Haftung für lockere Schrauben nach dem (Winter-)Reifenwechsel

Nach dem Reifenwechsel sollte der Fahrzeughalter eigenhändig kontrollieren, ob die Montage erfolgreich durchgeführt wurde: Etwa 50 km nach dem Reifenwechsel soll er sich vergewissern, dass die Schrauben noch fest sitzen, sonst trifft ihn, wenn er auf diese Notwendigkeit deutlich hingewiesen wurde, bei einem Unfall infolge gelockerter Muttern ein Mitverschulden.

Im fraglichen Fall hatte die Werkstatt die Reifen wohl nicht
korrekt montiert. Der Fahrzeughalter erlitt auf der Autobahn, nachdem er nach eigenen Angaben ca. 100 km seit dem Reifenwechsel gefahren war, einen Unfall, weil sich das linke Hinterrad löste.

Fahrzeughalter forderte 24.000 EUR Schadensersatz von der Werkstatt

Zwar übernahm die die Vollkasko-Versicherung den Schaden am Fahrzeug. Für die vereinbarter Selbstbeteiligung, geltend gemachte Transportkosten, Wertminderung und Nutzungsausfall klagte der Fahrzeughalter gegen die Werkstatt aber noch auf Schadensersatz in Höhe von 24.000 EUR.

Gericht sprach ihm lediglich 5.900 EUR zu

Auf der Rechnung stand ein  Hinweis darauf, dass die Radmuttern nach 50 km nachzuziehen wären, der Hinweis war auch ausreichend kenntlich gemacht, er befand sich deutlich sichtbar und eingerückt unterhalb der durchgeführten Arbeiten. Der Fahrzeughalter räumte ein, dass er die Rechnung erhalten, abe rnicht näher angeschaut habe.

Ihm  wurde vom Gericht ein 30 %-iges Mitverschulden angelastet, weil er den Hinweis, der laut Zeugenaussagen auch mündlich erfolgt und mit dem Angebot einer Erinnerungsplakette feinherging, nicht befolgt hatte. Hieran ändert auch die Ausführungen des Sachverständigen nichts, wonach aus technischer Sicht ein Nachziehen der Schrauben bei einer ordnungsgemäßen Montage nicht erforderlich sei. 

Hauptschuld am Unfall traf die Werkstatt

Die Hauptschuld traf laut Gericht aber die Werkstatt, weil die Schrauben ursprünglich nicht richtig festgezogen worden seien. Nutzungsausfallentschädigung, Wertminderung und damit verbundenen Kosten für einen Sachverständigen standen dem Fahrzeughalter in Anbetracht der Umstände  des Unfalls nicht zu.
(LG München, Urteil v. 26.10.2020, 10 O 3894/17).

Anmerkung:

Anders hätte die Rechtslage ausgesehen, wenn nur ein ein leicht zu übersehender Hinweis auf der Rechnung und kein mündlicher Hinweis hinsichtlich der Erforderlichkeit des Nachziehens der Radmuttern gegeben worden wäre (LG Heidelberg, Urteil v. 27.07.2011, 1 S 9/10). 

Hintergrund:

Ein Unternehmer, der einen Reifenwechsel durchführt, muss seinen Kunden in der Regel darauf hinweisen, dass die Radschrauben nach 50–100 km nachgezogen werden müssen. Dies stellt kein „Jedermann-Wissen“ dar. Vielmehr erwartet der durchschnittliche Kunde, dass ordnungsgemäß und nach den Herstellerangaben befestigte Räder sich nicht lösen können. Der Unternehmer genügt seiner Hinweispflicht nur, wenn er den Hinweis mündlich erteilt oder dem Kunden einen schriftlichen Hinweis so zugänglich macht, dass unter normalen Verhältnissen mit einer Kenntnisnahme zu rechnen ist.(LG Heidelberg, Urteil v. 27.07.2011, 1 S 9/10).

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Schlagworte zum Thema:  Haftung, Mitverschulden, Verkehrsunfall