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BFH Urteil vom 17.03.1970 - II 106/65

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Leitsatz (amtlich)

Der Tatbestand des § 2 Nr. 1 KVStG ist nicht erfüllt, wenn eigene Anteile einer GmbH ohne Kapitalherabsetzung eingezogen und zeitlich danach (ohne Kapitalerhöhung) die Nennbeträge der Geschäftsanteile der verbliebenen Gesellschafter nach Maßgabe ihrer Beteiligung in der Weise erhöht werden, daß die Summe dieser Nennbeträge dem Betrag des Stammkapitals entspricht.

 

Normenkette

KVStG § 2 Nr. 1; GmbHG §§ 34, 58

 

Tatbestand

Die Klägerin - eine GmbH - hat im Jahre 1955 die Geschäftsanteile zweier ausscheidender Gesellschafter im Nennwert von zusammen 30 000 DM erworben. Am 24. Mai 1960 haben die Gesellschafter der Klägerin beschlossen, diese Geschäftsanteile einzuziehen und - ohne Kapitalherabsetzung gemäß § 58 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) - zu Lasten der freien Rücklagen auszubuchen. Am 20. Juli 1960 ist der Nennbetrag der Geschäftsanteile der verbliebenen Gesellschafter entsprechend den Beteiligungsverhältnissen in der Weise erhöht worden, daß sich die Summe der Nennwerte sämtlicher Geschäftsanteile betragsmäßig mit dem Stammkapital der Klägerin deckte.

Das beklagte FA zog die Klägerin gemäß § 2 Nr. 1 KVStG zur Gesellschaftsteuer heran. Auf die nach erfolglosem Einspruch eingelegte Berufung hat das FG die Einspruchsentscheidung und den Steuerbescheid aufgehoben. Mit der seit 1. Januar 1966 als Revision zu behandelnden Rechtsbeschwerde rügt das beklagte FA, die angefochtene Entscheidung sei mit § 2 Nr. 1 KVStG unvereinbar.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision ist unbegründet.

Nach § 2 Nr. 1 KVStG unterliegt der Erwerb von Gesellschaftsrechten an einer inländischen Kapitalgesellschaft durch den ersten Erwerber der Gesellschaftsteuer. Als Gesellschaftsrechte gelten Aktien, Kuxe und sonstige Anteile (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 KVStG). Der Geschäftsanteil an einer GmbH ist ein sonstiger Anteil im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 1 KVStG.

Im Streitfall ist der Tatbestand des § 2 Nr. 1 KVStG nicht erfüllt. Der unter Hinweis auf handelsrechtliches Schrifttum eingehend begründeten Rechtsauffassung des FG (EFG 1965, 282 Nr. 331) ist beizutreten (vgl. auch FG Karlsruhe, EFG 1963, 570 Nr. 752 und - zur Einkommensteuer - FG Düsseldorf, EFG 1965, 322 Nr. 384, bestätigt durch Urteil VI 89/65 vom 28. Januar 1966, BFH 85, 90, BStBl III 1966, 245).

Wird ein Geschäftsanteil eingezogen (§ 34 GmbHG), so wird er vernichtet; er ist als Mitgliedschaftsrecht nicht mehr vorhanden. Gleichwohl bleibt das Stammkapital, das durch die Stammeinlagen aufgebracht worden ist, unverändert, sofern es nicht gemäß § 58 GmbHG herabgesetzt wird. Die durch die untergegangene Beteiligung verkörperten Rechte und Pflichten wachsen den verbleibenden Gesellschaftern nach Maßgabe ihrer Beteiligungen zu. Durch diese "Veränderung" der bestehen bleibenden Geschäftsanteile erwerben die verbliebenen Gesellschafter nicht im Sinne des § 2 Nr. 1 KVStG erstmals Gesellschaftsrechte. Die Geschäftsanteile, deren Einziehung den Umfang der Rechte und Pflichten der Gesellschaftsrechte der verbleibenden Gesellschafter verändert, sind in der Vergangenheit erstmals erworben worden; dieser Erwerb ist durch § 2 Nr. 1 KVStG schon erfaßt worden.

Das beklagte FA meint, handelsrechtlich hätten die Einziehung der eigenen Geschäftsanteile und die daran anschließende Erhöhung der Nennbeträge nur in der Weise durchgeführt werden dürfen, daß im Zusammenhang mit der Einziehung zunächst das Stammkapital herabgesetzt und anschließend wieder erhöht wurde. Diese Ansicht ist - wie schon das FG dargelegt hat - nicht richtig. Es braucht daher nicht näher zu der Äußerung des FA Stellung genommen zu werden, für die "steuerliche Beurteilung" müsse eine Kapitalherabsetzung mit anschließender Kapitalerhöhung "unterstellt" werden. An dieser Stelle mag der Hinweis genügen, daß die Steuerschuld an die Verwirklichung der gesetzlichen Tatbestandsmerkmale geknüpft ist (§ 1 Abs. 1 Satz 1 AO, § 3 Abs. 1 StAnpG); die Steuerpflicht kann nicht mit Hilfe einer im Gesetz nicht zum Ausdruck kommenden Sachverhaltsfiktion begründet werden.

Für die Gesellschaftsteuerpflicht ist es unerheblich, ob die Nennbeträge für die verbleibenden Geschäftsanteile geändert werden oder nicht. Diese Beträge brachten ursprünglich nur die Höhe der auf die Geschäftsanteile übernommenen Stammeinlagen zum Ausdruck. Die Veränderung der Nennbeträge besagt aber nicht, daß die nach der Amortisation verbleibenden Gesellschafter je ein neues Gesellschaftsrecht erwerben. Dadurch wird lediglich die Bezeichnung einer Wertgröße geändert, nicht aber eine Wertveränderung bewirkt. Der Umfang der mit den verbleibenden Gesellschaftsrechten verbundenen Rechte und Pflichten wird dadurch nicht berührt.

 

Fundstellen

Haufe-Index 69012

BStBl II 1970, 498

BFHE 1970, 74

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