Informationspflicht bei gerichtlichem Verbot einer Werbeaussage

Wird der Hersteller eines Produkts in einer einstweiligen Verfügung verpflichtet, eine bestimmte Werbeaussage zu unterlassen, treffen ihn über die Unterlassung hinausgehende Pflichten: Er muss wirtschaftlich mit ihm verbundene Händler oder Endverkäufer über das Verbot informieren und sie dazu anzuhalten, die verbotene Werbeaussage ebenfalls zu unterlassen. Eine Widerrufspflicht gegenüber den Kunden besteht dagegen nicht.

Mit einstweiliger Verfügung vom November 2016 war der auf dem Gebiet der Herstellung und des Vertriebs von Produkten im Bereich Sanitärreinigung tätigen Schuldnerin untersagt worden, ein zur Sanitärreinigung bestimmtes Produkt als „kennzeichnungsfrei“ (bezogen auf gesundheitsschädliche Inhaltsstoffe) zu bewerben.

15.000 EUR Ordnungsgeld wegen unterlassener Folgenbeseitigung

Die Antragstellerin der Verfügung, diese Werbung zu unterlassen hatte nach Zustellung der einstweiligen Verfügung die Festsetzung von Ordnungsmitteln gegen die Unterlassungsschuldnerin beantragt, unter anderem mit der Begründung,

  • die Schuldnerin habe ihre Händler nicht über das Werbeverbot informiert.
  • Infolgedessen hätten mehrere Abnehmer weiter mit der durch die einstweilige Verfügung untersagten Kennzeichnungsfreiheit geworben.

Auf dieser Grundlage verhängte das LG ein Ordnungsgeld in Höhe von 15.000 Euro mit der Begründung, die Schuldnerin sei ihrer Störungsbeseitigungspflicht nicht  nachgekommen.

Schuldnerin legte Beschwerde beim OLG ein

Mit ihrer Beschwerde gegen den Ordnungsgeldbeschluss hatte die Schuldnerin nur insoweit Erfolg, als das OLG die Höhe des Ordnungsgeldes auf 5.000 Euro herabsetzte. Inhaltlich bestätigte der Senat weitgehend den von der Vorinstanz festgestellten Verstoß gegen die einstweilige Verfügung.

Homepage sofort bereinigt

Das OLG stellte zunächst klar, dass die Schuldnerin die Verpflichtung, die Werbeaussage „kennzeichnungsfrei“ zu unterlassen, grundsätzlich dadurch erfüllt hatte, dass diese die Werbeangabe unverzüglich aus ihren Angeboten, insbesondere auch auf ihrer Homepage  entfernt hat. Damit sei entsprechend dem Gebot der einstweiligen Verfügung der primäre Störungszustand beseitigt worden.

Verpflichtung zur Folgenbeseitigung

Nach Auffassung des OLG genügt die Beseitigung des primären Störungszustandes jedoch dann nicht, wenn infolge einer dauerhaft geschalteten Werbeaussage sich der Störungszustand so verbreitet hat, dass die Entfernung der Werbeangabe als solche noch nicht zur Bereinigung der beanstandeten Wettbewerbssituation führt:

  • Die rechtswidrige Werbeaussage auf der Homepage habe sich allein durch die Dauer der Werbung sowohl bei den Weiterverkäufern also bei den Verbrauchern so im Bewusstsein eingeprägt,
  • dass erkennbar die Gefahr bestanden habe, dass die unrichtige Vorstellung sowohl der Händler als auch der Verbraucher über die Kennzeichnungsfreiheit des Produkts weiterhin fortbesteht. 

Werbeaussage „kennzeichnungsfrei“ war der zentrale „Selling Point“

Die Bewerbung des Produkts als „kennzeichnungsfrei“ beinhaltete nach dem Diktum des OLG auch keine beliebige, kurzlebige Werbeangabe, die Kunden in aller Regel schnell wieder vergessen,

  • vielmehr handle es sich bei der Angabe der Kennzeichnungsfreiheit um den „unique selling point“,
  • also um die maßgebliche Unterscheidung des Produkts der Schuldnerin von anderen Wettbewerbsprodukten, die für die Kunden eine ganz erhebliche Bedeutung in der Anwendung und der Ausstattung der mit dem Produkt arbeitenden Mitarbeiter habe.
  • Die Kennzeichnungsfreiheit eines solchen Sanitärproduktes sei ein maßgebliches Kaufkriterium für Kunden und ein maßgebliches Werbekriterium für die mit dem Produkt arbeitenden Händler.
  • In diesen Fällen bestehe eine Verpflichtung des Schuldners, den Verletzungszustand durch Einwirkung auf Dritte im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren weiter zu minimieren (BGH, Urteil v. 4.5.2017, I ZR 208/15; BGH, Beschluss v. 11.10.2017, I ZB 96/16).

Es bestehe allerdings keine Verpflichtung zum Widerruf der irreführenden Werbeangaben gegenüber den Kunden, da dies den Tenor einer reinen Unterlassungsverfügung überspannen würde.

Unterrichtung der Händler und Abnehmer war zumutbar

Aufgrund dieser zentralen Bedeutung der Werbeaussage „kennzeichnungsfrei“ war die Schuldnerin nach Auffassung des Senats verpflichtet, zumindest die ihr bekannten Händler und Abnehmer über das gerichtliche Werbeverbot zu informieren. Diese Information der Abnehmer sei auch unter dem Gesichtspunkt einer möglicherweise hierdurch partiellen Vorwegnahme der Hauptsache wegen der außerordentlichen Bedeutung der Werbeaussage zumutbar gewesen.

Folgenbeseitigungspflicht schuldhaft verletzt

Nach den Feststellungen des OLG hat die Schuldnerin ihre Informationspflicht schuldhaft  verletzt, indem sie die im Verkehr erforderliche Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes außer Acht gelassen hat. Die Festsetzung eines Ordnungsgeldes sei daher gerechtfertigt.

Verschulden eher gering

Im Ergebnis verkannte der Senat jedoch nicht, dass die Rechtslage zur Folgenbeseitigung nicht besonders übersichtlich ist und für die Schuldnerin nicht ganz leicht einzuschätzen war. Der Senat bewertete das Verschulden der Schuldnerin daher im Ergebnis als eher gering und setze das von der Vorinstanz festgesetzte Ordnungsgeld in Höhe von 15.000 auf einen der Höhe nach angemessenen Betrag von 5.000 Euro herab.

(OLG Frankfurt, Beschluss v. 1.8.2018, 6 W 53/18).

Weitere News zum Thema:

Rabattlügen sind nicht erlaubt

Weidemilch darf auch aus dem Stall kommen 

Schlagworte zum Thema:  UWG, Unterlassungsklage, Unlautere Werbung