Befristete Sonderregelung beim ALG I verfassungsgemäß

Im Rahmen des Sozialschutz-Pakets II wurde die Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes I (ALG I) verlängert - und zwar um drei Monate für diejenigen, deren Anspruch zwischen dem 1.5. und 31.12.2020 endete. Diese Begrenzung verstößt nicht gegen Verfassungsrecht, wie das Hessische Landessozialgericht (LSG) nun entschieden hat. 

Einem Versicherten war Arbeitslosengeld vom 30.1.2020 bis zum 28.1.2021 gewährt worden. Im Januar 2021 beantragte er gegenüber der Bundesagentur für Arbeit wegen der Auswirkungen der Corona-Pandemie auf den Arbeitsmarkt Arbeitslosengeld noch bis Ende April. Nachdem die Bundesagentur seinen Antrag abgelehnt hatte, beantragte der arbeitslose Mann eine einstweilige gerichtliche Anordnung.

LSG lehnt einstweilige Anordnung ab

Die Richter beider Instanzen lehnten es ab, die Bundesagentur durch einstweilige Anordnung zur Zahlung von Arbeitslosengeld für weitere drei Monate zu verpflichten. Die Dauer des Anspruchs auf Arbeitslosengeld richte sich grundsätzlich nach der Dauer der Vorversicherungszeit und dem Lebensalter. Die tatsächlichen individuellen Vermittlungschancen blieben dagegen ebenso unberücksichtigt wie die aktuelle Situation auf dem Arbeitsmarkt. Auf die mit der Corona-Pandemie einhergehende Änderung der tatsächlichen Verhältnisse komme es daher nicht an.

Drei Monate mehr Arbeitslosengeld nur bei Anspruchsende noch im Jahr 2020

Da der Arbeitslosengeldanspruch des Versicherten erst nach dem 31. Dezember 2020 ausgelaufen sei, resultiere auch aus der vorübergehenden Sonderregelung kein Leistungsanspruch über weitere drei Monate. Diese Vorschrift sei auf Personen, deren Anspruch auf Arbeitslosengeld erst im Jahr 2021 ausgelaufen sei, nicht analog anzuwenden.

Gestaltungsfreiraum des Gesetzgebers nicht überschritten

Die Sonderregelung verstoße nicht gegen Verfassungsrecht. Der Gesetzgeber habe den ihm zustehenden Gestaltungsspielraum nicht überschritten. Er sei nicht verpflichtet, stets die optimale Lösung zu finden. Die Befristung der Leistungsverlängerung sei insbesondere nicht willkürlich, da für sie Sachgründe von hinreichendem Gewicht vorlägen. So sei es ein anerkanntes öffentliches Interesse, die Finanzierung der gesetzlichen Arbeitslosenversicherung zu sichern. Die geschätzten 2 Mrd. EUR an zusätzlichen Kosten aufgrund der Sonderregelung wirkten sich bereits potentiell auf den Beitragssatz aus. Auch sei zu berücksichtigen, dass sich die Pandemie zu Beginn am stärksten auf die Beratungs- und Vermittlungstätigkeit der Bundesagentur ausgewirkt habe.

Pandemiebedingte Verlängerung ist keine Gegenleistung für Beitragszahlungen

Schließlich könne sich der Versicherte nicht erfolgreich darauf berufen, dass die Anwartschaften aus der gesetzlichen Arbeitslosenversicherung - als Äquivalent eigener Leistung der Berechtigten - verfassungsrechtlich geschützt seien. Denn die pandemiebedingte Verlängerung des Arbeitslosengeldanspruchs um drei Monate sei gerade keine „Gegenleistung“ für eine bestimmte Leistung der Beitragszahler.

Hinweis: Hessisches LSG, Beschluss v. 29.4.2021, L 7 AL 42/21 B ER 
 

Hessisches LSG
Schlagworte zum Thema:  Coronavirus, Arbeitslosengeld I, Verfassungsrecht