Zur Verstärkung der Abschreckungswirkung einer Pflichtteilsklausel wurde die Jastrowsche Klausel entwickelt. Mit dieser wird erreicht, dass sich der Nachlass des Letztversterbenden durch die Vermächtnisse vermindert, was dazu führt, dass sich auch Pflichtteilsansprüche verringern.[1]

Die Jastrowsche Klausel lautet etwa wie folgt[2]:

"Verlangt einer unserer Abkömmlinge auf den Tod des Erstversterbenden den Pflichtteil, so sind er und seine Nachkommen von der Erbfolge auf Ableben des Längstlebenden ausgeschlossen. Ferner erhält in diesem Fall jeder in diesem Testament berufene Abkömmling mit Ausnahme dessen, der den Pflichtteil verlangt hat und seiner Nachkommen, aus dem Nachlass des Erstversterbenden ein Geldvermächtnis in Höhe des Wertes seines gesetzlichen Erbteils auf Ableben des Erstversterbenden, wobei der gesetzliche Erbteil nach den Verhältnissen im Zeitpunkt des Todes des überlebenden Ehegatten zu bestimmen ist. Diese Vermächtnisse fallen erst mit dem Tod des Längstlebenden an und nur an zu diesem Zeitpunkt noch lebende Bedachte."

 
Praxis-Beispiel

Jastrowsche Klausel

Die Ehegatten EM und EF, welche im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft leben, haben sich in einem Berliner Testament gegenseitig zu Alleinerben eingesetzt. Als Schlusserben sind die Kinder K 1 und K 2 vorgesehen. Das Testament der Ehegatten beinhaltet eine Jastrowsche Klausel. Hiernach sollen für die Schlusserben, die nicht ihren Pflichtteil einfordern, verzinsliche Vermächtnisse i. H. v. 42.500 EUR anfallen, die erst mit dem Tod des Letztversterbenden zur Auszahlung kommen. EF verstirbt. Das Vermögen der EF beträgt bei ihrem Tod 340.000 EUR. K 1 fordert nach dem Tod der EF seinen Pflichtteil. Drei Monate später verstirbt auch Ehemann EM. Der Nachlass von EM i. H. v. 477.500 EUR setzt sich aus eigenem Vermögen i. H. v. 180.000 EUR und dem Nachlass der EF i. H. v. 297.500 EUR (geschmälert durch den Pflichtteil des Kind K 1 340.000 EUR ./. 42.500 EUR) zusammen.

Die Kinder K 1 und K 2 sind durch die Alleinerbeneinsetzung der Ehegatten enterbt. Aufgrund dessen steht ihnen ein Pflichtteilsrecht zu, welches K 1 beim Tod von EF geltend macht. Der Pflichtteilanspruch beträgt für K 1 1/8 (der gesetzliche Erbteil für K 1 beträgt nach § 1931 Abs. 1 BGB, § 1931 Abs. 3 BGB, § 1371 Abs. 1 BGB und § 1924 BGB 1/4, davon erhält K 1 gemäß § 2303 Abs. 1 Satz 2 BGB die Hälfte), d. h. 42.500 EUR (1/8 von 340.000 EUR).

Nach dem Tod von dem EM erhält K 1 entsprechend der Jastrowschen Klausel ebenfalls nur den Pflichtteil (von EM). Dieser beträgt hier 1/4 (der gesetzliche Erbteil für K 1 beträgt nach § 1924 Abs. 1 BGB und § 1924 Abs. 4 BGB 1/2, davon erhält K 1 gemäß § 2303 Abs. 1 Satz 2 BGB die Hälfte). Hier gilt es aber zu beachten, dass das für den K 2 ausgesetzte Vermächtnis den Nachlass des EM schmälert und somit auch den Pflichtteil von K 1.[3] Damit beläuft sich der Pflichtteilsanspruch von K 1 auf 108.750 EUR (Nachlass 477.500 EUR ./. Vermächtnis 42.500 EUR = 435.000 EUR, davon 1/4).

Insgesamt partizipiert Kind K 1 durch seine Pflichtteilsansprüche an dem Vermögen der Eltern i. H. v. 151.250 EUR (42.500 EUR + 108.750 EUR) und das Kind K 2 als Schlusserbe i. H. v. 368.750 (520.000 EUR ./. 151.250 EUR).

Gegenüber der normalen Pflichtteilsstrafklausel mindert sich durch die Jastrowsche Klausel der Pflichtteilsanspruch des Kind K 1 von 161.875 EUR auf 151.250 EUR.

 
Hinweis

Besteuerung eines "betagten" Vermächtnisses im Falle einer Jastrowsche Klausel

Zur Besteuerung eines "betagten" Vermächtnisses im Falle einer Jastrowsche Klausel hat der BFH mit Urteil vom 11.10.2023 entschieden[4], dass der überlebende Ehegatte (im oben genannten Praxis-Beispiel also EM), als Erbe des erstversterbenden Ehegatten, das betagte Vermächtnis (hier das Vermächtnis für K 2) nicht als Nachlassverbindlichkeit in Abzug bringen kann, da das Vermächtnis noch nicht fällig ist.

Die Kinder haben den Erwerb des betagten Vermächtnisses bei dem Tod des überlebenden Ehegatten als von diesem stammend zu versteuern.[5] Da K 2 im oben genannten Praxis-Beispiel zugleich Erbe des zuletzt verstorbenen Ehegatten (EM) ist, könnte K 2 das" betagte" Vermächtnis jedoch als Nachlassverbindlichkeit in Abzug bringen.[6]

Mit dem Tod des EM wäre K 2 nach der Rechtsprechung des BFH nicht nur Erbe geworden, sondern hätte als Vermächtnisnehmer auch das mit dem Tod des EM fällig gewordene "betage" Vermächtnis erworben und dieses als von diesem stammend zu versteuern. Bei der Ermittlung des steuerpflichtigen Erwerbs ist die mit dem Tod des EM fällig gewordene Vermächtnisverbindlichkeit jedoch zugleich als Nachlassverbindlichkeit (§ 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG) in Abzug zu bringen.

Dass bezüglich des betagten Vermächtnisses im Ergebnis zweimal Erbschaftsteuer entsteht – einmal (ohne Abzugsmöglichkeit als Nachlassverbindlichkeit) beim überlebenden Ehegatten nach dem Tod des Erstversterbenden und ein weiteres Mal bei dem Kind nach dem Tod des letztversterbenden Elternteils – ist steuerlich zwar ungünstig, aus rechtlicher ...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Finance Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge