Begründet Bevorratung von Lebensmitteln einen Mehrbedarf?

Das Landessozialgericht Hessen hatte zu entscheiden, ob die empfohlene (Not-)Bevorratung von Lebensmitteln für 10 bis 14 Tage in Zeiten der Corona-Pandemie zu einem unausweichlichen bzw. unabweisbaren Bedarf im Sinne des Sozialhilferechts führt.

Ein schwerbehinderter Sozialhilfeempfänger aus dem Werra-Meißner-Kreis beantragte Ende März 2020 eine sofortige Pandemie-Beihilfe in Höhe von 1.000 EUR sowie eine Erhöhung der Regelleistung um monatlich 100 EUR. Er könne wegen seiner chronischen Erkrankung und der Gehbehinderung nicht einkaufen gehen und sei auf Lebensmittellieferungen angewiesen. Sein Vorrat reiche nur für vier Wochen. Aufgrund der Corona-Pandemie sei absehbar, dass die Versorgung mit Lebensmitteln und Hygieneartikeln auch in Deutschland bald zusammenbrechen werde. Die offiziell empfohlene Bevorratung sei ihm aufgrund seiner finanziellen Lage nicht möglich.

Sozialhilfeträger lehnt Mehrbedarf ab

Der Werra-Meißner-Kreis lehnte den Antrag auf Mehrleistungen ab. Eine Bevorratung sei nicht nötig. Ein örtliches Helfersystem unterstütze Bedürftige bei der Beschaffung von Lebensmitteln. Daraufhin beantragte der Sozialhilfeempfänger den Erlass einer einstweiligen gerichtlichen Anordnung.

LSG: Empfohlene Bevorratung begründet keinen Mehrbedarf

Die Richter beider Instanzen lehnten den Antrag ab. Ein akuter Mehrbedarf liege nicht vor. Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe empfehle zur Vorsorge für Notsituationen lediglich eine Bevorratung für 10 bis 14 Tage. Von einer Bevorratung größerer Mengen werde hingegen ausdrücklich abgeraten. Eine Gefährdung der Lebensmittelversorgung sei aufgrund der aktuellen Ereignisse auch nicht zu erwarten.

Zwar könne es bei der Zustellung einzelner Produkte zu einer Verzögerung um wenige Tage kommen. Konkrete Hinweise auf schwerwiegende Störungen der Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln und Hygieneartikeln – auch im Rahmen von online-Lieferdiensten – bestünden derzeit jedoch nicht.

Es sei zudem nicht erkennbar, dass der Sozialhilfeempfänger die Kosten für die empfohlene Bevorratung aus den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln nicht erbringen könne. Schließlich habe er sich bereits für die Dauer von vier Wochen Vorräte angelegt. Ergänzend verwiesen die Richter darauf, dass aufgrund der Corona-Pandemie einige im Regelbedarf enthaltene Kosten – z.B. für Freizeit, Unterhaltung, Kultur, für Verkehr und für Beherbergungs- und Gaststättendienstleistungen - derzeit nicht oder lediglich eingeschränkt anfielen.

Hinweis: Hessisches Landessozialgericht, Beschluss v. 7.5.2020, L 4 SO 92/20 B ER


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PM Hessisches Landessozialgericht
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