Anwaltshaftung: Keine Belehrung über Umfang einer Beurkundung

Rechtsanwälte haben in Fällen einer Vertragsberatung die Pflicht, den Mandanten auf ein mögliches Beurkundungserfordernis hinzuweisen. Die Belehrungspflicht umfasst aber nicht die Einzelheiten einer Beurkundung.

In dem vom LG Bremen entschiedenen Fall hatte eine Baugesellschaft sich von ihrem Anwalt im Vorfeld des Kaufs eines städtischen Grundstücks beraten lassen. Die Gesellschaft beabsichtigte mit dem Erwerbsgeschäft über das Grundstück einen Miet- und Bürgschaftsvertrag mit der Stadt zu verbinden.

Rechtsanwalt fertigte Entwurf des Grundstückskaufvertrags

Drei Tage vor der geplanten notariellen Beurkundung fand die abschließende Beratung des Geschäftsführers der Baugesellschaft in der Rechtsanwaltskanzlei statt. In einem anschließenden Schreiben übersandte der Anwalt der Baugesellschaft den abschließenden Kaufvertragsentwurf und wies darauf hin, dass diesem der abzuschließende Mietvertrag sowie die Bürgschaftserklärung als Anlagen beigefügt werden müssten. Der Kaufvertragsentwurf selbst enthielt eine Bezugnahme auf diese Anlagen und erklärte sie zu einem wesentlichen Bestandteil des Kaufvertrages.

Zusatzverträge nicht ordnungsgemäß beurkundet

Im späteren Notartermin wurde der Kaufvertrag ordnungsgemäß beurkundet, nicht aber die Bürgschaftserklärung und der Mietvertrag. Diese wurden auch nicht im Notartermin gesondert verlesen. Die Eigentumsübertragung scheiterte. In einem gesonderten Verfahren hatte das OLG Bremen den Übertragungsvertrag wegen fehlender Verlesung der Vertragsanlagen und wegen auch im übrigen fehlender notarieller Beurkundung der Zusatzverträge gemäß § 125 BGB insgesamt für nichtig erklärt (OLG Bremen, Urteil v. 15.10.2020, 3 W 24/20).

Rechtsanwalt auf Schadenersatz verklagt

Die Baugesellschaft verklagte daraufhin den beratenden Rechtsanwalt auf Schadenersatz wegen

  • entgangener Mieterträge in Höhe von 1.027.122,29 Euro,
  • Gerichts- und Anwaltskosten in Höhe von 50.469,10 Euro sowie
  • der Rückabwicklungskosten in Höhe von ca. 45.000 Euro.

Klägerin rügt Verletzung anwaltlicher Belehrungspflichten

Die Klägerin vertrat die Auffassung, der Rechtsanwalt habe seine Beratungspflichten verletzt, weil er die Klägerin nicht ausdrücklich auf das Erfordernis der Beurkundung auch des Miet- und des Bürgschaftsvertrages hingewiesen habe. Eine solche Hinweispflicht habe der Anwalt insbesondere deshalb gehabt, weil er in seinem Vertragsentwurf selbst den Miet- und den Bürgschaftsvertrag zu wesentlichen Bestandteilen des Grundstückskaufvertrags gemacht habe.

Anwaltsvertrag verpflichtet zu umfassender Beratung

Das LG verneinte einen Schadensersatzanspruch gegen den Anwalt wegen Verletzung der Pflichten aus dem Anwaltsvertrag gemäß § 280 Abs. 1 BGB in Verbindung mit §§ 611, 675 BGB. Hiernach sei der Rechtsanwalt grundsätzlich zu einer umfassenden und möglichst erschöpfenden Beratung seines Mandanten verpflichtet. Dies umfasse auch die Pflicht, den Mandanten vor vermeidbaren Irrtümern zu bewahren. Nach der Rechtsprechung des BGH müsse der Anwalt im Rahmen der Beratung über ein Vorhaben seinem Auftraggeber einen möglichst sicheren und gefahrlosen Weg vorschlagen (BGH, Urteile v. 19.1.2006, IX 232/01 und v. 23.11.2006, IX 21/03).

Anwalt muss auf Formbedürftigkeit von Verträgen hinweisen

Die Übertragung dieser Grundsätze auf die Beratung im Rahmen eines beabsichtigten Vertragsabschlusses bedeutet nach Auffassung des LG, dass der Anwalt den Mandanten grundsätzlich nicht nur auf die Formbedürftigkeit von Verträgen als solche hinweisen muss, vielmehr müsse er diesem auch die Risiken deutlich machen, die mit einem Vertragsabschluss ohne Beachtung der gesetzlich vorgeschriebenen Form verbunden wären.

Geschäftsführung war Beurkundungserfordernis bekannt

Im konkreten Fall hatte der beklagte Anwalt seinen Mandanten abschließend einige Tage vor dem bereits angesetzten Termin zur notariellen Beurkundung des Grundstückskaufvertrages beraten. Der Geschäftsführer der Klägerin habe also Kenntnis von dem Erfordernis der notariellen Beurkundung gehabt. Ein zusätzlicher Hinweis auf das Erfordernis der notariellen Beurkundung sei damit nicht mehr erforderlich gewesen.

Das „Wie“ der Beurkundung ist Sache des Notars

Hinsichtlich der Art und des Umfangs der Beurkundungspflicht habe der Rechtsanwalt auf die Fachkompetenz des Notars vertrauen dürfen. Insbesondere habe er unterstellen dürfen, dass der Notar die Einzelheiten des Beurkundungserfordernisses von sich aus beachten und dieser den Grundstückskaufvertrag einschließlich der als Vertragsbestandteile beigefügten Anlagen (Mietvertrag und Bürgschaftsvertrag) gemäß § 13 Abs. 1 BeurkG ordnungsgemäß verlesen und notariell beurkunden werde. Die ausdrückliche Formulierung in dem Kaufvertragsentwurf, die beiden Anlagen seien wesentlicher Bestandteil des Kaufvertrages, sei unmissverständlich und daher vom Notar zu beachten gewesen.

Haftungsprivileg des Notars führt nicht zu Erweiterung der Anwaltshaftung

An diesem Ergebnis ändert nach Auffassung des LG auch die Haftungsprivilegierung des § 19 BNotG nichts. Nach dieser Vorschrift kann der Notar bei einer fahrlässigen Pflichtverletzung nur dann in Anspruch genommen werden, wenn der Geschädigte nicht auf andere Weise Ersatz verlangen kann (Subsidiaritätsprinzip). Diese an die Regelung der Ansprüche aus Amtspflichtverletzungen gemäß § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB angelehnte Haftungsprivilegierung des Notars kommt nach Bewertung des LG hier nicht zum Zuge, da der Anwalt aus keinem Gesichtspunkt zum Schadenersatz verpflichtet sei.

Klage auf Anwaltsregress abgewiesen

Im Ergebnis hat das LG die Schadenersatzklage gegen den beklagten Rechtsanwalt abgewiesen.


(LG Bremen, Urteil v. 25.2.2022, 4 O 2013/20)


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