegründet.

Unstreitig haben seit dem Veranlagungszeitraum 1949 die vom Bf. in der Landwirtschaft erzielten Gewinne die Grenze von jährlich 6.000 DM, die damals für nichtbuchführungspflichtige Betriebe gegeben war, erheblich überschritten. Schon damit war die Buchführungspflicht gemäß § 161 Abs. 1 Ziff. 1 e der Reichsabgabenordnung (früherer Fassung) an sich gegeben. Wenn der Bf. in diesem Zusammenhange darauf hinweist, daß nur die geänderten Gewinnermittlungssätze der Verordnung über die Aufstellung von Durchschnittsätzen für die Ermittlung des Gewinns aus Land- und Forstwirtschaft (VOL) in der Neufassung vom 2. Juni 1949 (Gesetz- und Verordnungsblatt des Wirtschaftsrats des Vereinigten Wirtschaftsgebietes - WiGBl. - 1949 S. 95) das überschreiten der für nichtbuchführungspflichtige Betriebe vorgesehenen Gewinngrenze bedingt hätten, so ist dem entgegenzuhalten, daß schon 1950 die vom Bf. erzielten Gewinne aus dem Betrieb der Landwirtschaft sogar die erhöhte Gewinngrenze - wenn auch nur geringfügig überstiegen, die nach dem Gesetz zur änderung von einzelnen Vorschriften der Reichsabgabenordnung und anderer Gesetze (AOändG) vom 11. Juli 1953 (Bundesgesetzblatt - BGBl. - 1953 I S. 511) für die nichtbuchführungspflichtigen Betriebe auf 9.000 DM festgesetzt ist. Da in der Folgezeit nach 1950 der landwirtschaftliche Gewinn des Bf. sich noch stärker erhöht und die Gewinngrenze von 9.000 DM erheblich überstiegen hat, kann von einem "kleineren" Betrieb nicht mehr gesprochen werden. Abgesehen davon, daß die änderung der Reichsabgabenordnung für die Frage der Buchführungspflicht erst mit dem Inkrafttreten des AOändG am 17. Juli 1953 Bedeutung erlangen konnte, wäre die Buchführungspflicht des Bf. sogar unter Berücksichtigung dieser zugunsten des Steuerpflichtigen eingetretenen Gesetzesänderung zu bejahen.

Allerdings kann das Finanzamt unter Abweichung von der nach § 161 Abs. 1 der Reichsabgabenordnung festgesetzten Buchführungspflicht für einzelne Fälle Erleichterungen zulassen (§ 161 Abs. 2 der Reichsabgabenordnung). Diese Möglichkeit wünscht der Bf. zu seinen Gunsten in Anspruch zu nehmen. Zu Unrecht beruft er sich jedoch in diesem Zusammenhang auf den Abschnitt III des Erlasses des früheren Reichsministers der Finanzen vom 5. Juli 1935 - S 2140 - 50 III (Reichssteuerblatt - RStBl. - 1935 S. 953 ff.) -. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob dieser Verwaltungserlaß überhaupt von den Finanzgerichten zu beachten wäre. Denn der Inhalt des Erlasses läßt deutlich erkennen, daß von der Heranziehung zur Buchführung nur dann abgesehen werden soll, wenn sachliche - nicht wie beim Bf. persönliche - Gründe dies rechtfertigen. Denn nach Abschnitt III Abs. 1 des oben bezeichneten Erlasses wird für die Gewährung von derartigen Erleichterungen vorausgesetzt, daß es sich entweder um kleinere Betriebe handelt, deren Erträge nur gelegentlich und in besonders günstigen Jahren die Grenze für die Buchführungspflicht überschreiten, oder um solche Betriebe, bei denen besondere Umstände (Veräußerungsgewinne, außerordentliche Waldnutzungen) das überschreiten der Grenze bedingen. Diese Voraussetzungen des Erlasses sind im Streitfalle nicht gegeben.

Aus dem Inhalt des Erlasses des Reichsministers der Finanzen ergibt sich eindeutig, daß Gründe in der Person des Betriebsinhabers, wie etwa Alter und Krankheit, für die Gewährung von Erleichterungen nach § 161 Abs. 2 der Reichsabgabenordnung nicht entscheidend sein können. Dieser Auffassung des Erlasses schließt sich der Senat an. Denn die Buchführungspflicht gehört zu den wichtigsten Pflichten, die von dem Steuerpflichtigen im Interesse einer geordneten und gleichmäßigen Besteuerung erfüllt werden müssen. Sie ist von ähnlich grundlegender Bedeutung wie etwa die Pflicht zur Abgabe von Steuererklärungen. So wenig nun davon abgesehen werden kann, auf die Abgabe der gesetzlich vorgeschriebenen Steuererklärungen hinzuwirken und sie gegebenenfalls zu erzwingen - mag der Steuerpflichtige im einzelnen Falle auch noch so alt oder krank sein -, ebenso wenig können die Finanzämter aus in der Person des Steuerpflichtigen liegenden Gründen von der Erfüllung der Buchführungspflicht Befreiung bewilligen. Ist daher der Inhaber eines buchführungspflichtigen landwirtschaftlichen (oder gewerblichen) Betriebes infolge von Alter oder Krankheit persönlich außerstande, eine ordnungsmäßige Buchführung zu erstellen, so muß er sich entweder der Hilfe eines Buchführungsbüros bedienen oder er muß, falls dies nicht ausreicht, einen Angestellten - gegebenenfalls im Nebenberuf - in seinem Betriebe beschäftigen, der für ihn die anfallenden Buchführungsarbeiten erledigt. Es kann deshalb dahingestellt bleiben, ob der Bf. nicht wenigstens zur Aufzeichnung der sogenannten Grundbuchungen imstande wäre, wie die Vorinstanz angenommen hat, oder ob ihn Alter und Krankheit an der persönlichen Erfüllung selbst dieser einfachen Buchführungspflichten hindern. Denn auch im letzteren Falle kann von der Buchführungspflicht nicht abgesehen und keine Erleichterung gemäß § 161 Abs. 2 der Reichsabgabenordnung gewährt werden. Vielmehr hätte der Bf. seine Buchführungspflicht erforderlichenfalls mit Unterstützung einer geeigneten Hilfskraft erfüllen müssen.

Wenn der Bf. die Buchführungspflicht verletzt hat, so kann auch die Erwägung die Entscheidung nicht zu seinen Gunsten beeinflussen, ob und in welchem Umfange außer ihm noch andere buchführungspflichtige Landwirte diese Pflicht nur mangelhaft erfüllen. Denn eigene Versäumnisse bei der Erfüllung steuerlicher Pflichten können nicht mit dem Hinweis auf gleichartige Versäumnisse anderer Personen entschuldigt werden.

Somit stellt es keinen Ermessensmißbrauch des Finanzamts dar, wenn es ohne Berücksichtigung der vom Bf. geltend gemachten persönlichen Verhältnisse an der nach dem Gesetz begründeten Buchführungspflicht festgehalten und die Erzwingungsstrafe angedroht und festgesetzt hat.

Gegen die Höhe der Strafe sind keine begründeten Einwendungen erhoben worden. Sie erscheint auch in Anbetracht der ständigen Weigerung des Bf., seiner Buchführungspflicht nachzukommen, nicht unangemessen hoch.

Die Rechtsbeschwerde war daher mit der Kostenfolge aus § 307 der Reichsabgabenordnung als unbegründet zurückzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 407974

BStBl III 1954, 253

BFHE 1955, 115

BFHE 59, 115

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