Der hohe pH-Wert ist technologisch notwendig, birgt allerdings für den Verarbeiter die Gefahr von Verätzungen. Dementsprechend werden immer wieder schwere Verätzungen gemeldet. Nahezu klassisch ist das Knien im frischen Estrich oder Beton mit keiner oder unzureichender Schutzkleidung. Im Gegensatz zum Kontakt mit Säuren wird der Hautkontakt mit alkalischen Lösungen erst nach einiger Zeit als schmerzhaft empfunden. Zu diesem Zeitpunkt besteht dann aber meist schon eine massive Verätzung. In vielen Fällen müssen dann Hauttransplantationen durchgeführt werden. Man kann davon ausgehen, dass es neben den schweren Verätzungen, die z. B. in dermatologischen Kliniken oder bei den Berufsgenossenschaften gemeldet werden, noch eine Vielzahl leichter Verätzungen gibt, die von den betroffenen Verarbeitern als völlig normale Verletzung hingenommen werden.

Zum Jahresbeginn 2021 entfiel der Unterlassungszwang (Aufgabe der die Berufskrankheit verursachenden Tätigkeit), der bisher eine Voraussetzung zur Anerkennung verschiedener Berufskrankheiten (BK) war. Das betrifft auch die BK-Nr. 5101 "Schwere oder wiederholt rückfällige Hauterkrankungen". Der Wegfall des Unterlassungszwang ermöglicht den betroffenen Personen die Fortsetzung der beruflichen Tätigkeit trotz aufgetretener Hauterkrankungen und damit den Erhalt des Arbeitsplatzes. Eine weitere dermale Exposition trotz bestehender Allergie ist zumindest aus medizinischer Sicht nicht zu befürworten. Bei zementbedingten Hauterkrankungen ist dies aber das gängige Vorgehen. Aufgrund der geänderten Anerkennungspraxis ist bei den Berufsgenossenschaften die Erfassung der Erkrankungen verändert worden. Deshalb sind Erkrankungszahlen nach 2021 nicht mehr mit den früheren Zahlen vergleichbar. Die Zahlen ab 2021 werden daher in Abb. 1 nicht berücksichtigt.

Abb. 1: Zementverursachte Hauterkrankungen bei allen Berufsgenossenschaften[1]

Zement wird mit den Gefahrenpiktogrammen GHS05 und GHS07 gekennzeichnet und mit den folgenden Gefahren- und Sicherheitshinweisen versehen:

  • H315: Verursacht Hautreizungen,
  • H317: Kann allergische Hautreaktionen verursachen,
  • H318: Verursacht schwere Augenschäden,
  • H335: Kann die Atemwege reizen,
  • P260: Staub nicht einatmen,
  • P280: Schutzhandschuhe/Schutzkleidung/Augenschutz tragen,
  • P305+P351+P338+P310: Bei Berührung mit den Augen: Einige Minuten lang behutsam mit Wasser ausspülen. Eventuell vorhandene Kontaktlinsen nach Möglichkeit entfernen. Weiter ausspülen. Sofort Giftinformationszentrum oder Arzt anrufen,
  • P302+P352+P333+P313: Bei Berührung mit der Haut: Mit viel Wasser und Seife waschen.

Einstufung und Kennzeichnung von Produkten unterliegen grundsätzlich der Verantwortung der Hersteller. Als Hintergrund für die offensichtliche Diskrepanz zwischen den Erfahrungen in der Praxis und der Kennzeichnung wird vermutet, dass die Ätzwirkung bei Einwirkung von Zementlösung auf die Haut und gleichzeitiger Druckausübung (Knien im frischen Beton) bzw. unter bestimmten Umgebungsparametern (hohe Luftfeuchtigkeit und hohe Temperaturen) erfolgt. Diese Bedingungen werden bei den üblichen Untersuchungen zur Einwirkung von Stoffen auf die Haut nicht berücksichtigt.

Bei der Handhabung von Zement bestand bis 2005 für den Verwender noch eine weitere, wesentlich größere Gefahr: eine durch Zement verursachte Allergie. Als "Maurerkrätze" werden alle durch Zement verursachten Ekzeme bezeichnet, wobei nicht zwischen

  • allergischen (durch das im Zement enthaltene Chrom(VI) verursacht) und
  • irritativen (durch die Alkalität des Zementes sowie Zement- und Sandbestandteile verursachte Verletzungen)

Erkrankungen unterschieden wird. Statistiken der skandinavischen Länder und der ehemaligen DDR kann allerdings entnommen werden, dass 90 % der durch Zement verursachten Ekzeme allergischer Natur waren.

Auslöser dieser Allergien waren die im Zement in Spuren enthaltenen wasserlöslichen Chrom(VI)-Verbindungen (auch als Chromat bezeichnet). Das Chromat entsteht beim oxidativen Brennen der Rohstoffe aus den enthaltenen Chrombestandteilen. Ermittlungen der Berufsgenossenschaften der Bauwirtschaft Ende der 90er-Jahre haben bei den in Deutschland erhältlichen Portlandzementen einen Chromatgehalt zwischen 3 und 35 ppm ergeben (Kersting, 1994) und damit Ergebnisse früherer Jahre bestätigt (Pisters, 1966).

Durch den dauernden Kontakt mit Chrom(VI)-Ionen gelangen diese durch die Haut in den Körper. Hier wird das Chrom(VI)- zum Chrom(III)-Ion reduziert, dem sogenannten Hapten. Das Hapten bildet zusammen mit einem körpereigenen Protein das für die Sensibilisierung verantwortliche Antigen. Die Sensibilisierung ist abhängig von der Menge und der Dauer der Exposition, also von der Konzentration der Chromat-Ionen im Zement und der Dauer des Umgangs mit Zement.

Der Einsatz von chromatarmen Zementen stellt für die Verarbeiter keine Veränderung der Arbeitsweise dar. In den meisten Fällen werden die Produkte auch so schnell verbraucht, dass die abnehmende Wirksamkeit der Reduktionsmittel keine Rolle spielt. Anhand der Historie...

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