Leitsatz

1. Für ein über 18 Jahre altes Kind ist eine Übertragung des dem anderen Elternteil zustehenden einfachen BEA-Freibetrages nach dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes nicht vorgesehen.

2. Eine Änderung des bestandskräftigen Einkommensteuerbescheids nach § 174 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 AO ist nur möglich, wenn der Steuerpflichtige selbst (allein oder überwiegend) die fehlerhafte Berücksichtigung verursacht hat. Ist hingegen die im amtlichen Steuererklärungsvordruck niedergelegte fehlerhafte Rechtsauffassung der Finanzverwaltung die entscheidende Ursache für die unvereinbare mehrfache Berücksichtigung eines Sachverhalts, ist eine Änderung ausgeschlossen.

 

Normenkette

§ 32 Abs. 6 Sätze 6 und 8 EStG, § 174 Abs. 2 und 1, § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO

 

Sachverhalt

Der Kläger und seine geschiedene Ehefrau E sind die Eltern zweier volljähriger Töchter. Mit der Behauptung, die E sei ihrer Unterhaltspflicht nicht zu mindestens 75 % nachgekommen bzw. mangels Leistungsfähigkeit nicht unterhaltspflichtig, beantragte der Kläger für 2011 bis 2014 in der Anlage Kind jeweils die Übertragung des der E zustehenden Kinderfreibetrages für seine beiden Töchter. Nach den amtlichen Vordrucken wurde damit zwangsläufig auch die Übertragung des BEA-Freibetrages beantragt. Das FA gewährte daraufhin die doppelten Kinderfreibeträge i.H.v. je 4.368 EUR und die doppelten BEA-Freibeträge in Höhe von 2.640 EUR.

Nachdem das FA der E dem FA des Klägers mitgeteilt hatte, dass E ihrer Unterhaltspflicht nachgekommen sei, änderte das FA gemäß § 174 Abs. 2 AO die Einkommensteuerbescheide 2011 bis 2014 und setzte für beide Töchter jeweils nur noch den einfachen Kinderfreibetrag (2.184 EUR) und den einfachen BEA-Freibetrag (1.320 EUR) an.

Das FG gab der Klage insoweit statt, als es eine Änderung der BEA-Freibeträge ausschloss (FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 12.9.2018, 2 K 2164/16, Haufe-Index 12413493, EFG 2019, 5).

 

Entscheidung

Die Revision des FA war unbegründet: Die Übertragung des dem anderen Elternteil zustehenden BEA-Freibetrages war zwar rechtswidrig erfolgt, eine Änderung der Einkommensteuerbescheide aber sowohl nach § 174 Abs. 2 i. V. m Abs. 1 AO als auch nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO ausgeschlossen.

 

Hinweis

1. Der Ausgangspunkt des Urteils ist die Erkenntnis, dass eine Übertragung des dem anderen Elternteil zustehenden einfachen BEA-Freibetrages für ein über 18 Jahre altes Kind nicht vorgesehen ist. Siehe dazu das vorstehende Urteil (BFH, Urteil vom 22.4.2020, III R 61/18).

2. Der Kläger hatte den doppelten Kinderfreibetrag und den doppelten BEA-Freibetrag zunächst erhalten; danach stellte sich heraus, dass die Kindesmutter ihrer Unterhaltspflicht doch nachgekommen war. Das FA änderte sodann den Bescheid des Klägers nach § 174 Abs. 2 AO, weil der BEA-Freibetrag mehrfach berücksichtigt worden war: Der einfache BEA-Freibetrag für jedes Kind bei der Kindsmutter und darüber hinaus der doppelte BEA-Freibetrag beim Kläger.

3. Ein fehlerhafter Steuerbescheid darf nach § 174 Abs. 2 Satz 2 AO nur dann geändert werden, wenn die mehrfache Berücksichtigung des Sachverhalts auf einen Antrag oder eine Erklärung des Steuerpflichtigen zurückzuführen ist. Denn der Steuerpflichtige kann nicht auf die Bestandskraft des ihn begünstigenden Steuerbescheides vertrauen, wenn er die fehlerhafte doppelte Berücksichtigung allein oder überwiegend verursacht hat.

4. Das FA darf auch dann nach § 174 Abs. 2 AO ändern, wenn es den Erlass des unrichtigen Bescheids in geringem Maße mitverursacht hat. Hätte es hingegen auch bei zutreffender Erklärung des Steuerpflichtigen den falschen rechtlichen Schluss gezogen, läge die überwiegende Ursache der falschen Rechtsfolge nicht in der Erklärung des Sachverhalts, sondern in der fehlerhaften Rechtsanwendung.

So lag es hier aufgrund eines fehlerhaften Erklärungsvordrucks: Der Kläger hatte in den Steuererklärungen (Anlage Kind) neben der Übertragung des vollen Kinderfreibetrages auch den vollen BEA-Freibetrag beantragt. Das Formular sah aber den Antrag auf Übertragung des dem anderen Elternteil zustehenden einfachen Kinderfreibetrages nur gemeinsam mit dem Antrag auf Übertragung des dem anderen Elternteil zustehenden BEA-Freibetrages vor, wenn der andere Elternteil seine Unterhaltsverpflichtung nicht zu mindestens 75 % erfüllt hat. Mit dem Antrag auf Übertragung des Kinderfreibetrages wurde der Kläger gezwungen, zugleich die Übertragung des BEA-Freibetrages zu beantragen. Lediglich bei minderjährigen Kindern erlaubt die Anlage Kind eine gesonderte Übertragung des BEA-Freibetrages aufgrund der Meldeverhältnisse. Das FA hat daher mit dem Erklärungsvordruck die für volljährige Kinder nicht vorgesehene Übertragung des BEA-Freibetrages in unzulässiger Weise mit der Übertragung des Kinderfreibetrages verknüpft und somit die fehlerhafte Übertragung des BEA-Freibetrages ganz überwiegend verursacht.

5. Das FG hatte schon die Antragstellung verneint. Der BFH hat mangels Entscheidungserheblichkeit dahinstehen lassen, ob es an einem Antrag auf Übertragung des BEA-Fre...

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