Leitsatz

Ein bestimmender Schriftsatz – sei es eine → Klage – oder eine Revisionsschrift – muss handschriftlich unterzeichnet sein.

Hierfür genügt im Allgemeinen ein individueller, auch flüchtiger Schriftzug, der die Identität des Unterzeichnenden ausreichend kennzeichnet. Nicht ausreichend ist eine sog. Paraphe, die den Namen abgekürzt wiedergibt, so wenn der mit „G” beginnende Name des Prozessbevollmächtigten nur als obere Hälfte des „G” wiedergegeben wird.

Dem Rechtsuchenden ist jedoch Gelegenheit zu geben, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (→ Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ) zu beantragen, wenn glaubhaft und unwidersprochen vorgetragen wird, diese Art der Unterzeichnung sei im Geschäftsverkehr, bei Behörden und in Gerichtsverfahren jahrelang unbeanstandet verwendet worden.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 16.03.1999, X R 41/96

Anmerkung:

Die Entscheidung kommt nachlässig unterschreibenden Steuerpflichtigen und Prozessbevollmächtigten weit entgegen. Der Senat geht von einem „Prozessgrundsatz des fairen Verfahrens” aus, der es verbieten soll, dass eine bestimmte, jahrelang praktizierte und hingenommene Art der Unterzeichnung im Geschäftsverkehr, bei Behörden und Gerichten plötzlich beanstandet wird. Der Richter muss dann sogar eine Paraphe akzeptieren.

Diese neue Rechtsprechung ist nicht unbedenklich. Der Richter, der einen eingerissenen Unterschriften-Schlendrian beanstanden möchte, muss zunächst prüfen, ob der Schlendrian bereits lange Zeit praktiziert wurde. Falls ja, muss Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden. Behauptet der Steuerpflichtige bzw. sein Prozessbevollmächtigter eine solche Praxis, wird man diese allgemein zumeist als glaubhaft ansehen müssen. Nur wenn der Richter vermutet, dass die Nachlässigkeit beim Unterschreiben neueren Datums ist, kann er sie beanstanden, dies jedoch auch nur dann, wenn er gegenteilige Behauptungen ausgeräumt hat. Ein solcher Grundsatz des „fairen Verfahrens” lähmt letztlich die Befugnisse des Richters und erweckt den Eindruck der Unfairness gegenüber der anderen Prozesspartei.

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