BGH stärkt Rechte von Prämiensparern Zinsanpassungsklausel

In Sparverträgen mit variablem Zinssatz müssen Klauseln zu Zinsänderungen für die Sparer transparent und kalkulierbar formuliert sein. Zinsänderungen sind an einem für die Sparer nachvollziehbaren Referenzzins auszurichten.

Mit seinem aktuellen Urteil hat der BGH die Rechte von Prämiensparen erneut gestärkt. Verbraucherschützer bewerten das Urteil als weiteren Etappensieg auf dem Weg zu transparenteren Zinsen. 

Variable Zinsen müssen für den Sparer kalkulierbar sein 

Bereits im Oktober 2021 hatte der BGH in einem Grundsatzurteil entschieden, dass Banken und Sparkassen bei der Festsetzung variabler Zinsen nicht frei sind, sondern sich an der Höhe eines für Sparer transparenten Leitzinses wie dem der Bundesbank orientieren müssen. Für die Sparer besonders wichtig, urteilte der BGH ergänzend, dass die Verjährung für die Rückforderung zu Unrecht erhobener Zinsbeträge erst mit dem Ende des jeweiligen Sparvertrages beginnt (BGH, Urteil v. 6.10.2021, XI ZR 234/20). Das damalige Urteil entfaltete unmittelbare Rechtswirkungen allerdings nur gegen die Sparkasse Leipzig.

Sparkasse von Verbraucherverband verklagt

Mit seinem jetzigen Urteil führt der BGH diese Linie fort. Geklagt hatte ein Verbraucherschutzverband als Musterkläger im Rahmen eines Musterfeststellungsverfahrens gegen die Sparkasse Vogtland als Musterbeklagte. Diese schloss Anfang der 1990er Jahre Prämiensparverträge mit Verbrauchern, die eine variable Verzinsung der Spareinlage vorsahen. Ab dem 3. Sparjahr war eine gestaffelte, verzinsliche Prämie vorgesehen.

Zinserhöhung durch Aushang im Kassenraum

Nach den geschlossenen Sparverträgen waren die von vielen Sparkassen für diese Verträge verwendeten „Bedingungen für den Sparverkehr“ Bestandteil des Sparvertrages. Hiernach gab die Bank den von ihr zu vergütenden Zinssatz „jeweils durch Aushang im Kassenraum“ bekannt. Hierzu heißt es weiter. „Für bestehende Sparanlagen tritt eine Änderung des Zinssatzes, unabhängig von einer Kündigungsfrist, mit der Änderung des Aushangs in Kraft, sofern nichts anderes vereinbart ist“.

Musterfeststellungsklage mit diversen Zielsetzungen

Der Musterkläger verfolgte mit seiner Klage mehrere Ziele. Er machte geltend,

  • die Zinsänderungsklausel sei intransparent und damit unwirksam,
  • er forderte die Festlegung eines Referenzzinssatzes,
  • eine Verpflichtung der Sparkasse zur Anpassung der Zinsen nach der Verhältnismethode anhand des Referenzzinssatzes,
  • ein verpflichtendes monatliches Zinsanpassungsintervall sowie
  • die Feststellung, dass mit Kenntnis der Höhe der vorgenommenen Zinsgutschriften und deren widerspruchslose Hinnahme nicht die Verjährung für etwaige Nachzahlungsansprüche in Gang gesetzt wird.

Klage erstinstanzlich nur teilweise erfolgreich 

Das OLG hatte der Klage nur teilweise stattgegeben und hat insbesondere die Bestimmung eines für die Höhe der variablen Verzinsung maßgeblichen Referenzzinssatzes sowie eine hierauf gründende Verpflichtung zur Beibehaltung des anfänglichen relativen Abstandes des Vertragszinssatzes zum Referenzzinssatz nach der Verhältnismethode abgelehnt. Zur Begründung führte das OLG aus, dass ein Referenzzinssatz im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung nicht bestimmt werden könne, weil nicht auszuschließen sei, dass einzelne Sparverträge individuelle Vereinbarungen enthalten, die die Bestimmung eines Referenzzinssatzes ausschlössen. 

Keine Bindungswirkung für Individualvereinbarungen 

Die insoweit eingelegte Revision des Verbraucherschutzverbandes hatte Erfolg. Der BGH stellte klar, dass vertragliche Individualvereinbarungen im Rahmen der Musterfeststellungsklage nicht berücksichtigt werden müssten. Solche Vereinbarungen hätten lediglich in Klageverfahren zwischen den einzelnen Verbrauchern und der Musterbeklagten Bedeutung. Die Festlegung eines Referenzzinssatzes im Wege einer ergänzenden Vertragsauslegung im Musterfeststellungsverfahren werde hierdurch nicht ausgeschlossen, da die Bindungswirkung des Musterfeststellungsurteils für solche besonderen Einzelfallumstände nach dem Wortlaut des § 613 Abs. 1 ZPO nicht greife.

Festlegung eines Referenzzinssatzes ist interessengerecht

Nach Auffassung des BGH ist es im Ergebnis nach dem Konzept der auf ein langfristiges Sparen angelegten Sparverträge im Sinne der Transparenz für die Sparer interessengerecht, eine Referenz für die Verzinsung der Spareinlagen in Form eines Referenzzinssatzes heranzuziehen. 

Gleicher Abstand zwischen Referenzzins und Vertragszins über die Vertragslaufzeit

Im Rahmen einer solchen ergänzenden Vertragsauslegung ist es nach Auffassung des Senats weiterhin interessengerecht, dass bei Zinsanpassungen der anfängliche relative Abstand des Vertragszinssatzes zum Referenzzinssatz beibehalten wird. Nur dies gewährleiste, dass das Grundgefüge der Vertragskonditionen über die gesamte Laufzeit der Sparverträge erhalten bleibt. Die Folge dieser Verhältnismethode sei, dass sich die absolute Zinsmarge der Sparkasse bei einem Anstieg des Referenzzinssatzes erhöht und bei einem Absinken reduziert. Dieses Ergebnis sei kein Verstoß gegen die Grundsätze des Preisanpassungsrechts, da die Musterbeklagte keinen Einfluss auf die Höhe der Zinsanpassungen habe.

OLG muss Referenzzins festlegen

Im Ergebnis hat der BGH das Musterfeststellungsverfahren zur weiteren Entscheidung über den Referenzzinssatz an die Vorinstanz zurückverwiesen. Die Vorinstanz habe nun die Aufgabe, mit sachverständiger Hilfe einen Referenzzinssatz zu bestimmen. Bei der Bestimmung des Referenzzinssatzes sei zu berücksichtigen, dass es sich bei den Sparverträgen um eine risikolose Anlageform handelt.

(BGH, Urteil v. 24.1.2023, XI ZR 257/21)