Anstellung bei Jobcenter spricht gegen Rechtsanwaltszulassung

Eine Juristin, die juristische Aufgaben aus dem Bereich der Geschäftsführung bei einem Jobcenter wahrnimmt und dieses auch in gerichtlichen Verfahren vertritt, kann nicht als Rechtsanwältin und damit auch nicht als Syndikus­rechts­anwältin zugelassen werden. Dies entschied der Anwaltsgerichtshof Nordrhein-Westfalen.

Der Anwaltsgerichtshof beschäftigte sich mit dem Fall einer Juristin, die seit 2006 als Rechtsanwältin zugelassen ist und 2016 ihre Zulassung als Syndikusrechtsanwältin beantragte.

Juristin in Jobcenter beantragte Zulassung als Syndikusrechtsanwältin

Die Juristin ist seit einigen Jahren bei einer städtischen Tochtergesellschaft angestellt, die Aufgaben der kommunalen Beschäftigung wahrnimmt. Aufgrund einer Abordnung wird die Juristin beim Jobcenter Arbeit und Grundsicherung (AGL) einer Stadt im Rheinland tätig. Dort klärt sie Rechtsfragen, namentlich aus dem Bereich des allgemeinen Zivilrechts und des Sozialrechts, und setzt die sich daraus ergebenden Konsequenzen in den Teams der AGL um. Außerdem berät sie die Geschäftsführung in Angelegenheiten der Personalvertretung und des Arbeitsrechts, insbesondere im Zusammenhang mit Kündigungen und Abmahnungen anderer Beschäftigter. Sie verhandelt und gestaltet Dienstvereinbarungen. Auch die Prüfung und Gestaltung von Miet-, Reinigungs-, Wartungs- und Versicherungsverträgen obliegt ihr. Sofern darüber Verhandlungen mit Unternehmen oder deren Vertretern, etwa Rechtsanwälten, notwendig sind, werden sie von der Juristin in eigener Verantwortung geführt - einschließlich des Abschlusses außergerichtlicher Vergleiche.

Im Jahr 2016 beantragte sie neben ihrer Rechtsanwaltszulassung, über die sie schon seit 2006 verfügte, eine Zulassung als Syndikusrechtsanwältin. Im August 2016 entschied die im vorliegenden Verfahren beklagte Rechtsanwaltskammer für den Oberlandesgerichtsbezirk Köln, die Juristin als Syndikusrechtsanwältin zuzulassen.

Deutsche Rentenversicherung klagte gegen Zulassung

Gegen diesen Zulassungsbescheid klagte die Deutsche Rentenversicherung DRV aus Berlin, die die Auffassung vertrat, dass die Juristin die Voraussetzung für diese Zulassung nicht erfülle.

Die Zulassung als Syndikus-Rechtsanwältin sei nicht mit § 46 Abs. 5 BRAO vereinbar. Danach ist die Beratungs- und Vertretungsbefugnis des Syndikus grundsätzlich auf Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers beschränkt und erfasst darüber hinaus lediglich die weiteren in Nummern 1 bis 3 genannten Sondersachverhalte. Die (jedenfalls dauerhafte) Erbringung der vertraglich geschuldeten Tätigkeit nicht beim Vertragspartner, also dem Arbeitgeber, sondern bei einem Dritten, sei darin nicht erwähnt. Für sonstige Dritte, auch im Rahmen der Arbeitnehmerüberlassung, dürfe der Syndikus daher nicht tätig werden.

Selbst wenn man das beiseite lasse, müssten die Voraussetzungen einer anwaltlichen Tätigkeit sowohl beim Arbeitgeber als auch beim Leistungsempfänger vorliegen, zumal dieser auch das Direktionsrecht ausübe. Die Voraussetzungen des § 46 Abs. 3 BRAO (fachliche Unabhängigkeit und Eigenverantwortlichkeit) lägen aber, wie sich schon aus der Tätigkeitbeschreibung ergebe, nicht vor. Auch sei die Befugnis zu verantwortlichem Auftreten nach außen nicht gegeben. Eine entsprechende Befugnis setze zumindest eine von Arbeitgeberseite erteilte Vollmacht voraus, die als Syndikus gefertigten Schreiben und Schriftsätze nach innen und außen verantwortlich zu zeichnen. Eine solche Vollmacht liege im konkreten Fall nicht vor.

Urteil: Zulassung als Rechtsanwältin und Syndikusanwältin zu versagen

Der Anwaltsgerichtshof bestätigte die Auffassung der DRV und entschied, dass bereits die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu versagen gewesen wäre. Bereits deswegen könne sie nicht als Syndikusrechtsanwältin zugelassen werden. In dem vor dem Anwaltsgerichtshof anhängigen Verfahren war allerdings nur über die Zulassung zur Syndikusrechtsanwältin zu entscheiden.

Die Juristin übe derzeit Tätigkeiten aus, die mit dem Beruf des Rechtsanwalts, insbesondere seiner Stellung als unabhängiges Organ der Rechtspflege, nicht vereinbar sein. Für das rechtsuchende Publikum dürften keine Zweifel an der Unabhängigkeit und Kompetenz des Rechtsanwalts entstehen.

"Staatsnähe" spricht gegen Rechtsanwaltstätigkeit

Die Anstellung eines Anwalts im öffentlichen Dienst könne wegen einer damit verbundenen "Staatsnähe" mit dem Berufsfeld des freien Rechtsanwalts nicht zu vereinbaren sein. Ob der Gesichtspunkt der "Staatsnähe" auch in einem konkreten Fall die Versagung der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft rechtfertigt oder ob die Beschränkung der Berufswahlfreiheit für den Betroffenen unzumutbar ist, hängt von der Würdigung der Umstände des Einzelfalles unter Berücksichtigung der Verhältnismäßigkeit ab: Der öffentliche Dienst ist weit gefächert, seine vielfältigen Anforderungen und Dienstleistungen verlangen eine differenzierte Bewertung, so auch schon das Bundesverfassungsgericht (Urteil v. 23.8.2013, 1 BvR 2912/11). Die Rechtsprechung wird dem gerecht, indem sie auf die Art des Aufgabenbereichs und die Bedeutung der Anstellungskörperschaft abstellt. Es wird zur Bejahung des Versagungsgrundes verlangt, dass aus Sicht des rechtssuchenden Publikums wenigstens die Möglichkeit besteht, die Unabhängigkeit des Rechtsanwalts sei durch Bindungen an den Staat beeinträchtigt.

Verwaltungstätigkeit beeinträchtigt rechtsanwaltliche Unabhängigkeit

Grundsätzlich ist ein Angestelltenverhältnis im öffentlichen Dienst mit der Tätigkeit eines Rechtsanwaltes nicht zu vereinbaren, wenn es die Repräsentation einer staatlichen Stelle nach außen mit sich bringt - wie etwa Prozessvertretungen. Dadurch könnte durchaus der Eindruck entstehen, dass die Juristin jedenfalls im juristischen Bereich des Sozialrechts "das Sagen hat", was wiederum die naheliegende Gefahr begründet, dass Mandanten der Antragstellerin oder deren Gegner sich vorstellen werden, die insoweit durchaus herausgehobene Stellung der Juristin bei der AGL und die damit womöglich verbundenen Kontakte zu anderen Stellen könnten die Juristin in die Lage versetzen, mehr für ihre Mandanten zu bewirken als andere Rechtsanwälte. Die konkrete Verwaltungstätigkeit der Juristin würde in den Augen der Rechtssuchenden deren anwaltliche Unabhängigkeit beeinträchtigen, so der Anwaltsgerichtshof Nordrhein-Westfalen (Urteil v. 28.4.2017, 1 AGH 66/16).