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BFH Beschluss vom 07.01.1993 - VII B 115/92 (NV)

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Entscheidungsstichwort (Thema)

Nichtzulassungsbeschwerde; Anforderungen an die Verfahrensrüge

 

Leitsatz (NV)

1. Bei der Rüge mangelnder Sachaufklärung wegen Verletzung des Amtsermittlungsgrundsatzes durch das FG § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO) muß dargelegt werden, welche Tatfrage aufklärungsbedürftig ist, welche Beweismittel zu welchen Beweisthemen das FG nicht erhoben hat und warum der Beschwerdeführer, sofern er durch einen Prozeßbevollmächtigten vertreten war, nicht von sich aus einen entsprechenden Beweisantrag gestellt hat, die Beweiserhebung sich aber dem FG - auch ohne besonderen Antrag - hätte aufdrängen müssen.

2. Bei der Frage, ob ein entscheidungserheblicher Verfahrensmangel schlüssig gerügt worden ist, ist von dem materiell-rechtlichen Standpunkt des FG auszugehen.

 

Normenkette

FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 3 S. 3

 

Tatbestand

Der Kläger und Beschwerdegegner (Kläger) ist Konkursverwalter über das Vermögen einer GmbH & Co. KG (Gemeinschuldnerin). Er veräußerte mehrere Grundstücke nebst Maschinen, maschinellen Anlagen, Geschäfts- und Betriebsausstattung sowie andere Wirtschaftsgüter der Gemeinschuldnerin. Der Kaufpreis zuzüglich Umsatzsteuer wurde in voller Höhe an eine Bank als absonderungsberechtigte Gläubigerin abgetreten. Der Beklagte und Beschwerdeführer (das Finanzamt - FA -) brachte wegen der rückständigen Umsatzsteuer, die aus der Verwertung von Sicherungsgut durch den Konkursverwalter herrührte, eine Pfändungs- und Einziehungsverfügung gegenüber der Bank als Drittschuldnerin in das Konkursanderkonto aus.

Auf die Klage des Klägers hob das Finanzgericht (FG) die Pfändungs- und Einziehungsverfügung des FA sowie die hierzu ergangene Beschwerdeentscheidung der Oberfinanzdirektion (OFD) auf. Das FG führte im wesentlichen aus, das FA als Massegläubiger habe wegen der Umsatzsteuer als Massekosten in die Massegegenstände (hier Konkursanderkonto des Konkursverwalters) nach Eintritt der Masseunzulänglichkeit, die der Kläger dem Konkursgericht angezeigt habe, nicht mehr vollstrecken dürfen. Den Einwendungen des FA gegen die Annahme einer Masseunzulänglichkeit könne nicht gefolgt werden. Weder ergebe sich eine freie Masse von über 1 Mio. DM aus dem vom Konkursverwalter (Kläger) abgeschlossenen Kaufvertrag noch stehe der Masse eine Schadensersatzforderung gegenüber dem Kläger wegen Veräußerung der Grundstücke unter deren Wert zu.

Mit der Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision macht das FA geltend, die Vorentscheidung beruhe auf einem Verfahrensmangel. Dem FG hätte sich im Hinblick auf die von ihm angenommene Masseunzulänglichkeit die Notwendigkeit einer weiteren Sachverhaltsaufklärung aufdrängen müssen. Seine Berechnung der angeblichen Massearmut beruhe auf unaufgeklärten Annahmen. Das FG stelle dem geschätzten erzielbaren Veräußerungserlös von 9 Mio. DM Absonderungsrechte von 12 Mio. DM gegenüber und verneine deshalb einen Zugang zur Konkursmasse auch bei Annahme eines Schadensersatzanspruchs wegen zu billiger Veräußerung der Grundstücke durch den Konkursverwalter. Es lasse aber nicht erkennen, wie es zu Absonderungsrechten in Höhe von 12 Mio. DM gelangt sei. Dieser Betrag stimme überein mit dem Wert aller vom Konkursgericht festgestellten Absonderungsrechte, die aber auch andere Rechte umfasse als die auf die veräußerten Gegenstände entfallenden Absonderungsrechte, die im Streitfall allein zu berücksichtigen seien. Bei ordnungsgemäßer Aufklärung der Wertverhältnisse hätte das FG das Vorhandensein und den Umfang eines Schadensersatzanspruchs der Konkursmasse zu prüfen gehabt.

Darüber hinaus seien die Ausführungen des FG, der Erwerber habe bei der Übernahme der in den Grundbüchern eingetragenen Grundpfandrechte Rechte übernommen, nicht nachvollziehbar, solange das Gericht offen lasse, welche Rechte gemeint seien. Das FG habe aber aufklären müssen, welche die Konkursmasse mehrenden Verpflichtungen der Erwerber übernommen habe.

Ein weiterer Verfahrensmangel ergebe sich daraus, daß die Ausführungen ... des Urteils offensichtlich auf mangelnder Sachkunde des FG im Bereich der Konkursabwicklung beruhten. Das Gericht gehe von der Vorstellung aus, daß Schadensersatzsansprüche der Konkursmasse gegen den Konkursverwalter anzumelden seien und erst nach erfolgter Anmeldung als zur Konkursmasse gehörig angesehen werden könnten. Es lasse dabei offen, von wem und wem gegenüber diese Anmeldung zu geschehen habe. Die mangelnde Sachkenntnis des FG sei für die Entscheidung erheblich, denn das Gericht habe aufgrund seiner (fehlerhaften) Vorstellung ausdrücklich auf die Prüfung verzichtet, ob ein Schadensersatzanspruch überhaupt entstanden sei.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist unzulässig.

Wird - wie im Streitfall - die Nichtzulassungsbeschwerde auf einen Verfahrensmangel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung - FGO -) gestützt, so muß dieser in der Beschwerdeschrift unter genauer Angabe der Tatsachen, die den Mangel ergeben, bezeichnet werden (§ 115 Abs. 3 Satz 3 i.V.m. § 120 Abs. 2 Satz 2 FGO). Der Beschwerdeführer muß ferner darlegen, weshalb das angefochtene Urteil auf dem Verfahrensmangel beruhen kann. Bei der Rüge mangelnder Sachaufklärung wegen Verletzung des Amtsermittlungsgrundsatzes durch das FG (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO), wie sie im Streitfall erhoben wird, muß dargelegt werden, welche Tatfrage aufklärungsbedürftig ist, welche Beweismittel zu welchen Beweisthemen das FG nicht erhoben hat und warum der Beschwerdeführer, sofern er durch einen Prozeßbevollmächtigten vertreten war, nicht von sich aus einen entsprechenden Beweisantrag gestellt hat, die Beweiserhebung sich aber dem FG - auch ohne besonderen Antrag - hätte aufdrängen müssen (vgl. Herrmann, Die Zulassung der Revision und die Nichtzulassungsbeschwerde im Steuerprozeß, Rdnr. 228, m.w.N.). Diesen formellen Anforderungen an die Begründung wird die Beschwerdeschrift des FA nicht gerecht.

Bei der Frage, ob ein entscheidungserheblicher Verfahrensmangel schlüssig gerügt worden ist, ist von dem materiell-rechtlichen Standpunkt des FG auszugehen (Klein/Ruban, Der Zugang zum Bundesfinanzhof, Rdnr. 173). Die angefochtene Entscheidung beruht auf der Rechtsauffassung, daß eine Einzelzwangsvollstreckung wegen Massekosten (hier Umsatzsteuer) in die Massegegenstände (hier Konkursanderkonto des Konkursverwalters) und in das konkursfreie Vermögen des Gemeinschuldners nicht mehr zulässig ist, sobald sich die Unzulänglichkeit der Masse ergibt. Diese Rechtsentscheidung des FG ist in dem auf Verfahrensmängel gestützten Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren vom Revisionsgericht nicht zu überprüfen. Das FG hat im Streitfall die Masseunzulänglichkeit hergeleitet aus der Anzeige dieser Tatsache gegenüber dem Konkursgericht durch den Konkursverwalter und aus bestimmten sonstigen Schlußfolgerungen, daß nämlich nach dem vom Konkursverwalter abgeschlossenen notariellen Kaufvertrag nur bestimmte in den Grundbüchern eingetragene Rechte, nicht jedoch persönliche Verpflichtungen der Gemeinschuldnerin übernommen worden sind, daß ferner auch bei einer Zwangsversteigerung aus den Grundpfandrechten wegen der bestehenden Absonderungsrechte kein Geld in die freie Konkursmasse geflossen wäre und daß im übrigen nicht beabsichtigt gewesen sei, die Erwerberin des Grundvermögens im Wege der dinglichen Haftung aus den von ihr übernommenen Grundschulden wegen der insoweit noch valutierenden Verbindlichkeiten der Gemeinschuldnerin in Anspruch zu nehmen.

Das FA hat im Hinblick auf die von ihm in Zweifel gezogene Massearmut keine Beweismittel benannt, deren Erhebung sich dem FG auch ohne Beweisantrag hätte aufdrängen müssen; vor allem hat es nicht dargelegt, warum es nicht von sich aus als sachkundige Behörde entsprechende Beweisanträge gestellt hat. Die Einwendungen des FA gegen die Annahme der Masseunzulänglichkeit richten sich im Ergebnis gegen die Tatsachenwürdigung des FG. Damit wird aber - wie oben ausgeführt - der Verfahrensmangel der mangelnden Sachaufklärung nicht ordnungsgemäß gerügt, zumal das FG seine Schlußfolgerungen auf mehrere Tatsachen stützt, die von der Beschwerde nur teilweise in Zweifel gezogen werden. Soweit das FA in diesem Zusammenhang vorträgt, die Ausführungen des FG, der Erwerber habe bei der Übernahme der Grundpfandrechte Rechte übernommen, seien unklar und nicht nachvollziehbar, rügt es einen Begründungsmangel (§ 96 Abs. 1 Satz 3 FGO) und damit einen Rechtsfehler des Urteils, nicht aber einen Verfahrensmangel, der allein die Zulassung der Revision begründen könnte.

Das Bestehen eines Schadensersatzanspruchs der Konkursmasse gegenüber dem Konkursverwalter hat das FG mit der Begründung verneint, auch wenn die Grundstücke - wie das FA behauptet - tatsächlich unter Wert verkauft worden seien, sei der Masse im Hinblick auf die Absonderungsrechte (12 Mio. DM), die auch den möglicherweise erzielbaren Kaufpreis (9 Mio. DM) überstiegen, kein Schaden entstanden. Dabei ist das FG erkennbar davon ausgegangen, daß dem möglichen Kaufpreis von 9 Mio. DM nicht nur - wie das FA meint - die in den Grundbüchern eingetragenen Gesamtbelastungen, sondern die gesamten in Höhe von 12 Mio. DM angezeigten und in Höhe des Ausfalls zur Konkurstabelle angemeleten Absonderungsrechte gegenüberzustellen seien und somit der Masse nichts zugeflossen wäre. Diese Auffassung des FG mag fehlerhaft sein; sie begründet aber keinen Verfahrensmangel. Denn nach der vom FG zugrunde gelegten Rechtsauffasung über die Schadensberechnung, nach der sich die Entscheidungserheblichkeit des angeblichen Mangels bestimmt, bedurfte es keiner weiteren Sachaufklärung. Das FA wendet sich im übrigen auch hier nur gegen die Tatsachenwürdigung und gegen die Urteilsbegründung des FG (Wert von 12 Mio.DM nicht nachvollziehbar und deshalb zweifelhaft), ohne darzulegen, welche Beweiserhebung sich dem Gericht hätte aufdrängen müssen und warum diese nicht vom FA selbst beantragt worden ist.

Mit der Beschwerde wird schließlich geltend gemacht, die Ausführungen im FG-Urteil, es brauche nicht geprüft zu werden, ob sich der Konkursverwalter mit der Abtretung der Kaufpreisansprüche an die Bank (gegenüber der Masse) schadensersatzpflichtig gemacht habe, solange ein solcher Anspruch nicht angemeldet worden sei, beruhten auf mangelnder Sachkunde des Gerichts über die technische Abwicklung des Konkursverfahrens. Auch insoweit wird kein Verfahrensmangel schlüssig gerügt, sondern vorgetragen, daß die angefochtene Entscheidung auf fehlenden Rechtskenntnissen beruht und damit rechtsfehlerhaft ist. Diese Rüge entzieht sich der Beurteilung im vorliegenden Verfahren.

 

Fundstellen

Haufe-Index 418938

BFH/NV 1994, 37

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