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BFH Beschluss vom 23.10.1990 - VII B 205/89 (NV)

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Entscheidungsstichwort (Thema)

Aufrechnung als Einwendung gegen die Zwangsvollstreckung; Antragsberechtigung i. S. von § 152 FGO

 

Leitsatz (NV)

1. Die Klage in sinngemäßer Anwendung des § 767 ZPO ist der Rechtsbehelf zur Geltendmachung der Aufrechnung als Einwendung gegen die Zwangsvollstreckung.

2. Die Vollstreckungsverfügung nach § 152 Abs. 1 Satz 1 FGO kann nicht von einem Rechtsnachfolger, sondern nur von demjenigen oder für denjenigen beantragt werden, der als Gläubiger in einem der in § 151 FGO angeführten Vollstreckungstitel genannt ist.

 

Normenkette

FGO §§ 151-153; ZPO §§ 727, 767

 

Tatbestand

Die Antragsteller und Beschwerdeführer (Beschwerdeführer) vertraten den Steuerpflichtigen als Kläger in dessen Rechtsstreit gegen den Antragsgegner und Beschwerdegegner (Finanzamt - FA -). Das Verfahren vor dem Finanzgericht (FG) wurde durch rechtskräftiges Urteil vom 20. Januar 1988 abgeschlossen. Dem FA wurden zwei Drittel der Kosten des Verfahrens auferlegt.

Die Beschwerdeführer hatten wegen ihrer durch Beschluß des FG vom 25. April 1987 gegen den Steuerpflichtigen gemäß § 19 der Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte (BRAGO) festgesetzten Kostenansprüche bereits am 8. Juli 1987 einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluß des Amtsgerichts hinsichtlich der Kostenerstattungsansprüche des Steuerpflichtigen gegen das FA aus dem Verfahren vor dem FG erwirkt. In der Drittschuldnererklärung vom 15. Juli 1987 hatte das FA die Pfändung unter dem Vorbehalt der Entstehung des Kostenerstattungsanspruchs und der eigenen Aufrechnung mit Abgabenforderungen anerkannt.

Die Beschwerdeführer beantragten mit Schreiben vom 8. Februar 1989, aufgrund des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses die vom FA zu erstattenden Kosten festzusetzen. Das FA widersprach der Kostenfestsetzung mit der Begründung, daß die Kostenentscheidung zugunsten des Steuerpflichtigen und nicht der Beschwerdeführer ergangen sei. Am 6. Juni 1989 erließ das FG einen Kostenfestsetzungsbeschluß, durch den die dem Steuerpflichtigen von dem FA zu erstattenden Kosten gemäß §§ 149, 139 der Finanzgerichtsordnung (FGO) festgesetzt wurden. Der Beschluß enthielt die Erläuterung, daß sich die Antragsberechtigung der Beschwerdeführer aus § 103 der Zivilprozeßordnung (ZPO) ergebe.

Die Beschwerdeführer beantragten mit Schreiben vom 31. August 1989 beim FG, aufgrund des Kostenfestsetzungsbeschlusses vom 6. Juni 1989 die Zwangsvollstreckung gegen das FA gemäß § 152 FGO einzuleiten. Das FA machte geltend, es habe mit Schreiben vom 29. September 1989 gegenüber den Beschwerdeführern die Aufrechnung mit seinen gegenüber dem Steuerpflichtigen bestehenden Steueransprüchen erklärt.

Das FG hielt die Beschwerdeführer zwar für antragsberechtigt; es wies den Antrag aber mit der Begründung zurück, daß der Erstattungsanspruch des Steuerpflichtigen durch die Aufrechnungserklärung des FA vom 29. September 1989 erloschen sei (§ 226 Abs. 1 der Abgabenordnung - AO 1977 - i. V. m. § 389 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB -).

Ihre dagegen erhobene Beschwerde begründen die Beschwerdeführer im wesentlichen wie folgt:

Das FG habe den Einwand des FA, es sei eine Aufrechnung erfolgt, im vorliegenden Verfahren zu Unrecht für beachtlich gehalten. Dieser Einwand könne gemäß §§ 795, 794 Abs. 1 Nr. 2 ZPO nur durch eine Vollstreckungsabwehrklage nach § 767 ZPO geltend gemacht werden. Außerdem verstoße das FA gegen Treu und Glauben, wenn es sich auf die Aufrechnung berufe.

Das FA beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist im Ergebnis nicht begründet.

I. Zwar ist entgegen der Auffassung des FG die Aufrechnungserklärung des FA nicht geeignet, die Versagung der Vollstreckungsverfügung gemäß §§ 151 Abs. 2 Nr. 3, 152 Abs. 1 FGO zu rechtfertigen. Die Einwendung der Aufrechnung betrifft den durch das Urteil festgestellten Anspruch selbst (vgl. Stein / Jonas / Münzberg, Kommentar zur Zivilprozeßordnung, 20. Aufl., § 767 Rdnrn. 17, 37). Die Aufrechnung hat zur Folge, daß die Forderung, gegen die aufgerechnet worden ist, erlischt (§§ 226 Abs. 1 AO 1977, 389 BGB).

Da die Einwendung der Aufrechnung den durch das Urteil festgestellten Anspruch selbst betrifft, kann sie in sinngemäßer Anwendung des § 767 ZPO nur im Wege der Klage geltend gemacht werden. Der Senat hat wiederholt entschieden, daß die Klage in sinngemäßer Anwendung des § 767 ZPO der Rechtsbehelf ist, der zur Geltendmachung der Aufrechnung als Einwendung gegen die Zwangsvollstreckung gegeben ist (vgl. Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 20. Dezember 1983 VII B 73/83, BFHE 139, 494, BStBl II 1984, 205, 206; Urteil vom 25. April 1989 VII R 36/87, BFHE 156, 392; BStBl II 1990, 352, 353; Urteil vom 2. April 1987 VII R 20/85, BFH/NV 1987, 789, 790).

II. Aber die Beschwerde ist nicht begründet, weil die Beschwerdeführer nicht berechtigt waren, die Vollstreckung gemäß § 151 Abs. 2 Nr. 3, § 152 Abs. 1 FGO aus dem Kostenfestsetzungsbeschluß vom 6. Juni 1989 im eigenen Namen zu beantragen.

Nach § 152 Abs. 1 Satz 1 FGO setzt die von den Beschwerdeführern erstrebte Verfügung einen Antrag des Gläubigers voraus. In dem Kostenfestsetzungsbeschluß vom 6. Juni 1989, aus dem vollstreckt werden soll, sind ,,die dem Kläger vom Beklagten" zu erstattenden Kosten festgesetzt. Danach ist der im Kostenfestsetzungsbeschluß genannte Kläger und damit der Steuerpflichtige der Gläubiger i. S. des § 152 Abs. 1 Satz 1 FGO. Die Regelung in § 152 Abs. 1 FGO über die vom Vollstreckungsgericht zu treffende Verfügung knüpft an die Vollstreckung aus einem der in § 151 Abs. 2 FGO genannten Vollstreckungstitel, die Verfügung nach § 152 Abs. 1 FGO damit an den konkreten Inhalt des für die Vollstreckung im Einzelfall maßgebenden Titels an.

Entgegen der Auffassung des FG haben die Beschwerdeführer aufgrund des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses vom 8. Juli 1987 nicht die Befugnis erlangt, den Erlaß einer Verfügung i. S. des § 152 FGO im eigenen Namen zu beantragen. Dies folgt nicht nur, wie dargelegt, aus dem Wortlaut des § 152 Abs. 1 FGO und dessen Zusammenhang mit § 151 FGO, sondern auch aus dem Zweck der Vorschrift. Der gegen die öffentliche Hand gerichteten Vollstreckung nach § 151 Abs. 1 FGO wird durch § 152 Abs. 2 FGO ein besonderes Verfahren vorgeschaltet, das die Vertreter der öffentlichen Hand zur Abwendung der Vollstreckung anhalten und Zwangsmaßnahmen überflüssig machen soll (vgl. Redeker / von Oertzen, Verwaltungsgerichtsordnung, 9. Aufl. zu dem mit § 152 FGO inhaltsgleichen § 170 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - Rdnr. 1; Eyermann / Fröhler, Verwaltungsgerichtsordnung, Kommentar, 9. Aufl., § 170 Anm. 4; Kopp, Verwaltungsgerichtsordnung, 8. Aufl., § 170 Anm. 1). Nur in den Fällen, in denen die Aufforderung zur Abwendung der Vollstreckung ergebnislos verlaufen ist, soll das Gericht die vorzunehmenden Vollstreckungsmaßnahmen anordnen. In dieser Zweckbestimmung erschöpft sich der Regelungsgehalt des § 152 Abs. 1 FGO.

Zu einem anderen Ergebnis führt auch nicht die in § 153 FGO getroffene Regelung, wonach es in den Fällen der §§ 150, 152 Abs. 1 bis 3 FGO einer Vollstreckungsklausel nicht bedarf. Soweit dazu die Auffassung vertreten wird, daß die Vollstreckungsklausel durch die Vollstreckungsverfügung des FG ersetzt werde (Gräber / von Groll, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl. § 153), bedeutet dies nicht, daß im Rahmen des § 152 FGO die bei einer Umschreibung der Klausel auf den Rechtsnachfolger nach § 727 ZPO anzustellenden Prüfungen vorzunehmen und entsprechend dem Ergebnis der Prüfung zu berücksichtigen sind. Zwar wird als Rechtsnachfolge i. S. des § 727 ZPO auch die aufgrund eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses gemäß §§ 835, 836 Abs. 1 ZPO erlangte Befugnis angesehen, den Erstattungsanspruch des Steuerpflichtigen im eigenen Namen einzuziehen (vgl. Baumbach / Lauterbach / Albers / Hartmann, Zivilprozeßordnung, 48. Aufl., § 727 Anm. 1 B). Es ist aber nicht erkennbar, daß mit der Regelung über die Entbehrlichkeit einer Vollstreckungsklausel die Entscheidung über die sich bei einer Rechtsnachfolge ergebenden Fragen in das die Vollstreckungsverfügung nach § 152 FGO betreffende Verfahren verlagert werden sollte. Der mit § 152 FGO verfolgte Zweck spricht - wie oben ausgeführt - für das Gegenteil.

 

Fundstellen

Haufe-Index 417405

BFH/NV 1991, 690

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