Die Besteuerung der Bürger hat nach deren wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit zu erfolgen. Dies ergibt sich aus dem Grundgesetz (insbesondere Art. 3 Abs. 1 GG – Gleichheitsgrundsatz) und den darauf gestützten Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts.

Da die Erziehung und Betreuung von Kindern für die betroffenen Eltern mit erheblichen Aufwendungen und Belastungen verbunden sind, ist im Einkommensteuerrecht zum Ausgleich hierfür eine Fülle von steuerlichen Vergünstigungen geschaffen worden.

Grundlage und Ausgangspunkt der steuerlichen Vergünstigungen ist der Familienleistungsausgleich, nämlich das System von Kindergeld und Kinderfreibetrag.

Zusammenhang von Kindergeld und den Freibeträgen nach § 32 Abs. 6 EStG

Zentrale Vorschrift zur Regelung des Familienleistungsausgleichs ist § 31 EStG.[1] Danach wird die steuerliche Entlastung für das Existenzminimum von Kindern im gesamten Veranlagungszeitraum durch die Freibeträge nach § 32 Abs. 6 EStG (= Kinderfreibetrag und Freibetrag für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf – Bedarfsfreibetrag) oder durch das Kindergeld nach dem EStG bewirkt. Im laufenden Kalenderjahr wird Kindergeld als Steuervergütung monatlich gezahlt.

Die Voraussetzungen für das Kindergeld nach dem EStG[2] und den Kinderfreibetrag[3] sind im Wesentlichen dieselben.

Unterschiede bestehen nur hinsichtlich folgender Regelungen:

 
    Voraussetzungen für
    Kindergeld Kinderfrei­betrag
a) Nicht freizügigkeitsberechtigte Ausländer mit Wohnsitz im ­Inland (unbeschränkt Steuerpflichtige) Niederlassungs- oder Aufenthaltserlaubnis, Blaue Karte EU, ICT-Karte usw.
b) Berücksichtigung von Stiefkindern beim Stiefelternteil (gilt auch für ­eingetragene ­Lebenspartner) Aufnahme in den Haushalt Übertragung des Kinderfreibetrags von einem Elternteil
c) Berücksichtigung von Enkelkindern bei den Großeltern bzw. einem Großelternteil Aufnahme in den Haushalt Übertragung des Kinderfreibetrags von einem Elternteil

Wird die aufgrund der Höhe des zu versteuernden Einkommens gebotene steuerliche Entlastung für den gesamten Veranlagungszeitraum durch den Kindergeldanspruch nicht vollständig erreicht, sind die Freibeträge nach § 32 Abs. 6 EStG vom Einkommen abzuziehen.

Ist der Abzug der Freibeträge nach § 32 Abs. 6 EStG günstiger als der Anspruch auf Kindergeld für den gesamten Veranlagungszeitraum, erhöht sich die tarifliche Einkommensteuer, die sich unter Berücksichtigung des Abzugs der Freibeträge für Kinder ergibt, um den Anspruch auf Kindergeld für den gesamten Veranlagungszeitraum.[4]

Damit wird bei der Vergleichsrechnung (Günstigerprüfung) grundsätzlich der Anspruch auf Kindergeld und nicht das tatsächlich gezahlte Kindergeld der ESt-Minderung aus dem Abzug der Freibeträge für Kinder gegenübergestellt. Dementsprechend wird auch, wenn die Freibeträge für Kinder günstiger sind als der Anspruch auf Kindergeld, der Betrag i. H. d. Kindergeldanspruchs der tariflichen Einkommensteuer hinzugerechnet.

Danach ist uneingeschränkt § 2 Abs. 6 Satz 3 EStG anzuwenden. D. h., in den Fällen, in denen die Freibeträge für Kinder bei der ESt-Veranlagung vom Einkommen abgezogen werden, wird Kindergeld stets i. H. d. Anspruchsbetrags der tariflichen Einkommensteuer hinzugerechnet. Wurde Kindergeld tatsächlich nicht i. H. d. Anspruchs bezahlt, wird grundsätzlich trotzdem der Anspruchsbetrag der Einkommensteuer hinzugerechnet.

Eine Berücksichtigung des Anspruchsbetrags sowohl bei der Vergleichsrechnung als auch bei der Hinzurechnung zur tariflichen Einkommensteuer ist nur dann ausgeschlossen, wenn

  • kein Anspruch auf Kindergeld oder vergleichbare andere Leistungen besteht oder
  • der Anspruch aufgrund einer bestandskräftig gewordenen und nicht mehr änderbaren Ablehnung, Aufhebung einer Kindergeld-Festsetzung erloschen ist[5] oder
  • Kindergeld wegen verspäteter Antragstellung zwar festgesetzt, aber rückwirkend wegen der 6-Monatsfrist des § 70 Abs. 1 Satz 2 EStG (gilt für Anträge nach dem 18.7.2019) ab dem 7. Monat nicht ausgezahlt wird, für den Zeitraum der Nichtauszahlung.[6]

Der Anspruch auf Kindergeld ist jedoch dann anzusetzen, wenn in einer bestandskräftigen Kindergeld-Festsetzung der Anspruch auf Kindergeld zu Unrecht abgelehnt worden ist.[7]

Ebenso ist der Kindergeldanspruch anzurechnen, wenn für das Kindergeld für den VZ, für den die Vergleichsrechnung durchzuführen ist, bereits Festsetzungsverjährung eingetreten ist.[8] Ob ein Kindergeldanspruch besteht, hat das Finanzamt ohne Bindung an den Inhalt eines Kindergeld-Ablehnungsbescheides selbstständig zu prüfen.[9]

Sollte nach ausländischem Recht Anspruch auf Leistungen für Kinder bestehen, wird dieser Anspruch insoweit nicht berücksichtigt, als er das inländische Kindergeld übersteigt.

Bei Abzug der Freibeträge nach § 32 Abs. 6 EStG sind ebenso die dem Kindergeld vergleichbaren anderen Leistungen für Kinder[10] zu verrechnen.

Bei nicht zusammen zur Einkommensteuer veranlagten Eltern wird der Kindergeldanspruch im Umfang des Kinderfreibetrags angesetzt.[11] Der Bedarfsfreibetrag ist hierb...

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