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BGH Urteil vom 22.06.1972 - II ZR 67/70

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Leitsatz (amtlich)

Die Verjährungsvorschrift des § 113 Abs. 3 HGB findet keine Anwendung, wenn ein Gesellschafter in der Weise gegen das Wettbewerbsverbot des § 112 HGB verstößt, daß er die für Rechnung der Gesellschaft abzuwickelnden Geschäfte unter Verletzung seiner Geschäftsführungs- und allgemeinen Gesellschafterpflichten auf sich überleitet.

 

Verfahrensgang

OLG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 10.03.1970)

LG Frankfurt am Main

 

Tenor

Die Revision gegen das Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts in Frankfurt (Main) vom 10. März 1970 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

 

Tatbestand

Die Beklagte betrieb unter der Firma Carl S. ein von ihrem verstorbenen Ehemann übernommenes Geschäft, das den Handel mit Altgummi und Plastik zum Gegenstand hatte. Zur Fortführung dieses Unternehmens gründete sie mit dem Kläger am 30. Juni 1959 eine Kommanditgesellschaft. Der Kläger wurde persönlich haftender Gesellschafter, die Beklagte Kommanditistin. Nach § 2 des Gesellschaftsvertrages hatte der Kläger seine Arbeitskraft und seine Dienste sowie eine Einlage von 20.000 DM in die Gesellschaft einzubringen. § 8 bestimmt, daß der Vertrag mit sechsmonatiger Kündigungsfrist von jedem Gesellschafter zum Ende eines jeden Jahres gekündigt werden kann, jedoch nicht vor dem 31. Dezember 1970.

Ohne Wissen und Einverständnis der Beklagten gründete der Kläger im Jahre 1964 unter der Firma "Großhandel-Import-Export-Industrievertretung, Rohstoffe für Kautschuk- und Plastik-Industrie, Inhaber Kurt R." ein Einzelhandelsgeschäft, in dem er fortan mehrere Handelsvertretungen für Rohstoffproduzenten der Gummiindustrie auf eigene Rechnung abwickelte. Diese Vertretungen hatte er in den Jahren zuvor zwar im eigenen Namen übernommen, aber als Geschäfte der Kommanditgesellschaft verbucht und bis zum Jahre 1964 einschließlich in deren Bilanzen ausgewiesen. Im Gegensatz zu den früheren Jahren weigerte er sich bereits für 1964, die Klägerin an den Gewinnen hieraus zu beteiligen; seit 1965 behandelt er die Handelsvertretungen in jeder Hinsicht als Eigengeschäfte. Die Beklagte hat deshalb in vorliegendem Rechtsstreit, der auch eine - inzwischen rechtskräftig abgewiesene - Klage des Klägers auf Auflösung der Gesellschaft zum Gegenstand hatte, widerklagend den Gewinnanteil aus den Handelsvertretungen für 1964 in Höhe von 9.069,08 DM geltend gemacht und weiterhin im Wege der Stufenklage beantragt, den Kläger zu verurteilen,

  • 1.

    den Betrieb der Firma Großhandel-Import-Export-Industrievertretung, Rohstoffe für Kautschuk- und Plastik-Industrie zu unterlassen,

  • 2.

    der Beklagten über sämtliche Gewinne Rechnung zu legen, die er über diese Firma erzielt hat,

  • 3.

    der Beklagten über alle Geschäfte Rechnung zu legen, die er über diese Firma abgewickelt hat,

  • 4.

    sämtliche Gewinne, die er über diese Firma erzielt hat, an die Carl S. KG abzuführen.

Landgericht und Oberlandesgericht haben der Beklagten den Gewinnanspruch für 1964 durch Teilurteil rechtskräftig zugesprochen und auch den Widerklageanträgen zu 1 bis 3 stattgegeben. Hinsichtlich des Widerklageantrags zu 4 hat das Berufungsgericht die Sache an das Landgericht zurückverwiesen.

Mit der Revision verfolgt der Kläger seinen Antrag auf Abweisung des noch anhängigen Teils der Widerklage weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Das Berufungsgericht hält die Anträge auf Unterlassung und Rechnungslegung für begründet, weil es sich bei den vom Kläger übernommenen Handelsvertretungen um solche der Kommanditgesellschaft gehandelt habe. Der Gesellschaftsvertrag sei durch schlüssiges Verhalten dahin geändert und ergänzt worden, daß sich der Handelszweig der Gesellschaft auch auf die Wahrnehmung von Handelsvertretungen bezogen habe. Der Kläger sei deshalb nicht berechtigt, das von ihm gegründete Einzelhandelsgeschäft zu führen und unter dieser Firma Handelsvertretergeschäfte zu betreiben. Er sei weiter verpflichtet, die vertragswidrig gezogenen Gewinne an die Kommanditgesellschaft abzuführen und der Beklagten Rechnung zu legen.

Diese Ausführungen halten im Ergebnis den Angriffen der Revision stand.

1.

Entgegen ihrer Ansicht ist nichts gegen die Auffassung des Berufungsgerichts daraus herzuleiten, daß der Kläger die hier in Frage stehenden Handelsvertreterverträge mit der Chemischen Fabrik Sc. & Se. der Depol Deutsches Gummi-Regenerier-Werk Wolfgang K. & Co., der Weber & Schaer und der Firma Rolf Sch. auf seinen Namen abgeschlossen und nach 1964 außerhalb der Kommanditgesellschaft für eigene Rechnung geführt hat. Das angefochtene Urteil wird von der Feststellung des Berufungsgerichts getragen, die Parteien hätten den Geschäftsbereich, in dem die Gesellschaft tätig werden sollte, einverständlich auf diese Handelsvertretungen erstreckt. Diese waren daher im Innenverhältnis als Geschäfte der Gesellschaft zu behandeln. Eine solche Regelung ist rechtlich möglich. Sie wird auch den bestehenden Verhältnissen insofern gerecht, als die Geschäftspartner die Vertreterverträge nach dem Vortrag des Klägers nur mit ihm persönlich und nicht mit der Firma S. abschließen wollten, der Kläger aber andererseits nach § 2 des Gesellschaftsvertrages verpflichtet war, seine Arbeitskraft der Gesellschaft zu widmen.

Die Revision greift zwar jene Feststellungen an. Sie meint, das Berufungsgericht habe aus dem Umstand, daß die Handelsvertretergeschäfte bis zum Jahre 1964 innerhalb der Kommanditgesellschaft abgewickelt worden seien, keine gleichartige Bindung des Klägers für die Zukunft entnehmen dürfen; zumindest müsse eine derartige Vereinbarung als außerhalb des Gesellschaftsvertrags geschlossen und jederzeit kündbar angesehen werden. Dieser Angriff ist nicht begründet. Die Revision versucht insoweit lediglich, die tatrichterliche Würdigung des Berufungsgerichts, das aus dem festgestellten Sachverhalt auf eine einverständliche Einbeziehung der Handelsvertretungen in den Geschäftsbereich der Gesellschaft geschlossen hat, durch ihre eigene nicht zwingende Beurteilung zu ersetzen. Die zugrundeliegenden Feststellungen des Berufungsgerichts, der Kläger habe in seiner Eigenschaft als alleiniger geschäftsführender und vertretungsberechtigter Gesellschafter mit Zustimmung der Beklagten die Handelsvertretungen und die hieraus entstandenen Gewinne bis 1964 in die Bilanzen der Gesellschaft eingesetzt, sämtliche damit verbundenen Geschäftsvorfälle in den Geschäftsbüchern der Gesellschaft verbucht und die Gesellschaft insbesondere mit den Kosten der Handelsvertretungen belastet, hat die Revision verfahrensrechtlich nicht beanstandet. War aber die Handelsvertretertätigkeit für Rechnung der Gesellschaft eine gesellschaftsrechtliche Verpflichtung des Klägers geworden, dann handelte es sich insoweit um keine Vereinbarung, die selbständig gekündigt werden konnte. Der Kläger war vielmehr aufgrund der ihm obliegenden Geschäftsführungsverpflichtungen gehalten, die bestehenden Handelsvertretungen weiterhin als solche der Gesellschaft zu behandeln und dieser auch den Gewinn aus der Vermittlungstätigkeit zukommen zu lassen. Es war daher ein Verstoß gegen seine Gesellschafterpflichten, wenn er diese Handelsvertretungen auf ein eigenes zu diesem Zweck gegründetes Unternehmen überleitete.

Aus der Verletzung des Gesellschaftsvertrages folgt die Verpflichtung des Klägers, künftige Zuwiderhandlungen zu unterlassen. Entgegen der Auffassung der Revision können keine Bedenken dagegen erhoben werden, daß das Berufungsgericht dem Kläger den Betrieb der Firma Großhandel-Import-Export-Industrievertretung, Rohstoffe für Kautschuk- und Plastik-Industrie verboten hat. Nach dem Vorbringen der Parteien und den darauf beruhenden Feststellungen des Berufungsgerichts ist davon auszugehen, daß der Kläger dieses Unternehmen gegründet hat, um die Handelsvertretergeschäfte zu betreiben, und unter dieser Firma auch nur solche Geschäfte wahrnimmt, die zum Geschäftszweig der Kommanditgesellschaft gehören. In einem derartigen Falle bestehen keine rechtlichen Bedenken dagegen, daß der schuldige Gesellschafter zur Einstellung des gesamten Geschäftsbetriebs verurteilt wird.

Der Kläger ist darüber hinaus auch verpflichtet, über die verbotswidrig getätigten Geschäfte und die dadurch erzielten Gewinne Rechnung zu legen. Dies ergibt sich aus dem vertragswidrigen Verhalten des Klägers in Verbindung mit dem Umstand, daß er allein im Stande ist, die erforderliche Aufklärung zu geben, und die Beklagte als Mitgesellschafterin nur so in der Lage ist festzustellen, ob und welche Ansprüche sie aus der Vertragsverletzung geltend machen kann.

2.

Erfolglos wendet sich die Revision gegen die Annahme des Berufungsgerichts, die Beklagte sei zur Geltendmachung dieser Ansprüche sachlich legitimiert.

Jeder Gesellschafter einer Personenhandelsgesellschaft ist befugt, Ansprüche, die sich aus dem Gesellschaftsvertrag ergeben, im eigenen Namen gegen andere Gesellschafter geltend zu machen. Dies gilt auch für die hier in Frage stehenden Ansprüche auf Unterlassung und Rechnungslegung, die daraus entstanden sind, daß der Kläger die ihm obliegenden Geschäftsführungsverpflichtungen nicht ordnungsgemäß erfüllt hat (vgl. BGHZ 25, 47, 49; BGH WM 1956, 88, 89). Soweit die Beklagte Schadensersatz begehrt oder einen gleichartigen Anspruch geltend macht (Widerklageantrag zu 4), ist sie allerdings genötigt, Leistung an die Gesellschaft zu verlangen, weil dieser die Ansprüche zustehen. Die Ansicht der Revision, das habe ebenso für den Rechnungslegungsanspruch zu gelten, trifft dagegen nicht zu. Rechnungslegung ihr gegenüber in dem eingeklagten Umfange kann die Beklagte verlangen, damit sie ihr gesellschaftsvertragliches Recht, die Zahlungsklage gegen den Kläger durchzuführen und zu diesem Zwecke der Höhe nach zu beziffern, durchsetzen kann.

3.

Den von der Beklagten geltend gemachten Ansprüchen steht auch die Verjährungseinrede nach § 113 Abs. 3 HGB nicht entgegen.

Die für Ansprüche aus Wettbewerbsverstößen geltende kurze Verjährungsfrist des § 113 Abs. 3 HGB kommt, wie der Senat im Urteil vom 11. Januar 1971 (WM 1971, 412, 414) in einem ähnlichen Falle bereits entschieden hat, einem Gesellschafter nicht zugute, der zwar mit der Führung bestimmter Geschäfte zugleich auch gegen das Wettbewerbsverbot des § 112 HGB verstößt, dessen gesellschaftswidriges Verhalten aber darüber hinausgeht und insbesondere darin besteht, daß er diese für Rechnung der Gesellschaft abzuwickelnden Geschäfte unter Verletzung seiner Geschäftsführungs- und allgemeinen Gesellschafterpflichten auf sich übergeleitet hat.

 

Fundstellen

Haufe-Index 3018673

NJW 1972, 1860

NJW 1972, 1860 (amtl. Leitsatz)

MDR 1972, 932 (Volltext mit amtl. LS)

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