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BFH Urteil vom 07.06.1973 - V R 64/72

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Leitsatz (amtlich)

Bei einer Berichtigungsveranlagung nach § 222 Abs. 1 Nr. 1 AO darf das FA keine neuen Tatsachen verwerten, die es bei einer Betriebsprüfung festgestellt hat, deren Anordnung rechtskräftig für rechtswidrig erklärt wurde.

 

Normenkette

AO § 222 Abs. 1 Nr. 1; BpO (St) § 4 Abs. 2

 

Tatbestand

Der Beklagte und Revisionskläger (FA) hat die an den Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) gerichtete Umsatzsteuerfestsetzung für das Jahr 1961 im Anschluß an eine für die Jahre 1961 bis 1964 durchgeführte Betriebsprüfung nach § 222 Abs. 1 Nr. 1 AO durch Bescheid vom 23. September 1966 berichtigt. Die Mehrsteuer betrug 741,60 DM. Die Prüfungsanordnung für die Jahre 1961 bis 1964, nach der sich die Betriebsprüfung "auf sämtliche Bundes- und Landessteuern der Kalenderjahre ab 1961" erstreckte, ist, soweit sie sich auf das Jahr 1961 bezog, durch rechtskräftiges Urteil des FG vom 10. Juli 1968 II 9/67 (EFG 1968, 543) aufgehoben worden. Der Kläger wendet sich gegen den Umsatzsteuer-Berichtigungsbescheid für 1961 mit der Begründung, daß das FA bei einer Veranlagung nach § 222 Abs. 1 Nr. 1 AO keine Tatsachen verwerten dürfe, deren, Kenntnis auf rechtswidrigen Prüfungsmaßnahmen beruht.

Das FG hat nach erfolglosem Einspruchsverfahren den angefochtenen Berichtigungsbescheid und die Einspruchsentscheidung aufgehoben. Es ist der Auffassung, daß eine auf § 222 Abs. 1 Nr. 1 AO gestützte Berichtigungsveranlagung nach rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht zulässig sei, wenn die neuen Tatsachen auf Grund einer Betriebsprüfung bekanntwerden, deren Prüfungsanordnung durch rechtskräftiges Urteil als rechtswidrig aufgehoben worden ist. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache hat das FG gegen seine Entscheidung, die in den EFG 1972, 402 veröffentlicht ist, die Revision zugelassen.

Das FA begründet seine Revision im wesentlichen wie folgt: § 222 AO sei eine "Mußvorschrift", gegenüber der die Sollvorschrift des § 4 Abs. 2 BpO(St) zurücktreten müsse. § 4 Abs. 2 BpO(St) sei lediglich in einer an die Finanzbehörden gerichteten Verwaltungsanordnung (Dienstanweisung für den Betriebsprüfer) enthalten und diene der Verwaltungsvereinfachung und der Rationalisierung des internen Verwaltungsprozesses. Im Entwurf einer Abgabenordnung (AOE 1974) sei auf eine Vorschrift verzichtet worden, nach der die Außenprüfung auf das Wesentliche abzustellen, ihre Dauer auf das notwendige Maß zu beschränken und vornehmlich auf Sachverhalte zu erstrecken sei, die zu endgültigen Steuerausfällen oder nicht unbedeutenden Gewinnverlagerungen führen könnten (Begründung zu § 180 AOE 1974). Eine derartige Vorschrift sei ganz bewußt einer Dienstanweisung für den Betriebsprüfer vorbehalten und nicht in den Gesetzesentwurf aufgenommen worden, um nicht unmittelbare Rechtsansprüche der Steuerpflichtigen zu begründen. Diese Überlegungen würden völlig ins Leere gehen, wenn man der Auffassung folgen würde, daß Verwaltungsvorschriften zwingendes Recht brechen könnten.

Das FA beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt Zurückweisung der Revision.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet. Die Vorentscheidung ist im Ergebnis zutreffend.

Im Schrifttum bestehen unterschiedliche Meinungen darüber, ob eine Berichtigungsveranlagung nach § 222 Abs. 1 Nr. 1 AO auf Tatsachen gestützt werden darf, welche das FA bei einer Prüfung festgestellt hat, die auf einer unter Verletzung von § 4 Abs. 2 BpO(St) erlassenen Prüfungsanordnung beruht. Der BFH hat in einem Aussetzungsverfahren, das einen auf § 222 AO beruhenden Berichtigungsbescheid betraf, entschieden, ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit dieses Berichtigungsbescheids könnten nicht daraus hergeleitet werden, daß die neuen Tatsachen oder Beweismittel durch rechtswidrige Maßnahmen der Betriebsprüfung festgestellt worden sind. Auf welche Weise diese Tatsachen bekanntwerden, sei im allgemeinen gleichgültig (Beschluß des BFH vom 2. Juli 1969 I B 10/69, BFHE 96, 300, BStBl II 1969, 636). Im entschiedenen Fall hatte die Steuerpflichtige Einwendungen aus § 4 Abs. 2 BpO(St) erst im Verfahren über die Rechtmäßigkeit des Berichtigungsbescheides vorgebracht. Die Anordnung der Betriebsprüfung war nicht in einem gegen sie gerichteten Verfahren wegen Rechtswidrigkeit aufgehoben worden.

Im vorliegenden Rechtsstreit hat der Senat jedoch über die Rechtmäßigkeit einer Berichtigungsveranlagung zu entscheiden, welche auf Tatsachen gestützt ist, die bei einer Betriebsprüfung bekanntgeworden sind, deren Anordnung der Kläger angefochten und das FG durch Urteil als rechtswidrig aufgehoben hat. Die Gründe, aus denen das FG die Anordnung der Betriebsprüfung für rechtswidrig gehalten hat, sind einer Nachprüfung durch den Senat im vorliegenden Verfahren wegen der Rechtskraft des Urteils (§ 110 FGO) entzogen. Der Senat braucht deshalb nicht zu untersuchen, ob der Kläger, wie das FG rechtskräftig festgestellt hat, einen Rechtsanspruch auf Beachtung des § 4 Abs. 2 BpO(St) hat. Er hat von der rechtskräftigen Feststellung auszugehen, daß die Ausdehnung der Prüfungsanordnung auf das Jahr 1961 rechtswidrig war. Es ist zwar nicht zu beanstanden, daß das FA die Prüfung des Jahres 1961 durchgeführt hat, da der Ausgang des Verfahrens über die Rechtmäßigkeit der Prüfungsanordnung nicht abzusehen war. Nachdem jedoch die Ausdehnung der Prüfung auf das Jahr 1961 rechtskräftig für rechtswidrig erklärt wurde, würde mit einer Verwertung der bei dieser Prüfung ermittelten Tatsachen im Wege einer Berichtigungsveranlagung nach § 222 AO der gewährte gerichtliche Rechtsschutz unterlaufen. Das ist nach Auffassung des Senats rechtlich nicht zulässig.

Ohne Erfolg beruft sich daher das FA darauf, daß § 222 Abs. 1 Nr. 1 AO - anders als Nr. 2 dieser Vorschrift, die nur auf Tatsachen abstellt, welche durch eine Betriebsprüfung bekanntwerden - in bezug auf die Art und Weise der Kenntniserlangung von Tatsachen keine Einschränkung enthält und daß es nach der Rechtsprechung des BFH und der herrschenden Meinung (vgl. Woerner, Die Zurücknahme und Änderung von Steuerverwaltungsakten, 3. Aufl. 1971, S. 44 mit Zitaten) im Anschluß an das Bekanntwerden von Tatsachen verpflichtet ist, Berichtigungsbescheide zu erlassen. Denn auf diese Pflicht kann sich das FA gegenüber einem Steuerpflichtigen nicht ausnahmslos in allen Fällen berufen (vgl. u. a. BFH-Urteile vom 28. Januar 1970 I R 123/67, BFHE 98, 171, BStBl II 1970, 296 und vom 8. Februar 1962 V 180/59 U, BFHE 74, 610, BStBl III 1962, 225). Außerdem sind die Ausführungen des FA zur Nachrangigkeit des § 4 Abs. 2 BpO(St) gegenüber § 222 Abs. 1 Nr. 1 AO nicht entscheidungserheblich. Denn das Verwertungsverbot gründet sich im Streitfall nicht auf einen Verstoß des FA gegen § 4 Abs. 2 BpO(St), sondern wird von der Überlegung getragen, daß der vom Kläger durch Anfechtung der Prüfungsanordnung erlangte gerichtliche Rechtsschutz nicht unterlaufen werden darf.

 

Fundstellen

BStBl II 1973, 716

BFHE 1973, 500

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