Wegen 5 Minuten Verspätung durch mündliche Jura-Prüfung gefallen?

Durchgefallen? Das Bundesverwaltungsgericht hat über die Auslegung einer juristischen Prüfungsregelung entschieden, in der es um Verspätung, Nichterscheinen und Abbruch geht. Es hat einen Weg gefunden, prüfungswillige Kandidaten zu schützen, die wegen 5-minütiger Verspätung durch die mündliche Prüfung fallen sollen.

Die eine oder andere Freudenträne wird der Jurastudentin bei Urteilsverkündung über die Wangen gerollt sein. Jurist oder nicht Jurist, um diese berufliche Zukunftsmöglichkeit ging es in der Entscheidung; denn es war ihr letzter Wiederholungsversuch.

Mit fünf Minuten Verspätung aus der Pause zurück zur mündlichen Prüfung

Den schriftlichen Teil ihres ersten juristischen Staatsexamens hatte sie dieses Mal erfolgreich absolviert. Es war der Tag der zweiteiligen mündlichen Prüfung, der für die junge Frau zur Schicksalsprobe wurde.

  • Sie kam pünktlich im Prüfungsgebäude an,
  • brachte den ersten Prüfungsteil mit dem Aktenvortrag hinter sich
  • und wurde vom Prüfungsausschussvorsitzenden unter Angabe einer Zeit für den Beginn des Prüfungsgesprächs in die Pause entlassen.

Warum sie aus dieser fünf Minuten zu spät zurückkam, konnte sie hinterher selbst nicht mehr richtig erklären. Fakt ist, dass ihr der Zutritt zu dem Raum, in dem die Prüfung ihrer Mitstreiter bereits im Gange war, verweigert wurde. In der Folge wurde die gesamte Prüfung für „nicht bestanden“ erklärt.

In § 20 Abs. 1 JAG NRW (Juristenausbildungsgesetz Nordrhein-Westfalen) heißt es:

„Die staatliche Pflichtfachprüfung ist … für nicht bestanden zu erklären, sobald

  1. ein Prüfling ohne genügende Entschuldigung zu dem Termin für die mündliche Prüfung nicht oder nicht rechtzeitig erscheint oder den Termin nicht bis zum Ende der Prüfung wahrnimmt,

Vorinstanzen entschieden gegen die Jurastudentin

Das VG Minden und das OVG Münster haben den Wortlaut des § 20 Abs. 1 JAG NRW eng ausgelegt. Die Prüfungskandidatin war – ohne eine hinreichende Entschuldigung dafür zu haben - nicht rechtzeitig zu Beginn des Prüfungsgesprächs da, also war die Entscheidung korrekt.

Auch vor dem Hintergrund der schwerwiegenden beruflichen Auswirkungen für die Betroffene (Art. 12 GG) fanden die Instanzrichter keine Gnade. Einen milderen Weg, die vertrackte Situation der Studentin zu handhaben, sahen sie nicht.

BVerwG: nur willentlicher oder provozierter Abbruch ist zu bestrafen

Das BVerwG hingegen fand Ansatzpunkte, um die Gesetzesregelung zu entschärfen. Durch die Brille des Art. 12 Abs.1 GG ist nach Ansicht der Leipziger Richter die landesrechtliche Vorschrift (§ 20 Abs. 1 Nr. 3 Alt. 3 JAG NRW) durch verfassungskonforme Auslegung ausschließlich auf Fälle anzuwenden, in denen

  • ein Prüfling den Termin für die mündliche Prüfung ohne genügende Entschuldigung aus eigenem Entschluss verlässt oder
  • ihm die weitere Teilnahme wegen eines vorwerfbaren Verhaltens zu Recht verweigert wird.

Bestimmtheitsgebot und Verhältnismäßigkeitsprinzip retten die prüfungswillige Jurastudentin

In seiner Begründung wirft das BVerwG

  • das Bestimmtheitsgebot bei Sanktionsnormen
  • und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit

in den Ring. Dem Prüfling muss anhand der Norm ermöglicht werden, sich so zu verhalten, dass er jede Gefahr einer Sanktion vermeidet. Das sei bei § 20 Abs. 1 Nr. 3 Alt. 3 JAG NRW nicht der Fall. In der Konstellation, in der sich ein Prüfungskandidat nur geringfügig verspätet und unbedingt an der Prüfung teilnehmen will, sei die Bestrafung mit dem Nichtbestehens-Verdikt darüber hinaus zu schwer.

(BVerwG, Urteil v. 27.2.2019, 6 C 3.18).

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