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BFH Urteil vom 08.03.1956 - V 216/54 U

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Entscheidungsstichwort (Thema)

Umsatzsteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Zu den Begriffen "Kreditgewährung", "Inkasso", "Zahlungs- und überweisungsverkehr".

 

Normenkette

UStG § 4 Ziff. 8

 

Tatbestand

Die Beschwerdeführerin (Bfin.), eine ländliche Kreditgenossenschaft, hat mit der Landwirtschaftlichen An- und Verkaufsgesellschaft X-GmbH (GmbH) ein Abkommen getroffen, wonach die GmbH die Mitglieder der Bfin. mit landwirtschaftlichen Bedarfsgütern beliefert, während die Bfin. den Warenbeziehern Kredite einräumt. Die Kredite werden in der Form gewährt, daß die Bfin. die ihren Mitgliedern in Rechnung gestellten Beträge der GmbH gutschreibt. Die Ansprüche der GmbH aus den Warenlieferungen gehen damit auf die Bfin. über. Diese berechnet ihren Mitgliedern verhältnismäßig niedrige Kreditkosten. Die GmbH zahlt an die Bfin. für Werbungsaufwand und für Mithilfe bei der warenwirtschaftlichen Betreuung der Mitglieder sowie für zusätzliche Verwaltungsarbeit eine Vergütung von 5 DM je Mitglied und Jahr. Sie zahlt ihr weiterhin einen als "Inkassoprovision" bezeichneten Betrag von 2 v. H. des Nettobetrages der Rechnungen. Streitig ist nur, ob die als "Inkassoprovisionen" bezeichneten Beträge nach § 4 Ziff. 8 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) in Verbindung mit § 32 der Durchführungsbestimmungen zum Umsatzsteuergesetz (UStDB) 1938 umsatzsteuerfrei sind.

Die Bfin. hält die Steuerfreiheit unter dem Blickpunkte der Kreditgewährung oder jedenfalls unter dem des Inkassos für gegeben.

Das Finanzamt versagte die Steuerfreiheit. Einspruch und Berufung der Bfin. blieben erfolglos. Nach der Auffassung der Vorinstanz trägt die Bfin. zwar im Rahmen des vereinbarten Abrechnungsverfahrens zur Geldflüssigkeit der GmbH bei, aber nicht dadurch, daß sie dieser unmittelbar Kredite gewährt, sondern dadurch, daß sie, soweit erforderlich, die Warenbezüge ihrer Mitglieder bei der GmbH im Rahmen der den Mitgliedern eingeräumten Einzelkredite vorfinanziert. Die Vorinstanz ist weiter der Meinung, daß auch eine bankmäßige Inkassotätigkeit der Bfin. für die GmbH nicht vorliege, weil sie die GmbH hinsichtlich ihrer Ansprüche aus den Warenlieferungen durch Gutschrift der Rechnungsbeträge auf dem Konto der GmbH endgültig befriedige und dafür die Ansprüche an die Mitglieder uneingeschränkt übertragen erhalte. Schließlich erachtet die Vorinstanz auch eine sonstige bankmäßige Tätigkeit der Bfin. für die GmbH nicht für gegeben.

Die Rechtsbeschwerde (Rb.) rügt, daß die rechtliche Würdigung des vereinbarten überschreibungs- und Abrechnungsverfahrens durch die Vorinstanz die gebotene wirtschaftliche Betrachtungsweise vermissen lasse. Angesichts der vielfältigen Erscheinungsformen von Kreditvorgängen müsse darin, daß die Bfin. der GmbH die dieser aus den Warenlieferungen an die Mitglieder der Bfin. zustehenden Rechnungsbeträge jeweils sofort gutschreibe, eine Kreditgewährung an die GmbH - jedenfalls wirtschaftlich gesehen - deshalb erblickt werden, weil durch diese Handhabung der GmbH eine Nutzung der beträchtlichen Kapitalbeträge ermöglicht werde, die die Bfin. zur ordnungsmäßigen Abwicklung des Abrechnungsverkehrs ständig bereithalten müsse. Auch den Begriff des bankmäßigen Inkassos habe die Vorinstanz, wie das Urteil des Reichsfinanzhofs V 172/40 vom 13. September 1940 (Reichssteuerblatt - RStBl - 1940 S. 998) zeige, verkannt.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.

Ausschlaggebend ist, welcher Art die Leistungen sind, für die die Bfin. Vergütungen von der GmbH erhält. Die Feststellung der Vorinstanz, daß insoweit eine Kreditgewährung an die GmbH nicht angenommen werden könne, läßt einen Rechtsverstoß nicht erkennen. Der Begriff Kredit ist mehrdeutig. Das Wesen des Geldkredits jedenfalls besteht, mögen auch seine Erscheinungsformen im einzelnen vielfältig sein, darin, daß jemand einem anderen Kapital gegen das Versprechen künftiger Rückzahlung zur Verfügung stellt. Um solche Vorgänge handelt es sich bei den Beträgen, die die Bfin. der GmbH durch Gutschrift auf ihrem Konto zur Verfügung stellt, nicht. Mit diesen Gutschriften wird die GmbH hinsichtlich ihrer Ansprüche gegen Mitglieder der Bfin. aus Warenlieferungen befriedigt mit der Maßgabe, daß diese Ansprüche uneingeschränkt auf die Bfin. übergehen. Ein Anspruch auf künftige Rückzahlung, wie er zum Wesen der Kreditgewährung gehört, erwächst der Bfin. hierbei regelmäßig nicht. An dieser grundsätzlichen Beurteilung ändert sich nichts dadurch, daß Warenlieferungen unter überschreitung der Höchstgrenze der den Mitgliedern der Bfin. eingeräumten Kredite zu Lasten der GmbH gehen, und daß in bestimmten Grenzen die Möglichkeit eines Rückgriffs der Bfin. auf die GmbH aus der von dieser übernommenen Ausfallbürgschaft besteht. Der Umstand, daß die Gutschriften auf dem Konto der GmbH überwiegend durch Kreditgewährungen der Bfin. an ihre Mitglieder ermöglicht werden, rechtfertigt es nicht, insoweit eine Kreditgewährung auch an die GmbH anzunehmen, mag diese auch aus den den Mitgliedern eingeräumten Krediten mittelbar Nutzen ziehen. Auch die Annahme einer Kreditbereitschaft der Bfin. gegenüber der GmbH als einer Kreditgewährung im weiteren Sinne ist nach der Gestaltung der in Frage stehenden Vorgänge nicht vertretbar. Das Vorliegen einer Kreditgewährung der Bfin. an die GmbH hat die Vorinstanz hiernach mit Recht abgelehnt. Beizutreten ist der Vorinstanz ferner darin, daß die Bfin. für die GmbH auch keine Inkassotätigkeit im eigentlichen banktechnischen Sinne ausübt. Allerdings schließt, wie der Rb. zuzugeben ist, die Abtretung einer Forderung mit der daraus für den Zessionar folgenden Möglichkeit ihrer Geltendmachung im eigenen Namen die Annahme einer Inkassotätigkeit nicht ohne weiteres aus. Jedoch kann als Inkasso im banktechnischen Sinne immer nur eine solche Tätigkeit einer Bank oder eines bankähnlichen Instituts angesehen werden, die in der Einziehung fälliger geldlicher Ansprüche jeder Art für fremde Rechnung und in der Auskehrung des Erlöses an den Berechtigten besteht. Es liegt hiernach im Wesen des bankmäßigen Inkassos, daß auch dann, wenn die einzuziehende Forderung abgetreten wird, das Risiko für den Eingang des Gegenstandes der Forderung bei dem ursprünglich Berechtigten verbleibt; die Abtretung muß fiduziarischen Charakter haben. So liegt es nach den Feststellungen der Vorinstanz im Streitfalle unzweifelhaft nicht. Die GmbH wird durch die Gutschrift auf ihrem Konto für ihre Ansprüche aus Warenlieferungen an Mitglieder der Bfin. endgültig befriedigt; die Ansprüche aus den Warenlieferungen gehen uneingeschränkt und endgültig, nicht nur treuhänderisch, auf die Bfin. über; das Risiko des Eingangs der Forderungsbeträge trägt nach dem übergange der Forderungen jedenfalls grundsätzlich die Bfin., wenn ihr auch durch die Ausfallbürgschaft in gewissem Umfange die Möglichkeit eines Rückgriffs auf die GmbH eingeräumt ist. Im übrigen zeigt gerade die Tatsache der Vereinbarung einer Ausfallbürgschaft deutlich, daß von einer Inkassotätigkeit der Bfin. im eigentlichen Sinne nicht die Rede sein kann; nach dem oben dargelegten Wesen des banktechnischen Inkassos ist bei einem Inkassoauftrag unter Forderungsabtretung die Vereinbarung einer Ausfallbürgschaft unverständlich.

Entgegen der Annahme der Vorinstanz folgt jedoch daraus, daß weder Kreditgewährungen an die GmbH noch Inkasso für die GmbH vorliegen, noch nicht zwingend die Unanwendbarkeit des § 4 Ziff. 8 UStG. Zu rechtlichen Bedenken gegen eine solche Auffassung führt zunächst einmal die Erwägung, daß die Bfin., soweit die Konten ihrer Mitglieder zur Abdeckung der Kaufpreisforderungen der GmbH ausreichende Guthaben ausweisen, die Rechnungsbeträge von den Guthaben abbucht und der GmbH auf deren Konto gutschreibt, und daß ferner die Bfin., soweit solche Guthaben nicht vorhanden sind, die Kaufpreisforderungen auf den Konten der Mitglieder zu Lasten der ihnen eingeräumten Kredite verbucht und die gleichen Beträge der GmbH auf deren Konto gutschreibt. Unzweifelhaft handelt es sich bei derartigen Buchungen um durch Daueraufträge der Mitglieder veranlaßte Vorgänge in einem laufenden überweisungsverkehr. Der Zahlungs- und überweisungsverkehr aber gehört nach § 32 UStDB 1938 ebenso zu den steuerfreien Bankumsätzen wie die Inkassi. Die Vorinstanz hätte deshalb ihre überlegungen darauf ausdehnen müssen, ob sich die von der GmbH gezahlten Vergütungen - ganz oder teilweise - als Entgelte für Leistungen im überweisungsverkehr auffassen lassen. Ferner legt der von der Vorinstanz festgestellte Umstand, daß die Bfin. ihren Mitgliedern nur verhältnismäßig geringfügige Kreditkosten berechnet, die Frage nahe, ob nicht angesichts des beträchtlichen Interesses, das die GmbH an der Gewährung dieser Kredite hat, Raum für die Annahme ist, daß die von der GmbH an die Bfin. gezahlten Vergütungen trotz der Bezeichnung als Inkassoprovisionen ganz oder teilweise von einem Dritten gewährte Entgelte für die Kreditgewährung der Bfin. an die Mitglieder darstellen, die der Auffüllung der den Mitgliedern von der Bfin. berechneten niedrigen Kreditkosten dienen (ß 10 Satz 2 UStDB). Wäre dies der Fall, so würden sie umsatzsteuerrechtlich ebenso zu behandeln sein, wie die von den Mitgliedern gezahlten Zinsen und Kreditprovisionen; sie würden ebenfalls Steuerfreiheit nach § 4 Ziff. 8 UStG genießen.

Da die Vorentscheidung den Sachverhalt unter den letztgenannten Blickpunkten nicht gewürdigt hat, ist sie aufzuheben. ...

 

Fundstellen

BStBl III 1956, 158

BFHE 1956, 427

BFHE 62, 427

StRK, UStG:4/8 R 6

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