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BGH Urteil vom 18.10.1976 - II ZR 9/75

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Leitsatz (amtlich)

Bei der GmbH ist die vom Geschäftsführer einem Nichtgeschäftsführer erteilte Generalvollmacht auch dann unwirksam, wenn ihr sämtliche Gesellschafter zugestimmt haben.

 

Tatbestand

Die Klägerin nimmt den Beklagten gemäß Art 8 WG aus einem an eigene Order lautenden Wechsel über 5.000 DM in Anspruch, den sie am 11. November 1972 auf die A.-Gesellschaft mbH gezogen und der Beklagte im Namen der GmbH angenommen hat. Die GmbH hat den Wechsel bei Fälligkeit nicht eingelöst. Sie ging später in Konkurs.

Seine Befugnis, den Wechsel für die GmbH zu zeichnen, leitet der Beklagte in erster Linie aus einer mit Datum vom 18. Mai 1972 von dem damaligen Geschäftsführer der GmbH, v. T., ausgestellten Vollmacht her, die folgenden Wortlaut hat:

„Hiermit bevollmächtigen wir Herrn W. L. … (Beklagten), die Firma A.-Gesellschaft mbH allein zu vertreten und für die Gesellschaft in unbeschränkter Höhe bei Geschäften gleich welcher Art, insbesondere bei banküblichen Geschäften tätig zu werden”.

Die Klägerin hält diese Vollmacht wegen der darin liegenden Übertragung aller Geschäftsführungsbefugnisse für unwirksam. Ihrem Antrag, den Beklagten zur Zahlung von 5.000 DM zu verurteilen, hat das Landgericht stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat die Klage abgewiesen. Mit der zugelassenen Revision, die der Beklagte zurückzuweisen beantragt, möchte die Klägerin die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils erreichen.

 

Entscheidungsgründe

Das Berufungsgericht erachtet die auf Art 8 WG gestützte Klage für unbegründet, weil der Beklagte den Wechsel nicht ohne Vertretungsmacht, sondern aufgrund wirksamer Vollmacht für die GmbH gezeichnet habe. Diese Entscheidung hält den Revisionsangriffen nicht stand.

1. Unbegründet ist allerdings die Rüge, das Berufungsgericht habe übersehen, daß die Klägerin die Echtheit der Vollmachtsurkunde vom 18. Mai 1972 bestritten habe. Die Klägerin hat lediglich die Richtigkeit des angegebenen Ausstellungsdatums bezweifelt, ist aber auf dieses Vorbringen in der Berufungsinstanz nicht mehr zurückgekommen (vgl Schriftsatz v 10.9.1974, S 2).

2. Mit Recht wendet sich die Revision aber gegen die Auffassung des Berufungsgerichts, die am 18. Mai 1972 vom damaligen Geschäftsführer der GmbH erteilte Vollmacht, die es rechtlich fehlerfrei als Generalvollmacht auffaßt, sei wirksam gewesen.

Die Befugnis des Geschäftsführers einer GmbH zur organschaftlichen Willensbildung und Willenserklärung und die damit verbundene Verantwortung sind unübertragbar (BGHZ 64, 72, 76; 13, 61, 65). Infolgedessen kann der Geschäftsführer seine Vertretungsmacht nicht im ganzen durch einen anderen ausüben lassen. Deshalb hat der Senat die Rechtsgültigkeit einer vom Geschäftsführer erteilten Generalvollmacht auch für den Fall verneint, daß sie zeitlich begrenzt und widerruflich ist (BGHZ 34, 27, 31; Urt v 19.6.75 – II ZR 110/73, WM 1975, 790 zu 3a). Hiervon möchte das Berufungsgericht eine Ausnahme machen, wenn, wie im vorliegenden Fall, der alleinige Gesellschafter mit der Vollmachterteilung einverstanden sei und deshalb eines Vertrauensschutzes nicht bedürfe. Dem kann nicht gefolgt werden.

Richtig ist allerdings, daß das Verbot einer umfassenden Übertragung der organschaftlichen Vertretungsmacht die Gesellschafter vor einer von ihnen nicht gewollten Ausübung aller Geschäftsführungsbefugnisse durch Personen schützen soll, die nicht ihr Vertrauen genießen. Das ist aber nicht der einzige oder allein ausschlaggebende Grund für jenes Verbot. Von ebenso starkem Gewicht ist der Gedanke, daß die Rechtssicherheit und die Belange des Rechtsverkehrs leiden könnten, wenn die Gültigkeit einer Generalvollmacht im Einzelfall jeweils davon abhinge, ob ihr alle Gesellschafter (oder etwa eine Gesellschaftermehrheit) zugestimmt haben; denn das sind gesellschaftsinterne Vorgänge, über die ein Außenstehender in der Regel nicht zuverlässig unterrichtet ist und die daher für die allgemeine Vertretungsmacht nicht maßgebend sein dürfen (BGHZ 34, 27, 31; Fischer, Anm zu LM GmbHG § 35 Nr 3). Hinzu kommt der von der Revision zutreffend angeführte Gesichtspunkt, daß der Geschäftsführer einer GmbH auch öffentliche Pflichten hat, wie zB die Konkursantragspflicht nach § 64 GmbHG, die neben dem Interesse der Gesellschaft zugleich dem Schutz der Gesellschaftsgläubiger vor weiterer Verminderung der zu ihrer Befriedigung noch vorhandenen Vermögensmasse dient (BGHZ 29, 100). Aus diesem Grund kann ihm ebenfalls nicht erlaubt sein, seine Aufgaben und die Verantwortung für deren Erfüllung voll auf einen anderen abzuwälzen.

Auch die Gesellschafter können hiernach die Geschäftsführungsbefugnis und Vertretungsbefugnis nicht insgesamt einem Dritten anvertrauen, ohne diesen gleichzeitig zum Geschäftsführer zu bestellen (Schilling in Hachenburg, GmbHG 6. Aufl § 35 Anm 7 mwN); eine solche Bestellung war aber gerade nicht gewollt, was sich daran zeigt, daß der Beklagte unmittelbar zuvor als Geschäftsführer abberufen und durch von T. ersetzt worden war. Deshalb ist es gleichgültig, daß die Ehefrau des Beklagten, wie das Berufungsgericht feststellt, als Alleingesellschafterin die Erteilung der Generalvollmacht an ihn gebilligt hat.

Ob unter besonderen Umständen eine GmbH nach Treu und Glauben für Rechtshandlungen eines Generalbevollmächtigten – allein oder neben diesem – einzustehen hat, kann dahingestellt bleiben, da hierfür die bloße Kenntnis oder die Zustimmung ihrer Gesellschafter nicht ausreicht und sonstige besondere Umstände nicht ersichtlich sind.

3. Es kommt daher darauf an, ob der Geschäftsführer von T. dem Beklagten Einzelvollmacht zur Annahme des Wechsels für die GmbH erteilt hat. Das hat der Beklagte mit seinem Schriftsatz vom 9. Oktober 1974 behauptet und unter Beweis gestellt. Dieses Vorbringen ist nicht, wie die Revisionserwiderung meint, nach § 138 Abs 3 ZPO als zugestanden anzusehen. Nach dem Tatbestand des Berufungsurteils (S 6) war es vielmehr bestritten. Trifft es zu, so entfällt ohne Rücksicht darauf, ob sich der Beklagte auf die besondere Vollmacht ausdrücklich berufen hat oder nicht, der Tatbestand des Art 8 WG, weil der Beklagte dann im Rahmen einer ihm tatsächlich zustehenden Vertretungsmacht gehandelt hat (§ 164 Abs 1 BGB).

Eine Haftung des Beklagten für die Wechselforderung der Klägerin ließe sich dann auch nicht schon damit begründen, daß er als Ehemann der alleinigen Gesellschafterin möglicherweise ein erheblich stärkeres eigenes Interesse an den Geschäften der Gesellschaft gehabt hat, als es der Stellung eines bloß Bevollmächtigten entspricht. Denn selbst wenn man die Grundsätze über die Durchgriffshaftung eines GmbH-Gesellschafters auf „Hintermänner” ausdehnen wollte, würde es hier daran scheitern, daß die besonderen Voraussetzungen für eine solche Haftung nicht vorgetragen sind (vgl BGHZ 22, 226, 230; BGH, Urt v 14.5.74 – VI ZR 8/73, LM BGB § 831 (B) Nr 7 mwN). Mit dem Hinweis auf § 43 GmbHG übersieht die Revision, daß diese Vorschrift eine unmittelbare Haftung nur gegenüber der Gesellschaft und nicht gegenüber einem Gläubiger begründet.

4. Die Entscheidung hängt daher von der Tatfrage ab, ob der Vortrag des Beklagten über eine ihm erteilte Einzelvollmacht richtig ist. Zur Prüfung dieser Frage ist die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 650056

NJW 1977, 199

DNotZ 1977, 119

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