Haftung für Link auf Internetseite mit rechtswidrigem Inhalt

Abgemahnter Arzt siegt vor dem BGH: Wer auf seiner Internetseite einen Link zu einer Internetseite mit rechtsverletzenden Inhalten setzt, ohne sich die Inhalte dieser Seite zu eigen zu machen, haftet für die Inhalte der fremden Seite erst ab dem Zeitpunkt, zu dem er von der Rechtswidrigkeit der Inhalte Kenntnis erlangt.

Ein Facharzt für Orthopädie warb Mitte des Jahres 2012 unter der Überschrift „Implantat-Akupunktur“ für eine in seiner Praxis angebotene Behandlung. Hierbei werden dem Patienten nahe der Ohrmuschel winzige Nadeln subkutan implantiert.

Am Ende der Seite setzte er für die User für „weitere Informationen auch über die Studienlage“ einen elektronischen Link zur Startseite eines sich selbst als Forschungsverband bezeichnenden Unternehmens mit verschiedenen Informationen zur Implantat-Akupunktur.

Auf Seite mit irreführenden Verbraucherinformationen verlinkt

Die Startseite enthielt wiederum mehrere Anklick-Optionen, über die weitere Informationen zum Anwendungsgebiet und zur Wirkung der Implantat-Akupunktur abrufbar waren. Auf diesen Seiten befanden sich Verbraucherinformationen, die der Verband „Sozialer Wettbewerb e.V.“ als irreführend beanstandete.

Arzt verweigert Abgabe einer Unterlassungserklärung

  • Der Verband übersandte dem Orthopäden eine Abmahnung,
  • worauf dieser den Link von seiner Internetseite entfernte.
  • Eine Unterlassungserklärung gab er jedoch nicht ab
  • und war nicht bereit, Abmahnkosten zu übernehmen.

Der Verband reichte Klage ein, die beim LG zunächst erfolgreich war, in der Berufung und der Revisionsinstanz jedoch scheiterte.

Setzen eines Links kann eine geschäftliche Handlung sein

Der BGH bestätigte allerdings die erstinstanzliche Auffassung des LG, wonach das Setzen des Links durch den beklagten Orthopäden auf seiner Internetseite eine geschäftliche Handlung war.

  • Der Beklagte habe sich durch den Link eigene, weiterführende Darstellungen ersparen wollen
  • und damit die fremde Internetseite für seinen eigenen werblichen Auftritt genutzt.

Der Streitfall sei daher nicht mit Sachverhalt zu vergleichen, in denen Online-Medien zur Erläuterung redaktioneller Beiträge elektronisch Verweise setzten, die ausschließlich der Information und Meinungsbildung ihrer Nutzer dienen sollen (BGH, Urteil v. 1.4.2004, I ZR 317/01).

Die Haftung für einen Hyperlink ist vom EU-Recht bisher nicht erfasst

Mit der Annahme einer geschäftlichen Handlung ist nach Auffassung des BGH allerdings noch nicht entschieden, ob derjenige, der den Link gesetzt hat, für die Inhalte der verlinkten Internetseite haftet.

  • Der BGH verwies darauf, dass die Richtlinie 2000/31/EG die Frage der Haftung für derartige Verweise bewusst ausgespart habe.
  • Die Haftung für einen solchen Hyperlink richte sich daher nach den allgemeinen Vorschriften (BGH, Urteil v. 18.10.2007, I ZR 102/05).

Anbieter haftet für fremde Informationen, die er sich zu eigen macht

Hiernach besteht nach der Diktion des Senats der Grundsatz, dass derjenige, der sich fremde Informationen zu eigen macht, auf die er mit Hilfe eines Hyperlinks verweist, für diese Informationen haftet wie für eigene.

  • Maßgeblich für die Beurteilung, ob der Unternehmer sich die verlinkten Inhalte zu eigen gemacht habe, sei die objektive Sicht eines verständigen Durchschnittsnutzers auf der Grundlage einer Gesamtbetrachtung aller Umstände (BGH, Urteil v. 12.11.2009, I ZR 166/07).
  • Nach Auffassung des Senats hatte der Orthopäde sich im vorliegenden Fall die verlinkten Inhalte nicht zu eigen gemacht, da sie nicht wesentlicher Bestandteil seines Geschäftsmodells waren.

Wie ein Literaturhinweis in einem Aufsatz 

Auf der verlinkten Seite sei auch nicht für irgendwelche Leistungen des Arztes geworben worden. Der Link habe ausschließlich dazu gedient, dem interessierten User die Möglichkeit zu eröffnen, weitere Informationen über die von dem Orthopäden angebotene Behandlungsmethode einzuholen. Zudem sei die Startseite, auf die der Link verwiesen habe, inhaltlich unbedenklich. Erst durch weitere Klicks gerate der User auf die Seiten, die die Klägerin beanstandete.

  • Der vernünftige Durchschnittsnutzer konnte nach Auffassung des BGH nicht davon ausgehen, dass der Arzt sich sämtliche, auf diese Weise zugänglichen Informationen zu eigen machen wolle.
  • Im Ergebnis sei der Link vergleichbar mit einem Hinweis auf weiterführende Literatur als zusätzliche Informationsquelle am Ende eines Aufsatzes oder Beitrags.

Hyperlink erhöht die Gefahr der Verbreitung rechtswidriger Inhalte 

Der Senat konnte auch keine Verletzung einer wettbewerbsrechtlichen Verkehrspflicht erkennen. Der Senat verkannte nicht, dass ein Hyperlink die Gefahr der Verbreitung etwaiger rechtswidriger Inhalte von Webseiten erhöht. Aus dieser Gefahrerhöhung folgerte der Senat eine Prüfungspflicht des Anbieters sowie die Verpflichtung, diese Gefahr im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren zu begrenzen.

Der Umfang dieser Prüfungspflicht sei nach Abwägung sämtlicher Umstände des Einzelfalls zu bestimmen. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass die Privilegierung des § 7 Abs. 2 Satz 1 TMG, wonach Diensteanbieter nicht verpflichtet sind, die von ihnen übermittelten oder gespeicherten Informationen zu überwachen und ständig zu prüfen, nicht gelte, wenn das Setzen eines Hyperlinks im Rahmen der Werbung für eigene Waren oder Dienstleistungen erfolge.

Insbesondere, wenn der Verwender durch eine Abmahnung Kenntnis von rechtswidrigen Inhalten erhalte, erwachse heraus die Pflicht zur Prüfung der Beanstandungen.

Orthopäde hat auf Beanstandung schnell genug reagiert 

Da der Arzt nach Erhalt der Abmahnung den Link sofort von seiner Seite entfernt habe, sei ihm im Ergebnis nichts vorzuwerfen. Vor Erhalt der Abmahnung habe er keinen Anlass gehabt, von rechtswidrigen Inhalten der verlinkten Seite auszugehen. Der Klage des Verbandes „Sozialer Wettbewerb e.V.“ blieb somit der Erfolg versagt.

(BGH, Urteil v. 5.1.2016, I ZR 74/14).


Schlagworte zum Thema:  Bundesgerichtshof (BGH), Haftung, Abmahnung