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BAG Urteil vom 26.05.1999 - 5 AZR 476/98 (veröffentlicht am 26.05.1999)

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Entscheidungsstichwort (Thema)

Anspruch auf Entgeltfortzahlung bei Kündigung aus Anlaß der Erkrankung innerhalb der Wartezeit des § 3 Abs. 3 EFZG

 

Leitsatz (amtlich)

1. Erkrankt ein Arbeitnehmer während der Wartezeit des § 3 Abs. 3 EFZG und dauert die Arbeitsunfähigkeit über den Ablauf der Wartezeit hinaus an, so entsteht der Anspruch auf Entgeltfortzahlung nach § 3 Abs. 1 EFZG für die Dauer von sechs Wochen. In die Wartezeit fallende Krankheitstage sind nicht anzurechnen.

2. Das gilt wegen § 8 Abs. 1 Satz 1 EFZG auch dann, wenn das Arbeitsverhältnis durch eine aus Anlaß der Arbeitsunfähigkeit ausgesprochene Kündigung noch innerhalb der Wartezeit beendet worden ist.

 

Normenkette

EFZG § 3 Abs. 1-3, § 4 Abs. 1, § 8 Abs. 1 S. 1

 

Verfahrensgang

LAG Berlin (Urteil vom 21.01.1998; Aktenzeichen 15 Sa 118/97)

ArbG Berlin (Urteil vom 05.08.1997; Aktenzeichen 54 Ca 23138/97)

 

Tenor

1. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin vom 21. Januar 1998 - 14 Sa 118/97 - aufgehoben.

2. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 5. August 1997 - 54 Ca 23138/97 - abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.350,30 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 7. Juli 1997 zu zahlen.

3. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte zur Entgeltfortzahlung verpflichtet ist.

Die Klägerin klagt aus übergegangenem Recht. Bei ihr war Frau V, eine Arbeitnehmerin der Beklagten, für den Fall der Krankheit gesetzlich versichert. Frau V wurde von der Beklagten am 13. Februar 1997 als Zimmermädchen eingestellt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien fand der allgemeinverbindliche Rahmentarifvertrag für gewerbliche Arbeitnehmer im Gebäudereiniger-Handwerk Berlin (RTV) vom 14. April 1989 Anwendung.

Am 27. Februar 1997 wurde Frau V arbeitsunfähig krank. Mit Schreiben vom folgenden Tage kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 3. März 1997. Für die 42 Kalendertage vom 13. März bis zum 23. April 1997 leistete die Klägerin an Frau V Krankengeld in Höhe von insgesamt 1.350,30 DM.

Mit ihrer Klage verlangt sie von der Beklagten die Erstattung dieses Betrags. Die Klägerin hat behauptet, die Beklagte habe die Kündigung vom 28. Februar 1997 aus Anlaß der Arbeitsunfähigkeit von Frau V ausgesprochen. Sie hat die Auffassung vertreten, daraus folge, daß die Beklagte nach Ablauf der vierwöchigen Wartezeit des § 3 Abs. 3 EFZG gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 EFZG zur Entgeltfortzahlung für die folgenden sechs Wochen verpflichtet sei.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 1.350,30 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 7. Juli 1997 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Ansicht vertreten, ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung sei nicht entstanden, da das Arbeitsverhältnis von Frau V weniger als vier Wochen bestanden habe.

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit ihrer Revision verfolgt die Klägerin ihr Zahlungsbegehren weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Die Vorinstanzen haben einen Entgeltfortzahlungsanspruch der Klägerin zu Unrecht verneint. Die Klageforderung folgt aus § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG in Verb. mit § 8 Abs. 1 Satz 1 EFZG. Die Vorschrift des § 3 Abs. 3 EFZG steht dem nicht entgegen. Der Anspruch ist gemäß § 115 SGB X auf die Klägerin übergegangen.

I. Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG hat ein wegen Krankheit arbeitsunfähiger Arbeitnehmer gegen den Arbeitgeber Anspruch auf Entgeltfortzahlung für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit bis zur Dauer von sechs Wochen. Gemäß § 3 Abs. 3 EFZG entsteht dieser Anspruch, wenn das Arbeitsverhältnis vier Wochen ununterbrochen bestanden hat. Wird das Arbeitsverhältnis eines erkrankten Arbeitnehmers vor Ablauf der vierwöchigen Wartefrist wieder beendet, ist die Entstehung eines Entgeltfortzahlungsanspruchs für die Zeit, in der das Arbeitsverhältnis bestanden hat, ausgeschlossen.

II. Die Klägerin macht Ansprüche für die Zeit vom 13. März bis zum 23. April 1997 geltend. Sie macht damit Ansprüche für eine Zeit nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ihrer Versicherten geltend. Die Beklagte hat das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 28. Februar 1997 zum 3. März 1997 gekündigt. Die Kündigung ist fristgerecht. Gemäß § 31 Abs. 2 RTV beträgt die Kündigungsfrist während der dreimonatigen Probezeit einen Tag. Die Kündigung ist wirksam. Das Kündigungsschutzgesetz findet keine Anwendung (§ 1 Abs. 1 KSchG).

III. Für die Zeit nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses ist ein Entgeltfortzahlungsanspruch auch bei fortdauernder Arbeitsunfähigkeit grundsätzlich nicht gegeben. Etwas anderes gilt nur unter den Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 Satz 1 EFZG. Nach dieser Vorschrift wird der Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts „nicht dadurch berührt”, daß der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis aus Anlaß der Arbeitsunfähigkeit kündigt. Die Regelung soll verhindern, daß sich der Arbeitgeber zu Lasten der Sozialversicherung der gesetzlichen Entgeltfortzahlungspflicht entzieht. Zugleich soll sie den Arbeitnehmer davor bewahren, noch während der Erkrankung einen anderen Arbeitsplatz suchen zu müssen (Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, 8. Aufl., § 98 IV 2; Kaiser/Dunkl/Hold/Kleinsorge, Entgeltfortzahlungsgesetz, 4. Aufl., § 8 Rz 4). Zudem wäre es widersprüchlich, wenn dem erkrankten Arbeitnehmer zwar der Schutz des Entgeltfortzahlungsgesetzes eingeräumt würde, es dem Arbeitgeber aber möglich wäre, ihm diesen Schutz durch eine wegen der Erkrankung ausgesprochene Kündigung wieder zu entziehen (BAG 22. Dezember 1971 - 1 AZR 180/71 - AP Nr. 2 zu § 6 LohnFG; Schmitt, Entgeltfortzahlungsgesetz, 3. Aufl., § 8 Rz 3).

IV. Die Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 Satz 1 EFZG liegen im Streitfall vor.

1. Die Beklagte hat das Arbeitsverhältnis mit Frau V „aus Anlaß” von deren Arbeitsunfähigkeit gekündigt. Dies ist zwischen den Parteien unstreitig. Zwar hat die Beklagte vorgerichtlich „Arbeitsmangel” als Kündigungsgrund angegeben. Im Termin vor dem Arbeitsgericht hat sie jedoch ausdrücklich erklärt, daß sie sich darauf nicht mehr berufe.

2. Aufgrund der Kündigung der Beklagten hat das Arbeitsverhältnis bereits zu einem Zeitpunkt geendet, zu dem die Wartefrist des § 3 Abs. 3 EFZG noch nicht abgelaufen war. Fraglich ist, ob dieser Umstand den Eintritt der Rechtsfolge des § 8 Abs. 1 Satz 1 EFZG und die Entstehung eines Entgeltfortzahlungsanspruchs für die Zeit nach Ablauf der Wartefrist hindert. Die Frage ist zu verneinen.

a) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der Arbeitgeber sei trotz einer Kündigung aus Anlaß der Krankheit zur Fortzahlung des Arbeitsentgelts nach § 8 Abs. 1 EFZG nicht verpflichtet, wenn ein Entgeltfortzahlungsanspruch im Kündigungszeitpunkt wegen Nichterfüllung der Wartezeit nach § 3 Abs. 3 EFZG noch nicht bestanden habe. Dem stehe der gesetzgeberische Zweck des § 8 Abs. 1 EFZG nicht entgegen. Zwar solle sich der Arbeitgeber seiner Pflicht zur Entgeltfortzahlung durch eine Kündigung aus Anlaß der Krankheit nicht entziehen können. Doch setze das voraus, daß ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung bei Ablauf der Kündigungsfrist bereits bestanden habe. Nur in einem solchen Falle, also stets erst nach mehr als vierwöchiger Dauer des Arbeitsverhältnisses, könne die Entgeltfortzahlungspflicht über das Vertragsende hinaus fortbestehen. Unterschiedliche Kündigungsfristen wirkten sich demgemäß unterschiedlich auf das Enstehen eines Entgeltfortzahlungsanspruchs aus, je nachdem, ob sie zu einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch vor oder erst nach Ablauf der Wartezeit führten.

b) Dem folgt der Senat nicht. Die Regelung des § 3 Abs. 3 EFZG steht dem Eintritt der Rechtsfolgen aus § 8 Abs. 1 Satz 1 EFZG auch dann nicht entgegen, wenn das Arbeitsverhältnis noch innerhalb der Wartefrist wieder beendet worden ist.

aa) Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 EFZG wird der Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts nicht dadurch berührt, daß der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis aus Anlaß der Arbeitsunfähigkeit kündigt. Die Vorschrift, die wörtlich dem früheren § 6 Abs. 1 Satz 1 LFZG entspricht, ist durch das Gesetz vom 25. September 1996 nicht geändert worden. Ihrem Wortlaut läßt sich nicht eindeutig entnehmen, wie sich der neu eingefügte § 3 Abs. 3 EFZG auf ihre Rechtsfolgen auswirkt, wenn die durch Krankheit veranlaßte Kündigung innerhalb der ersten vier Wochen des Arbeitsverhältnisses ausgesprochen wurde. Bis zum Inkrafttreten des § 3 Abs. 3 EFZG am 1. Oktober 1996 war bei Ausspruch einer durch Krankheit veranlaßten Kündigung der Entgeltfortzahlungsanspruch als solcher regelmäßig schon entstanden. Nach der Einfügung des § 3 Abs. 3 EFZG ist dies bei einer krankheitsveranlaßten Kündigung in den ersten vier Wochen des Arbeitsverhältnisses nicht mehr der Fall; der Anspruch entsteht erst nach Ablauf dieser Frist.

Der Wortlaut des § 8 Abs. 1 Satz 1 EFZG läßt nunmehr zwei unterschiedliche Deutungen zu: Er kann einmal dahin verstanden werden, daß nur der schon „bestehende” Anspruch auf Entgeltfortzahlung durch eine krankheitsveranlaßte Kündigung nicht berührt wird. Dem läge die Überlegung zugrunde, ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung müsse bei Kündigungsausspruch bereits bestanden haben, weil nur ein bestehender Anspruch „berührt” oder „nicht berührt” werden könne.

Der Wortlaut des § 8 Abs. 1 Satz 1 EFZG kann mit Blick auf § 3 Abs. 3 EFZG aber ebenso dahin verstanden werden, daß durch die betreffende Kündigung auch „die Entstehung” des Anspruchs auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts nicht berührt wird. Diese Auslegung verdient den Vorzug.

bb) Für eine solche Auslegung von § 8 Abs. 1 Satz 1 EFZG sprechen zunächst systematische Gesichtspunkte. „Der Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts” im Sinne dieser Vorschrift ist gleichbedeutend mit dem „Anspruch auf Entgeltfortzahlung” gem. § 3 Abs. 1 EFZG. Die Voraussetzungen und der Inhalt des Anspruchs sind außer in § 3 Abs. 1 EFZG auch in Abs. 2 und 3 der Vorschrift geregelt, seine Höhe ergibt sich aus § 4 EFZG. „Der Anspruch auf Entgeltfortzahlung” wird folglich durch mehrere Regelungen im einzelnen ausgestaltet. Für den so geregelten Anspruch ordnet § 8 Abs. 1 Satz 1 EFZG an, er werde durch eine krankheitsveranlaßte Kündigung nicht berührt. Unberührt bleibt damit auch die Möglichkeit seiner Entstehung, falls die bei Kündigungsausspruch vorliegende Arbeitsunfähigkeit länger als vier Wochen nach Beginn des Arbeitsverhältnisses andauert.

Dieses Ergebnis stimmt damit überein, daß § 8 Abs. 1 Satz 1 EFZG den Arbeitnehmer bezüglich des Entgeltfortzahlungsanspruchs so stellt, als wäre das Arbeitsverhältnis nicht beendet worden. Die durch Krankheit veranlaßte Kündigung ist für den Entgeltfortzahlungsanspruch des Arbeitnehmers hinwegzudenken, das Arbeitsverhältnis wird insoweit als fortbestehend fingiert (Steckhan, GK-EFZR, § 6 LFZG, Rz 2). Das bedeutet für die Wartezeit des § 3 Abs. 3 EFZG, daß sie trotz krankheitsveranlaßter Kündigung bei andauernder Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers vier Wochen nach Beginn des Arbeitsverhältnisses als erfüllt gilt. Das wiederum hat zur Folge, daß dem erkrankten Arbeitnehmer von diesem Zeitpunkt an, also nach Ablauf von vier Wochen seit Vertragsbeginn, dieselben Entgeltfortzahlungsansprüche zustehen, wie wenn das Arbeitsverhältnis nicht beendet worden wäre.

cc) Überdies sprechen Sinn und Zweck des § 8 Abs. 1 Satz 1 EFZG für eine Auslegung, nach der auch „die Entstehung” des Anspruchs auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts durch eine krankheitsveranlaßte Kündigung nicht berührt wird. Die Vorschrift soll verhindern, daß der Arbeitgeber sich durch die Kündigung seinen gesetzlichen Sozialverpflichtungen entzieht. Da § 8 EFZG durch das Gesetz vom 25. September 1996 keinerlei Änderung erfahren hat, ist davon auszugehen, daß auch das mit der Vorschrift bis dahin verfolgte gesetzgeberische Ziel durch die neu eingefügte Vorschrift des § 3 Abs. 3 EFZG nicht geändert oder eingeschränkt worden ist. Dieses Ziel aber würde verfehlt, falls eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor Ablauf des Vier-Wochen-Zeitraums einen Entgeltfortzahlungsanspruch des Arbeitnehmers trotz fortdauernder Arbeitsunfähigkeit auch dann ausschlösse, wenn das Arbeitsverhältnis aus Anlaß der Krankheit gekündigt wurde. Es würde im Gegenteil, falls die Kündigungsfrist hinreichend kurz ist, ein Anreiz zum sofortigen Ausspruch einer Kündigung geschaffen.

Beruht die Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor Ablauf der Wartefrist des § 3 Abs. 3 EFZG auf einer durch Krankheit veranlaßten Kündigung, steht sie der Entstehung des Entgeltfortzahlungsanspruchs nicht entgegen. Für die Klageforderung ist deshalb der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses über den 3. März 1997 hinaus zu fingieren, so als wäre es nicht gekündigt worden.

V. Welche Folgen der Ablauf der vierwöchigen Wartezeit für den Entgeltfortzahlungsanspruch des schon zuvor erkrankten Arbeitnehmers hat, wenn das Arbeitsverhältnis nicht gekündigt wird, ist streitig.

1. Nach einer Ansicht entsteht der Anspruch auch nach Ablauf der vierten Woche überhaupt nicht; § 3 Abs. 3 EFZG schließe einen Entgeltfortzahlungsanspruch für alle zur Arbeitsunfähigkeit führenden Erkrankungen aus, deren erster Tag innerhalb der Wartezeit liege (Sieg, BB 1996, Beilage 17, S. 18, 19).

Nach anderer Ansicht gilt § 3 Abs. 3 EFZG nur für solche Erkrankungen, die innerhalb der Wartezeit auch zu Ende gehen; dauerten sie über das Fristende hinaus an, entstehe der Entgeltfortzahlungsanspruch rückwirkend vom ersten Tag der Erkrankung an für die Zeit von insgesamt sechs Wochen (Buschmann, AuR 1996, 285, 290).

Ferner wird vertreten, durch § 3 Abs. 3 EFZG werde die Entstehung des Anspruchs in der Weise gehemmt, daß er nach Ablauf der vierwöchigen Wartezeit zwar entstehe, aber auf den Sechs-Wochen-Zeitraum des § 3 Abs. 1 EFZG die Arbeitsunfähigkeitszeiten innerhalb der Wartezeit anzurechnen seien (LAG Niedersachsen, Urteil vom 19. Januar 1998 - 11 Sa 1740/97 - BB 1998, 1423 (Lse.); Giesen, RdA 1997, 193, 194; Preis, NJW 1996, 3369, 3374).

Nach überwiegender Auffassung schließlich wird durch § 3 Abs. 3 EFZG die Entstehung des Anspruchs mit der Folge gehemmt, daß nach Ablauf der Wartezeit die Entgeltfortzahlungspflicht des Arbeitgebers gegebenenfalls für die volle Dauer weiterer sechs Wochen beginnt (ArbG Frankfurt Urteil vom 3. August 1998, BB 1998, 1850; ErfK-Dörner, § 3 EntgeltfortzG, Rz 68; Schaub, aaO, Anhang II § 98 IX 3 c; Kaiser/Dunkl/Hold/Kleinsorge, aaO, § 3 EFZG, Rz 105 a; Schmitt, aaO, § 3 EFZG, Rz 141; Worzalla/Süllwald, Kommentar zur Entgeltfortzahlung, 2. Aufl., S. 104, Rz 90; Marienhagen/Künzl, Entgeltfortzahlungsgesetz, Stand Juni 1998, EFZG § 3 Rz 67 b; Vossen, Entgeltfortzahlung bei Krankheit und an Feiertagen, S. 29, Rz 70; derselbe, NZA 1998, 354, 356; Wedde/Gerntke/Kunz/Platow, Entgeltfortzahlungsgesetz, 2. Aufl., § 3 Rz 126; Hanau, RdA 1997, 205, 207; Geyer/Knorr/Krasney, Entgeltfortzahlung, Krankengeld, Mutterschaftsgeld, Stand Dezember 1998, EFZG § 3 Rz 172 c; Bauer/Lingemann, BB 1996, Beilage 17, S. 8, 9; Schwedes, BB 1996, Beilage 17, S. 2).

2. Der überwiegend vertretenen Auffassung ist zu folgen. Nach § 3 Abs. 3 EFZG entsteht nach vierwöchiger Dauer des Arbeitsverhältnisses „der Anspruch nach Abs. 1”. Gemäß § 3 Abs. 1 EFZG ist dies „ der Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall durch den Arbeitgeber für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit bis zur Dauer von sechs Wochen”.

a) Der Wortlaut von § 3 Abs. 3 EFZG gibt weder einen Anhaltspunkt dafür, daß der Anspruch nur für die Zeit einer solchen Arbeitsunfähigkeit entsteht, die erst nach Ablauf der Wartefrist eingesetzt hat, noch läßt sich aus ihm ableiten, der Anspruch entstehe rückwirkend bezogen auf den Beginn der Arbeitsunfähigkeit. Nach dem Wortlaut entsteht der Anspruch vielmehr auch für eine schon bestehende Arbeitsunfähigkeit, aber dies nur zukunftsgerichtet.

Der Gesetzeswortlaut spricht auch gegen die Ansicht, die Anspruchsdauer sei bei einer über die Wartefrist andauernden Arbeitsunfähigkeit auf die Zeit von sechs Wochen seit Beginn der Arbeitsunfähigkeit begrenzt. Hätte der Gesetzgeber eine solche Regelung gewollt, hätte es nahegelegen, dies so wie im früheren § 1 Abs. 3 Nr. 1 Satz 2 Lohnfortzahlungsgesetz klar auszudrücken. Nach dieser Vorschrift bestand ein Lohnfortzahlungsanspruch für solche Arbeiter nicht, deren Arbeitsverhältnis für höchstens vier Wochen begründet worden war. Wurde das Arbeitsverhältnis über vier Wochen hinaus fortgesetzt, so entstand der Anspruch vom Tag der Vereinbarung der Fortsetzung an. Sodann hieß es: „Vor diesem Zeitpunkt liegende Zeiten der Arbeitsunfähigkeit sind auf die Anspruchsdauer von sechs Wochen anzurechnen”. Dem Gesetzgeber des Jahres 1996 war die entsprechende Regelungstechnik daher geläufig. Gleichwohl hat er nur eine vierwöchige Wartefrist vorgesehen, ohne eine besondere Regelung über die Dauer des Anspruchs zu treffen. Daraus ist zu schließen, daß der Gesetzgeber eine zeitliche Begrenzung des mit Ablauf der Wartefrist entstehenden Entgeltfortzahlungsanspruchs nicht beabsichtigt hat. Nach dem Wortlaut beträgt die anschließende Dauer des Anspruchs vielmehr volle sechs Wochen.

b) Die am Wortlaut orientierte Auslegung des § 3 Abs. 3 EFZG steht in Übereinstimmung mit dem gesetzgeberischen Ziel. Die Vorschrift wurde durch das Arbeitsrechtliche Beschäftigungsförderungsgesetz vom 25. September 1996 (BGBl. I, S. 1476) der bis dahin geltenden Regelung des § 3 EFZG angefügt. In der allgemeinen Begründung des Gesetzentwurfs der Regierungsfraktionen (BT-Drucks. 13/4612) heißt es dazu, durch die Einführung einer vierwöchigen Wartezeit werde eine Kostenentlastung der Arbeitgeber erreicht. Zudem werde das Prinzip von Leistung und Gegenleistung stärker betont: Es erscheine unbillig, dem Arbeitgeber die Kosten der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall aufzubürden, wenn ein gerade erst eingestellter Arbeitnehmer krankheitsbedingt ausfalle. Der erkrankte Arbeitnehmer erhalte während der Wartezeit Krankengeld.

Beide Ziele, eine Kostenentlastung der Arbeitgeber und die Stärkung des Prinzips von Leistung und Gegenleistung, werden jedenfalls dann erreicht, wenn die Erkrankung des Arbeitnehmers nach Ablauf der Wartezeit keine sechs Wochen andauert. Der Arbeitgeber hat dann – je nachdem, wann die Arbeitsunfähigkeit tatsächlich begonnen und geendet hat – die Kosten entweder für den gesamten in die Wartezeit fallenden Zeitraum oder doch zumindest für die an weiteren vollen sechs Wochen fehlende Zeit erspart. Daß eine noch weitergehende Entlastung der Arbeitgeber gewollt gewesen sei, läßt sich der Gesetzesbegründung nicht entnehmen. Dort werden die ersten vier Wochen des Arbeitsverhältnisses als „Wartezeit” bezeichnet. Dieser Begriff ist u.a. aus dem Urlaubsrecht bekannt. Auch nach § 4 BUrlG wird der Urlaubsanspruch nach erfüllter Wartezeit in vollem Umfange erworben und nicht durch in die Wartezeit fallende Anteile gemindert. Hätte der Gesetzgeber mit der Einführung des § 3 Abs. 3 EFZG für die Entgeltfortzahlung eine solche Minderung bezweckt, so wäre zu erwarten gewesen, daß dieses Ziel zumindest in der Gesetzesbegründung deutlich hervorgehoben worden und die ersten vier Wochen des Arbeitsverhältnisses nicht lediglich als „Wartezeit” bezeichnet worden wären. Statt dessen heißt es auch in der Einzelbegründung zu § 3 Abs. 3 EFZG lediglich, daß nunmehr „der Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall nach Abs. 1 erst nach Ablauf einer Wartezeit von vier Wochen entsteht”. Nach bisherigem Recht entstand dieser Anspruch – bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen – „mit dem Tag der vereinbarten Arbeitsaufnahme”. Daß der Anspruchszeitraum bei einer Erkrankung innerhalb der Wartezeit um den Teil gekürzt werden sollte, der in diese Zeit fällt, läßt sich auch daraus nicht entnehmen.

§ 3 Abs. 3 EFZG ist deshalb dahin auszulegen, daß nach Ablauf der ersten vier Wochen des Arbeitsverhältnisses ein Entgeltfortzahlungsanspruch des schon in dieser Zeit erkrankten Arbeitnehmers ggf. bis zur Dauer weiterer sechs Wochen entsteht.

VI. Für den Streitfall bedeutet dies, daß Frau V trotz der Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses innerhalb der bis zum 12. März 1997 dauernden Wartezeit für die weiteren sechs Wochen ihrer Arbeitsunfähigkeit vom 13. März bis 23. April 1997 einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung nach § 3 Abs. 1 EFZG in Verb. mit § 8 Abs. 1 Satz 1 EFZG erworben hat. Dieser Anspruch ist nach § 115 SGB X auf die Klägerin übergegangen.

 

Unterschriften

Griebeling, Reinecke, Kreft, W. Hinrichs, Dombrowsky

 

Veröffentlichung

Veröffentlicht am 26.05.1999 durch Clobes, Amtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

 

Fundstellen

Haufe-Index 436141

BAGE, 370

DB 1999, 1170

DB 1999, 2268

ARST 2000, 55

FA 1999, 375

NZA 1999, 1273

SAE 2000, 271

ZTR 2000, 84

AP, 0

VersR 2000, 345

ZMV 1999, 150

ZfPR 2000, 212

RdW 2000, 52

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