Zusammenfassung

 
Begriff

Steh-Sitz-Dynamik ist der Wechsel vom Stehen zum Sitzen mit dem Ziel, die einseitige Belastung durch langes Stehen zu vermeiden. "Die Füße in den Bauch stehen" bringt es auf den Punkt. Sei es am Fließband, am Produktionsarbeitsplatz oder beim Standdienst auf Messen: zu viel ist ungesund. Steh-Sitz-Dynamik will den langen Stehphasen durch kurze Erholungspausen entgegenwirken, z. B. durch Einnahme vom Sitzpositionen oder Abstützen des Gesäßes. Der Begriff ist nicht mit Sitz-Steh-Dynamik zu verwechseln. Sitz-Steh-Dynamik ist der häufige Wechsel zwischen Sitzen, Stehen und Bewegen bei der Büroarbeit mit dem Ziel, die einseitige Belastung durch langes Sitzen zu vermeiden. Gemeinsam ist beiden Begriffen: "der Wechsel macht´s". Nicht nur Dauersitzen, sondern auch langes Stehen ist ungesund. Beide ergonomische Ansätze betrachten den Gesamtprozess aus Verhältnissen, Verhalten, Prozessen und System im Sinne der Systemergonomie.

 
Gesetze, Vorschriften und Rechtsprechung

Der Arbeitgeber muss bereits bei der Einrichtung und Inbetriebnahme gemäß § 5 Arbeitsschutzgesetz, § 3 Arbeitsstättenverordnung und § 3 Betriebssicherheitsverordnung eine Gefährdungsbeurteilung durchführen und dabei folgende für das Stehen relevante Gefährdungen berücksichtigen:[1]

  1. die Gebrauchstauglichkeit von Arbeitsmitteln einschließlich der ergonomischen, alters- und alternsgerechten Gestaltung,
  2. die sicherheitsrelevanten – einschließlich der ergonomischen – Zusammenhänge zwischen Arbeitsplatz, Arbeitsmittel, Arbeitsverfahren, Arbeitsorganisation, Arbeitsablauf, Arbeitszeit und Arbeitsaufgabe,
  3. die physischen und psychischen Belastungen der Beschäftigten, die bei der Verwendung von Arbeitsmitteln auftreten.

Weitere relevante Rechtsquellen sind:

  • Anhang 3.1 ArbStättV: Es muss ausreichend Bewegungsfläche am Arbeitsplatz oder ersatzweise in der Nähe zur Verfügung stehen.
  • Anhang 3.3 Abs. 2 Satz 1 ArbStättV: "Kann die Arbeit ganz oder teilweise sitzend verrichtet werden oder lässt es der Arbeitsablauf zu, sich zeitweise zu setzen, sind den Beschäftigten am Arbeitsplatz Sitzgelegenheiten zur Verfügung zu stellen. Können aus betriebstechnischen Gründen keine Sitzgelegenheiten unmittelbar am Arbeitsplatz aufgestellt werden, obwohl es der Arbeitsablauf zulässt, sich zeitweise zu setzen, müssen den Beschäftigten in der Nähe der Arbeitsplätze Sitzgelegenheiten bereitgestellt werden."
  • Das Arbeitszeitgesetz sieht bei mehr als 6 Stunden Arbeit 30 Minuten Pause in 2 Zeitblöcken zu 15 Minuten vor. Die ASR A4.2 "Pausen- und Bereitschaftsräume" enthält Vorgaben im Hinblick auf die Lage und die Gestaltung von Pausenräumen.
[1] Siehe hierzu Anlage 2.2 TRBS 1151.

1 Zuviel ist ungesund

So wichtig die Aufrichtung des Menschen für seinen Fortbestand war, ist er bis heute zum Bewegen konzipiert. Stehen an sich ist – genauso wie das Sitzen – nicht das Problem. Lediglich die Zwangshaltung und das Dauerstehen bzw. -sitzen widersprechen dem physiologischen Lebensprinzip "Bewegung". Das ist keine neue Erkenntnis, denn bereits 1900 wurde für Verkaufspersonal die Einrichtung von Sitzgelegenheiten angeordnet.

1.1 Folgen von langem Stehen

Die Aussage "sich die Füße in den Bauch stehen" bringt am besten zum Ausdruck, dass langes Stehen nicht gesund ist. Die Folgen von langem Stehen sind:

  • Muskelverspannungen,
  • erschlaffte Muskeln,
  • fehlende Stützkraft,
  • Blutstau in den Beinvenen,
  • geschwollene Füße und Beine,
  • Krampfadern,
  • Spreiz-, Senk- oder Plattfuß,
  • Absenken der inneren Organe.

Im schlimmsten Fall kann eine betroffene Person den Beruf nicht mehr ausüben.

1.2 Physiologie des Stehens

Das Stehen ist ein ganzheitliches Zusammenspiel aller Elemente des Körpers.

Die tragenden Rollen spielen

  • das Skelett – der feste Rahmen – und
  • die Gelenke, die das Skelett beweglich aber auch instabil machen.

Stabil wird das System durch Sehnen, Bänder und Muskeln. Gesteuert wird es durch das Gehirn, das meist unbewusst und permanent ausbalanciert.

Diese Hardware funktioniert jedoch nur mit dem versorgenden Betriebssystem: Der Muskelpumpe. Sie funktioniert nur, wenn wir uns bewegen. Beim Stehen fallen aber die Waden- und Bauchmuskeln aus. Die Eigenaktivität der Gefäße und die Venenklappen können das nur bedingt für eine gewisse Zeit kompensieren.

Die Folge ist, dass das Herz als Hauptakteur des Kreislaufs mehr pumpen muss. Der wichtigste Verbraucher, das Gehirn, erhält weniger Sauerstoff und so sinkt die Leistungsfähigkeit. Letzteres betrifft nicht nur den Mitarbeiter, sondern hat Auswirkungen auf die Produktivität – und damit wirtschaftliche Bedeutung für das Unternehmen.

Sitz- oder Stehlast muss durch Bewegungslust ersetzt werden, denn nur so

  • findet die Ernährung des gesamten Körpers über die Durchblutung auf Dauer ausreichend statt,
  • werden die Gelenke geschmiert und die Bandscheiben versorgt,
  • können die Füße ihre Dämpfungs- und Federfunktion wahrnehmen.

2 Präventionsmaßnahmen mit Steh-Sitz-Dynamik

Steh-Sitz-Dynamik ist überall dort anzuwenden, wo die Belastung durch langes Stehen zu finden ist, also in Produktion, Verkauf, in Thekenberufen sowie bei Dienstleistungen, die im Stehen erbracht werden, z. B. Friseur oder am OP-Tisch.

Die ...

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