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BFH Beschluss vom 20.01.2005 - II R 56/02 (NV) (veröffentlicht am 18.05.2005)

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Entscheidungsstichwort (Thema)

Inanspruchnahme des Betriebsvermögensfreibetrags

 

Leitsatz (NV)

1. Der Schenker kann die Inanspruchnahme des Freibetrags nach § 13 Abs. 2a Satz 1 Nr. 2 ErbStG a.F. nur bis zur Bestandskraft des Schenkungsteuerbescheids erklären, mit dem die Übertragung des Betriebsvermögens besteuert wird.

2. Ist das Recht, für eine frühere Übertragung von Betriebsvermögen diesen Freibetrag in Anspruch zu nehmen, bereits erloschen, steht es nach dem Tod des Schenkers auch dessen Erben nicht zu. Es lebt auch im Rahmen der Zurechnung nach § 14 Abs. 1 Satz 1 ErbStG nicht wieder auf.

 

Normenkette

ErbStG § 13 Abs. 2a S. 1 Nr. 2, § 14 Abs. 1 S. 1; BGB § 1922 Abs. 1; AO 1977 § 45 Abs. 1 S. 1

 

Verfahrensgang

FG Münster (Urteil vom 19.09.2002; Aktenzeichen 3 K 4438/00 Erb; EFG 2003, 176)

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) erhielt mit Wirkung ab 1. Januar 1994 im Wege vorweggenommener Erbfolge von ihrem Vater dessen Beteiligung an einer GmbH sowie das Erbbaurecht an einem an die GmbH vermieteten Grundstück übertragen. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) setzte für diesen Vorgang mit bestandskräftig gewordenem Bescheid vom 23. Mai 1995 Schenkungsteuer fest. Er nahm dabei übereinstimmend mit dem Schenker und der Klägerin an, dass es sich bei den übertragenen Vermögensgegenständen um Privatvermögen gehandelt habe.

Im Jahr 1998 verstarb der Vater der Klägerin. Er wurde von ihr und ihrem Bruder beerbt. Das FA rechnete bei der Festsetzung der Erbschaftsteuer gegenüber der Klägerin dem Erbanteil den mit Bescheid vom 23. Mai 1995 besteuerten Vorerwerb hinzu und zog die festgesetzte Schenkungsteuer von der Erbschaftsteuer ab. Mit dem Einspruch wandte sich die Klägerin gegen die Hinzurechnung des Vorerwerbs, bei dem es sich um die Übertragung von Betriebsvermögen im Rahmen einer Betriebsaufspaltung gehandelt habe, und legte dazu eine von ihr und ihrem Bruder unterschriebene Erklärung vor, wonach für die seinerzeitige Schenkung der volle Freibetrag nach § 13 Abs. 2 a Satz 1 Nr. 2 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) in der für 1994 und 1995 geltenden Fassung des Standortsicherungsgesetzes vom 13. September 1993 (BGBl I 1993, 1569) in Anspruch genommen werde. Der Einspruch blieb erfolglos. Während des finanzgerichtlichen Verfahrens erhöhte das FA die festgesetzte Erbschaftsteuer und erklärte die Steuerfestsetzung in vollem Umfang für vorläufig gemäß § 165 Abs. 1 der Abgabenordung (AO 1977) im Hinblick auf das beim Bundesfinanzhof (BFH) anhängige Revisionsverfahren II R 61/99. Diese Änderungsbescheide wurden gemäß § 68 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) Gegenstand des Verfahrens.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit dem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2003, 176 veröffentlichten Urteil mit der Begründung ab, die Erklärung, der Freibetrag werde nach § 13 Abs. 2 a Satz 1 Nr. 2 ErbStG a.F. in Anspruch genommen, habe nach Eintritt der Bestandskraft des Schenkungsteuerbescheids vom 23. Mai 1995 nicht mehr abgegeben werden können. Dagegen wendet sich die Klägerin mit der Revision.

Die Klägerin beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung und Änderung des Bescheids vom 12. Februar 2002 die Erbschaftsteuer auf 197 600 DM herabzusetzen.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet und nach § 126 Abs. 2 FGO zurückzuweisen.

1. Das FG hat zu Recht angenommen, dass der Vorerwerb aufgrund des Schenkungsvertrags zum 1. Januar 1994 bei der Festsetzung der Erbschaftsteuer nach § 14 Abs. 1 Satz 1 ErbStG dem Erbanteil hinzuzurechnen ist. Der Freibetrag nach § 13 Abs. 2 a Satz 1 Nr. 2 ErbStG a.F. wurde nicht wirksam in Anspruch genommen.

a) Nach § 14 Abs. 1 Satz 1 ErbStG werden mehrere innerhalb von zehn Jahren von derselben Person anfallende Vermögensvorteile in der Weise zusammengerechnet, dass dem letzten Erwerb die früheren Erwerbe nach ihrem früheren Wert zugerechnet werden. Diese Zusammenrechnungsregelung ändert nichts daran, dass die einzelnen Erwerbe als selbständige steuerpflichtige Vorgänge jeweils für sich der Steuer unterliegen. Weder werden die früheren Steuerfestsetzungen mit der Steuerfestsetzung für den letzten Erwerb zusammengefasst noch werden die einzelnen Erwerbe innerhalb eines Zehnjahreszeitraums zu einem einheitlichen Erwerb verbunden. Die Vorschrift trifft lediglich eine besondere Anordnung für die Berechnung der Steuer, die für den jeweils letzten Erwerb innerhalb des Zehnjahreszeitraums festzusetzen ist (BFH-Urteil vom 17. Oktober 2001 II R 17/00, BFHE 196, 301, BStBl II 2002, 52). Den vorangegangenen Steuerbescheiden kommt bei der Zusammenrechnung keine Bindungswirkung (etwa im Sinn von Grundlagenbescheiden) zu. Die früheren Erwerbe sind vielmehr auch dann mit den ihnen (damals) zukommenden richtigen Werten anzusetzen, wenn den vorangegangenen Steuerfestsetzungen fehlerhafte Werte für diese Erwerbe zugrunde gelegt worden waren (BFH-Urteile vom 17. April 1991 II R 121/88, BFHE 164, 107, BStBl II 1991, 522, und vom 21. Mai 2001 II R 48/99, BFH/NV 2001, 1407).

Das bereits erloschene Recht, für eine (frühere) Übertragung von Betriebsvermögen den Freibetrag nach § 13 Abs. 2 a Satz 1 Nr. 2 ErbStG a.F. in Anspruch zu nehmen, lebt wegen der Selbständigkeit der einzelnen Erwerbsvorgänge auch im Rahmen der Zurechnung nach § 14 Abs. 1 Satz 1 ErbStG nicht wieder auf, und zwar unabhängig davon, aus welchen Gründen der Freibetrag für den Vorerwerb nicht beansprucht worden war (Moench, Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz, Kommentar, § 14 Rz. 27; Jülicher in Troll/Gebel/Jülicher, Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, Kommentar, § 13a Tz. 98, § 14 Tz. 43; Kapp/Ebeling, Erbschaft- und Schenkungsteuer, Kommentar, § 13a ErbStG Rz. 47, § 14 ErbStG Rz. 16.7).

Der Schenker kann die Inanspruchnahme des Freibetrags grundsätzlich nur bis zur Bestandskraft des Schenkungsteuerbescheids erklären, mit dem die Übertragung des Betriebsvermögens besteuert wird. Danach kann die Erklärung nur abgegeben werden, wenn der Schenkungsteuerbescheid unter Vorbehalt der Nachprüfung steht (§ 164 AO 1977) oder solange es hinsichtlich der Wertansätze des übertragenen Betriebsvermögens noch an einer endgültigen Schenkungsteuerfestsetzung fehlt und insoweit eine Änderung nach § 165 Abs. 2 Satz 2 AO 1977 noch möglich ist (BFH-Urteil vom 10. November 2004 II R 24/03, BStBl II 2005, 182) oder soweit der Schenkungsteuerbescheid aus anderen Gründen nachträglich zu Lasten des Steuerpflichtigen geändert wird (vgl. für den Erlass des Änderungsbescheids § 177 Abs. 1 AO 1977, für ein anschließendes Einspruchsverfahren § 351 Abs. 1 AO 1977). Kann der Schenker danach nicht mehr wirksam erklären, den Freibetrag in Anspruch zu nehmen, steht dieses Recht nach seinem Tod auch seinen Erben nicht zu. Die Erben treten nach § 1922 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs und § 45 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 materiell- und verfahrensrechtlich in die abgabenrechtliche Stellung des Erblassers ein (BFH-Urteil vom 20. März 2002 II R 53/99, BFHE 199, 19, BStBl II 2002, 441).

b) Das FA hat danach zu Recht den Vorerwerb dem Erbanteil hinzugerechnet. Der Vorerwerb ist nicht nach § 13 Abs. 2 a Satz 1 Nr. 2 ErbStG a.F. außer Ansatz zu lassen. Die in dieser Vorschrift vorgeschriebene Erklärung des Schenkers, dass der Freibetrag für die Schenkung in Anspruch genommen werde, wurde nicht rechtzeitig und somit nicht wirksam abgegeben. Der für den Vorerwerb ergangene Schenkungsteuerbescheid ist bestandskräftig und weder unter dem Vorbehalt der Nachprüfung noch vorläufig ergangen. Die vom Vater der Klägerin nicht abgegebene Erklärung, den Betriebsvermögensfreibetrag in Anspruch zu nehmen, konnte daher von seinen Erben auch nicht im Hinblick auf die Zurechnung nach § 14 Abs. 1 Satz 1 ErbStG nachgeholt werden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1366210

BFH/NV 2005, 1308

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