Leitsatz

Einkommensteuerschulden als (ehemalige) Masseverbindlichkeiten werden von den Wirkungen eines Insolvenzplanverfahrens grundsätzlich nicht erfasst.

 

Normenkette

§ 55 Abs. 1 Nr. 1, § 227 Abs. 1, § 248 Abs. 1, § 258 Abs. 1, § 259 InsO, § 37 Abs. 2, § 218 Abs. 2 AO

 

Sachverhalt

Gegenstand des Verfahrens war ein Abrechnungsbescheid. Über das Vermögen des Klägers war das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Nachdem das Amtsgericht einen von dem Kläger erstellten Insolvenzplan bestätigt hatte, erließ das FA Einkommensteuerbescheide, die in der Folgezeit mehrfach geändert wurden. Der Kläger zahlte die Steuer und beantragte Erstattung. Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg (Niedersächsisches FG, Urteil vom 7.3.2017, 13 K 178/15, Haufe-Index 11197812, EFG 2017, 1189). Die Kläger meinten, sie hafteten nicht für Steuern, die nach Beendigung des Insolvenzverfahrens durch Insolvenzplan vom FA nachträglich festgesetzt worden seien.

 

Entscheidung

Der BFH wies die Revision als unbegründet zurück. Bei den ESt-Schulden handele es sich um Masseverbindlichkeiten, die von den Wirkungen des Insolvenzplanverfahrens grundsätzlich nicht betroffen seien. Deshalb scheide eine – von den Klägern geforderte – Erhebungs- und Vollstreckungsbe­schränkung aus.

 

Hinweis

Bei den streitigen ESt-Schulden des in Insolvenz geratenen Klägers handelte es sich um Masseverbindlichkeiten. Sie resultierten aus der Verwaltung des zur Masse gehörenden Anteils des Klägers an einer aufgelösten Sozietät. Der BFH verwies auf das Urteil des X. Senats vom 1.6.2016 (X R 26/14, BFH/NV 2016, 1520, BFH/PR 2016, 354).

Solche Masseverbindlichkeiten können in einem Insolvenzplan nicht geregelt werden. Denn nach allgemeiner Ansicht ermöglicht § 217 InsO keine von den Vorschriften der InsO über Massegläubiger abweichenden Regelungen; die Bestimmungen über die Befriedigung der Massegläubiger sind daher grundsätzlich planfest (BGH, Beschluss vom 16.2.2017, IX ZB 103/15, Haufe-Index 10442335). Der Rechtsprechung des BGH schloss sich der BFH ausdrücklich an.

Weil Masseverbindlichkeiten danach von der Wirkung des Insolvenzplanverfahrens nicht erfasst werden, kommt eine Befreiung von den Restverbindlichkeiten nach § 227 Abs. 1 InsO grundsätzlich nicht in Betracht. Der Senat hat diesbezüglich auf seine Entscheidung vom 28.11.2017 (BFH, Urteil vom 28.11.2017, VII R 1/16, BFH/NV 2018, 583, BFH/PR 2018, 142) zur Restschuldbefreiung nach § 301 Abs. 1 InsO verwiesen.

In beiden Fällen stellt sich die – für den BFH allerdings nicht zu entscheidende – Frage nach der Verantwortlichkeit des Insolvenzverwalters. Der Kläger hatte nämlich ESt-Beträge zu zahlen, die aus der Insolvenzmasse beglichen worden wären, wenn die Festsetzung (im konkreten Fall auf der Grundlage einer gesonderten und einheitlichen Feststellung von Besteuerungsgrundlagen) bereits während des Insolvenzverfahrens erfolgt wäre. Auf die frühzeitige Abgabe einer Steuererklärung hatte der Kläger als Insolvenzschuldner jedoch nur beschränkten Einfluss. Wegen des Übergangs der Verwaltungs- und Verfügungsrechte auf den Insolvenzverwalter nach § 80 Abs. 1 InsO konnte der Kläger ohne Beteiligung des Insolvenzverwalters (§ 34 Abs. 3 AO) keine wirksame Steuererklärung einreichen, obwohl er Steuerschuldner i.S.d. §§ 33, 43 AO geblieben war.

Vor diesem Hintergrund ist der Kritik an der Entscheidung des BFH vom 28.11.2017 zur Restschuldbefreiung darin zuzustimmen, dass der Insolvenzverwalter die Ertragsteuern in die Prüfung der Masseunzulänglichkeit einbeziehen muss und den Insolvenzschuldner nicht einseitig belasten darf (so ausdrücklich Anzinger, EWiR 2018, 309). Er muss für die noch zu erwartenden Steuerschulden aus der Verwertung der Insolvenzmasse Sicherheiten leisten oder einen Finanzplan vorlegen (§ 258 Abs. 2 InsO).

Diese Erwägungen ändern aber letztlich nichts daran, dass der Kläger dem FA den bestätigten Insolvenzplan nicht zu seiner Entlastung entgegenhalten kann.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 23.10.2018 – VII R 13/17

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