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BGH Beschluss vom 24.09.2013 - 2 StR 338/13

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Verfahrensgang

LG Aachen (Urteil vom 10.04.2013)

 

Tenor

Auf die Revision des Beschuldigten wird das Urteil des Landgerichts Aachen vom 10. April 2013 mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

 

Gründe

Rz. 1

Das Landgericht hat im Hinblick auf eine rechtswidrige Tat der gefährlichen Körperverletzung angeordnet, den Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus unterzubringen. Die Revision des Beschuldigten hat mit der Sachrüge Erfolg.

Rz. 2

1. Die Voraussetzungen des § 63 StGB werden durch die Urteilsfeststellungen nicht hinreichend belegt. Die Anordnung des § 63 StGB setzt voraus, dass der Beschuldigte eine rechtswidrige Tat begangen hat; zu dieser gehören grundsätzlich auch die inneren Merkmale des durch die Tat verwirklichten Straftatbestands (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 14. März 1989 – 1 StR 810/88, BGHR StGB § 63 Tat 2; Fischer, StGB, 60. Aufl., § 63 Rn. 3, jeweils mwN). Zur inneren Tatseite des § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB enthält das angefochtene Urteil aber keine ausreichenden Feststellungen.

Rz. 3

a) Der wegen chronischer paranoider Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis schuldunfähige Beschuldigte war der Auffassung, der Zeuge N., ein Polizeibeamter, sei unberechtigt in sein Haus eingedrungen. Er entschloss sich, den Vornamen des Zeugen N. in Erfahrung zu bringen, um ihm einen Brief zu schreiben und Hausverbot zu erteilen.

Rz. 4

Am Tatabend begegnete der Beschuldigte dem im selben Wohnviertel wohnhaften Zeugen N. vor dessen Grundstück und rief ihm zu, „er solle ihm ‚seinen Namen’ nennen, er wolle ihm einen Brief schreiben” (UA S. 6). Der Aufforderung des Zeugen, das Grundstück zu verlassen, kam der Beschuldigte nicht nach. Vielmehr folgte er dem Zeugen auf die fünfstufige Treppe vor der Haustür und forderte ihn weiter zur Nennung seines Vornamens auf.

Rz. 5

Der Zeuge N., der auf einem 90 cm oberhalb des Erdbodens gelegenen Podest vor der Haustür stand und in einer Hand einen Karton mit Einkäufen bei sich trug, schloss mit dem in der anderen Hand befindlichen Schlüssel die Haustür auf, drehte sich dann zu dem Beschuldigten um und erklärte, nicht mit ihm sprechen zu wollen; er bat den Beschuldigten zu gehen. In diesem Moment griff der Beschuldigte „unvermittelt” mit der rechten Hand an die offene Windjacke des Zeugen N. und riss daran, so dass der Zeuge vom Podest fiel. „Hierbei war ihm die Höhe des Podests ebenso bewusst wie die Tatsache, dass der Weg unterhalb des Podests gepflastert war, so dass ihm die Gefährlichkeit seines Tuns, insbesondere die darin liegende Gefahr erheblicher Verletzungen bei einem Aufprall aus solcher Höhe auf einen gepflasterten Weg, bekannt war” (UA S. 7); ihm sei es – so das Landgericht – zumindest gleichgültig gewesen, ob sich der Zeuge N. gegebenenfalls lebensgefährlich verletze.

Rz. 6

Tatsächlich erlitt der Zeuge infolge des Sturzes „im hohen Bogen” potentiell lebensgefährliche Verletzungen, die operativ versorgt werden mussten.

Rz. 7

b) Nach diesen Feststellungen hat der Beschuldigte zwar in objektiver Hinsicht den Tatbestand der gefährlichen Körperverletzung verwirklicht. Die weitere Annahme, der Beschuldigte habe – bezogen auf den Tatbestand des § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB – vorsätzlich gehandelt (UA S. 7, 15) findet jedoch in dem festgestellten Sachverhalt keine ausreichende Stütze. Aus ihm ergibt sich lediglich, dass der Beschuldigte an die Jacke des Zeugen griff und an ihr riss. Dagegen ist nicht festgestellt, dass die Tat in der Vorstellung des Beschuldigten auf eine Lebensgefährdung angelegt war (vgl. dazu Senatsbeschluss vom 18. März 1992 – 2 StR 84/92, BGHR StGB § 223a Abs. 1 Lebensgefährdung 6; Fischer aaO § 224 Rn. 13). Das Landgericht geht hinsichtlich des Vorstellungsbildes des Beschuldigten – dessen Einlassung folgend – vielmehr davon aus, dass er, aufgrund seiner Krankheit ohnehin unter Verfolgungs- und Beeinträchtigungserleben leidend, den Zeugen N. bereits in sein Wahnsystem einbezogen hatte und „sich … wahnhaft bedroht fühlte” (UA S. 13).

Rz. 8

Wenn – wie hier – aber die Willensrichtung dafür entscheidend ist, ob sich die Handlung des Täters als ein die Unterbringung gemäß § 63 StGB begründendes Vergehen nach § 224 StGB oder als ein die Unterbringung regelmäßig nicht rechtfertigendes Vergehen nach § 229 StGB (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 18. Juli 2013 – 4 StR 168/13 Rn. 43 juris) darstellt, dann muss insbesondere – und sorgfältiger als bislang geschehen – der innere Tatbestand erörtert werden, soweit dies nach dem psychischen Zustand des Täters möglich ist (vgl. auch BGH, Beschluss vom 14. März 1989 – 1 StR 810/88, BGHR StGB § 63 Tat 2 mwN). Ein natürlicher Vorsatz der gefährlichen Körperverletzung nach § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB versteht sich nach dem äußeren Tathergang und angesichts des geistigen Zustands des Beschuldigten hier auch nicht von selbst.

Rz. 9

2. Die Sache bedarf deshalb neuer Prüfung durch den Tatrichter. Er wird sich dabei unter Hinzuziehung eines Sachverständigen genauer als bisher insbesondere mit den konkreten Auswirkungen der Erkrankung des Beschuldigten auf die Tat auseinanderzusetzen haben.

 

Unterschriften

Fischer, Krehl, Eschelbach, Ott, Zeng

 

Fundstellen

Haufe-Index 5781964

NStZ-RR 2014, 42

StV 2014, 346

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