EuGH-Vorlage zum Vorsteuerausschluss

Der BFH legt dem EuGH die Frage vor, ob die unternehmerische Mindestnutzung für den Vorsteuerabzug auch für den Fall der Nutzung durch eine juristische Person des öffentlichen Rechts im Rahmen ihrer nichtwirtschaftlichen Tätigkeit gilt.

Hintergrund

Die Entscheidung betrifft die vom EuGH entwickelte "Sphärentheorie". Danach ist neben dem wirtschaftlichen (unternehmerischen -I-) und dem privaten (nichtunternehmerischen, unternehmensfremden -II-) Bereich eine nichtwirtschaftliche (nicht völlig unternehmensfremde -III-) Sphäre anzuerkennen (EuGH-Urteil VNLTO, C-515/07), z.B. - wie hier - die hoheitliche Tätigkeit einer juristischen Person des öffentlichen Rechts oder der ideelle Bereich eines Vereins.  Früher wurden für den Vorsteuerabzug allgemein zwei unterschiedliche Verwendungszwecke (Bereiche, Sphären) unterschieden: Eine Nutzung für Zwecke des Unternehmens (I) und eine Verwendung für nichtunternehmerische Zwecke, wobei Letzteres die nichtwirtschaftlichen Tätigkeiten (III) und die privaten Zwecke (II) umfasste. Aufgrund des EuGH-Urteils VNLTO wird jedoch vertreten, dass der Begriff des Unternehmens die wirtschaftlichen (I) und auch die nichtwirtschaftlichen (III) Tätigkeiten umfasst. Daher sei der Ausschluss des Vorsteuerabzugs (§ 15 Abs. 1 Satz 2 UStG) nur in den Fällen zugelassen, in denen der angeschaffte Gegenstand zu mehr als 90 % für private (unternehmensfremde -II-) Zwecke verwendet wird. Dieser nach nationalem Recht geltende Ausschluss des Vorsteuerabzugs sei jedoch nicht von der unionsrechtlichen Ermächtigung (Entscheidung des Rates v. 19.11.2004, 2004/817/EG) gedeckt, soweit er auch bei Verwendung im nichtwirtschaftlichen Bereich (III) eingreife.

Im Streitfall ging es um den anteiligen Vorsteuerabzug eines Landkreises beim Erwerb von Arbeitsmaschinen, die er in seinem Straßenbaubetrieb als Träger der Straßenbaulast im Rahmen hoheitlicher Aufgaben (III) und daneben zu 2,65 % zur Erbringung steuerpflichtiger Leistungen (I) gegenüber Dritten nutzte.

Der Landkreis machte aus der Anschaffung anteilig zu 2,65 % den Vorsteuerabzug geltend. Dem widersprach das FA, da die Maschinen nicht - wie nach § 15 Abs. 1 Satz 2 UStG vorausgesetzt - zu mindestens 10 % für das Unternehmen des Landkreises genutzt worden seien. Auch das FG vertrat die Auffassung, dass die 10 %-Grenze anzuwenden sei. Der Landkreis hält die Versagung des Vorsteuerabzugs für unionsrechtswidrig. Der nationale Gesetzgeber sei nicht ermächtigt worden, den (anteiligen) Vorsteuerabzug auch für den Fall auszuschließen, dass - wie hier - ein Gegenstand zu mehr als 90 % für nichtwirtschaftliche Tätigkeiten (III) verwendet werde, die nicht als unternehmensfremd angesehen werden könnten.

Entscheidung

Soweit der Landkreis die angeschafften Maschinen zu 97,35 % für seine hoheitlichen Aufgaben (III) verwendete, ist der Vorsteuerabzug zwingend ausgeschlossen, da die im Rahmen der öffentlichen Gewalt ausgeübten hoheitlichen Tätigkeiten nicht von der Mehrwertsteuer erfasste nichtwirtschaftliche Tätigkeiten darstellen.

Soweit die Maschinen - zu 2,65 % - unmittelbar für die besteuerten Umsätze (I) eingesetzt wurden, steht dem Landkreis jedoch (grundsätzlich) ein Vorsteuerabzugsrecht zu. Der BFH sieht es als zweifelhaft an, ob die unionsrechtliche Ermächtigung zum Vorsteuerausschluss bei einer unternehmensfremden Nutzung zu mehr als 90 % auch den Fall abdeckt, dass ein Gegenstand zu mehr als 90 % für nichtwirtschaftliche Tätigkeiten, die nicht in den Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer fallen (hier die hoheitlichen Tätigkeiten -III-) verwendet wird. Denn nach dem Wortlaut betrifft die Ermächtigung - Entscheidung des Rates v. 19.11.2004 - (nur) die Nutzung für private Zwecke des Steuerpflichtigen oder seines Personals oder allgemein für unternehmensfremde Zwecke (I).

Hinweis

Dem Vorlagebeschluss ist wohl zu entnehmen, dass der BFH der Auffassung zuneigt, dass der Begriff des Unternehmens auch die nichtwirtschaftlichen, aber nicht unternehmensfremden Tätigkeiten (III) umfasst. Die Revision des Landkreises wäre danach begründet.

Der BFH hat das Verfahren bis zu einer Entscheidung des EuGH ausgesetzt. Der Problematik kommt jedenfalls weitreichende Bedeutung zu. Für vergleichbare Fälle bleibt die Entscheidung des EuGH abzuwarten.

BFH, Beschluss v. 16.6.2015, XI R 15/13, veröffentlicht am 22.7.2015

Schlagworte zum Thema:  Vorsteuerabzug, Umsatzsteuer