Elementarschäden: Neue Diskussion um Pflichtversicherung

Der Bundesrat ist pro Pflichtversicherung gegen Elementarschäden an Gebäuden, die Regierung wehrt sich gegen ein Gesetz. Auch Rechtsexperten und Verbände aus der Immobilienbranche sind sich uneins. Im Juni beraten die Länder mit dem Kanzler.

Über eine bundesweite Pflichtversicherung gegen Elementarschäden an Gebäuden wird seit Jahren diskutiert. Nach den jüngsten Überschwemmungen und verheerenden Hochwasserschäden in Teilen Deutschlands lebt die Diskussion gerade wieder auf. Am 20. Juni werden die Länder mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) darüber beraten, wie eine Sprecherin des Bundesjustizministeriums der "Augsburger Allgemeinen" am 22.5.2024 bestätigte.

Elementarschadenpflichtversicherung: Anhörung im Bundestag

In der Ampel-Regierung spricht sich Justizminister Marco Buschmann (FDP) gegen die Einführung einer Pflichtversicherung gegen Elementarschäden aus, SPD und Grüne sind grundsätzlich offen dafür. Ein Antrag der CDU/CSU-Fraktion war am 11.3.2024 in einer öffentlichen Anhörung im Rechtsausschuss des Bundestags.

Für die Hauseigentümerseite war Dr. Kai Warnecke, Präsident von Haus & Grund Deutschland, eingeladen. Er begrüßte die Idee der Union, die Versicherungsquote zu erhöhen und den Staat als Rückversicherer in einem risikobezogenen Prämiensystem zu etablieren. In den Mittelpunkt der Diskussion müsse allerdings der Präventionsgedanke gerückt werden, sagte Warnecke, der auf Vorschlag der FDP-Fraktion teilnahm.

Antrag CDU/CSU: Elementarschadenversicherung fit für die Zukunft machen

Anhörung im Rechtsausschuss: Sachverständigenliste und Stellungnahmen

Bundesrat fordert Pflichtversicherung gegen Elementarschäden

Der Bundesrat hatte wegen der Zunahme extremer Unwetter am 31.3.2023 einstimmig beschlossen, dass eine Pflichtversicherung gegen Elementarschäden bundesweit gelten muss. Die Länderkammer forderte die Bundesregierung auf, ein Gesetz auf den Weg zu bringen. Koalitionspartner befürchten aber eine zu hohe Belastung für Hauseigentümer und für Mieter.

Der Vorstoß sei in der derzeitigen wirtschaftlichen Situation vollkommen unangebracht, sagte die rechtspolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion, Katrin Helling-Plahr, damals den Zeitungen der Funke Mediengruppe. "Diese Pflichtversicherung würde die Kosten für Wohnraum erheblich erhöhen." Sie verwies darauf, dass die Versicherungsprämien an den stark steigenden Baukostenindex gekoppelt seien. Es sei naiv zu glauben, dass diese Prämien nicht auf die Mieter umgelegt würden

Die Belastung im Schadensfall sei um ein Vielfaches höher und könne – wie die Flut im Sommer 2021 gezeigt habe – teilweise sogar existenzbedrohend sein, schreibt wiederum der Bundesrat in seiner Entschließung.

Entschließung "Bundesweite Einführung einer Elementarschaden-Pflichtversicherung"

Pflichtversicherung: Keine verfassungsrechtlichen Bedenken

"Der Bundesrat stellt fest, dass die Versicherung von privaten Gebäuden gegen Elementarschäden noch nicht ausreichend ist und Handlungsbedarf besteht", heißt es in dem Beschluss der Länderkammer. Bundesweit verfügt demnach nur rund die Hälfte der privaten Eigentümer von Wohngebäuden in Deutschland über eine Elementarschadenversicherung.

Die Einführung einer Versicherungspflicht innerhalb eines vom Gesetzgeber auszugestaltenden Korridors sei verfassungsrechtlich nicht ausgeschlossen. Zuvor hatten die Justizminister der Länder geprüft, ob eine Versicherungspflicht verfassungsgemäß wäre und dies bejaht – "insbesondere wenn substantielle Selbstbehalte oder vergleichbare Instrumente vorgesehen werden, die zudem versicherungsinhärent zur Vermeidung von Fehlanreizen hinsichtlich der Eigenvorsorge sachgerecht erscheinen."

Der Beschluss der Länderkammer ging auf eine Initiative von Nordrhein-Westfalen (NRW) zurück. Regierungschef Hendrik Wüst (CDU) erinnerte bei der Sitzung im März 2023 an die Hochwasserkatastrophe an der Ahr im Jahr 2021 mit vielen Toten und immensen Sachschäden – auch an Immobilien.

Pflichtversicherung – was heißt das für Eigentümer?

Auch bei verfassungskonformer Umsetzung hätte eine Pflichtversicherung laut dem Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) enge Grenzen.

Die Prämien für Elementarschadenversicherungen orientieren sich an der sogenannten Gefährdungsklasse des jeweiligen Gebäudes. In der niedrigsten Stufe gibt es Versicherungen für weniger als 100 Euro, wie aus Daten der Stiftung Warentest und Vergleichsportalen hervorgeht. In der höchsten Klasse können Prämien von mehreren hundert Euro pro Jahr anfallen. Oft übernehmen Versicherer demnach nicht das vollständige Risiko. Es könnten hohe Selbstbehalte anfallen.

Beim Risiko landen zum Beispiel Häuser in Gegenden, in denen es mindestens einmal in zehn Jahren zu Hochwasser kommt, in der höchsten Gefährdungsklasse. Bei Starkregen werden Gebäude im Tal in der Nähe eines Baches in die teuerste Klasse eingestuft. Wie hoch die tatsächlichen Mehrkosten für Eigentümer wären, hienge laut GDV also auch von der Ausgestaltung des Gesetzes ab.

Gebäude: Warum Elementarschäden versichern?

Eine Gebäudeversicherung zahlt Sturmschäden am Haus, etwa abgedeckte Dächer, und kommt auch für Folgeschäden auf, wenn zum Beispiel durch das vom Sturm beschädigte Dach Regen eindringt und Wände oder Fußböden beschädigt werden. Schäden durch Grundwasser, Hochwasser oder Regen – wie vollgelaufene Keller – sind in der Regel nicht versichert. Nur, wenn auch Elementarschäden abgesichert wurden, besteht umfassender Versicherungsschutz.

Mit einer Elementarschadenversicherung können sich Hausbesitzer vor den finanziellen Folgen extremer Naturgefahren wie Starkregen, Überschwemmung oder Hochwasser schützen.

Die Ökonomen Clemens Fuest und Marcel Thum vom Ifo-Institut in München sehen das Hauptargument für eine Pflichtversicherung im Samariterdilemma des Staates: Ist ein Elementarschaden eingetreten und sind die betroffenen Gebäude nicht versichert, werden Steuergelder locker gemacht. "In der Abwägung zwischen teurer Versicherung und dem Risiko, unversichert einen Schaden zu erleiden, fällt die Entscheidung oft gegen eine Versicherung aus", so Fuest und Thum – und das umso eher, je größer die staatliche Hilfe sei. Die Resilienz gegenüber Unwettern würde sich durch eine so ausgestaltete Pflichtversicherung erhöhen.

Versicherer: Unwetter richten Milliardenschäden an

Durch Sturm, Hagel und Starkregen sind im vergangenen Jahr versicherte Schäden von insgesamt 5,7 Milliarden Euro entstanden – 1,7 Milliarden Euro mehr als 2022, wie GDV-Hauptgeschäftsführer Jörg Asmussen am 27.5.2024 mitteilte.

Auch in den vergangenen Monaten haben Unwetter in Deutschland wieder erhebliche Schäden verursacht. Diese Summe floss aber nicht in die nun vorgestellte Bilanz ein. Zur Forderung nach der Einführung einer Pflichtversicherung für Elementarschäden sagte Asmussen nun, das die als alleiniges Mittel niemandem helfe – weder Hauseigentümern noch Ländern und Kommunen. Der Fokus beim Schutz vor Naturgefahren müsse auf der Klimaanpassung liegen.

Dem Verband zufolge sind im Bundesdurchschnitt 54 Prozent aller Wohnhäuser gegen alle Naturgefahren versichert – und nicht nur gegen einzelne Wetterphänomene wie Sturm und Hagel. Die sogenannte Versicherungsdichte sei 2023 innerhalb Jahresfrist bundesweit um zwei Prozentpunkte gestiegen.


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dpa
Schlagworte zum Thema:  Versicherung, Gebäude, Hochwasser