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BAG Urteil vom 08.03.1995 - 10 AZR 208/94

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Entscheidungsstichwort (Thema)

Sonderzahlung bei vorzeitiger Beendigung des Arbeitsverhältnisses

 

Leitsatz (amtlich)

Der Arbeitgeber kann bei der Gewährung einer freiwilligen Leistung Arbeitnehmer, die im Laufe des Bezugsjahres ausgeschieden sind, auch dann von der Leistung ausnehmen, wenn er den im Laufe des Bezugsjahres neu eingetretenen Arbeitnehmern die Leistung anteilig gewährt.

Der Senat läßt dahingestellt, ob der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die nicht ohne weiteres erkennbaren Gründe für eine Differenzierung alsbald mitteilen muß, wenn er sich auf diese berufen will (so aber BAG Urteil vom 5. März 1980 – 5 AZR 881/78 – BAGE 33, 57 = AP Nr. 44 zu § 242 BGB Gleichbehandlung, Urteil vom 20. Juli 1993 – 3 AZR 52/93 – AP Nr. 11 zu § 1 BetrAVG Gleichbehandlung).

 

Normenkette

BGB §§ 611, 242

 

Verfahrensgang

LAG Niedersachsen (Urteil vom 22.10.1993; Aktenzeichen 6 Sa 1066/93)

ArbG Hannover (Urteil vom 23.04.1993; Aktenzeichen 2 Ca 21/93)

 

Tenor

1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 22. Oktober 1993 – 6 Sa 1066/93 – wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten der Revision.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um eine anteilige Sonderzahlung 1992 für die Monate Januar bis August.

Die Klägerin war bei den Beklagten gemäß Arbeitsvertrag vom 22. November 1990 ab 1. Januar 1991 als Sekretärin beschäftigt. Ihr monatliches Bruttogehalt betrug zunächst 3.000,00 DM und ab 1. Juli 1991 3.200,00 DM. Im November 1991 erhielt die Klägerin eine zusätzliche Zahlung von 3.100,00 DM brutto, die in der Gehaltsabrechnung und auf dem Überweisungsbeleg als „freiwillige Sonderzahlung” ausgewiesen war. Eine gesonderte Mitteilung über die Zahlungsvoraussetzungen oder eine ausdrückliche Vereinbarung über die Sonderzahlung war nicht erfolgt. Der Betrag von 3.100,00 DM entspricht dem durchschnittlichen Bruttomonatsgehalt der Klägerin im Jahr 1991. Das Arbeitsverhältnis endete durch Kündigung der Klägerin zum 31. August 1992.

Am 10. Dezember 1992 machte die Klägerin die Zahlung eines anteiligen Weihnachtsgeldes für 1992 in Höhe von 2.133,33 DM brutto (3.200,00 DM: 12 × 8) geltend.

Die Beklagten lehnten die Zahlung ab und wiesen u.a. darauf hin, daß Weihnachtsgeld, sofern es überhaupt gezahlt werde, nur an solche Mitarbeiter ausgezahlt werde, die das ganze Jahr über im Büro tätig waren und sich zum Jahresende nicht in einem gekündigten Anstellungsverhältnis befinden.

Im Jahre 1992 haben die Beklagten sämtlichen nichtanwaltlichen Mitarbeitern, deren Arbeitsverhältnis über den 31. Dezember 1992 hinaus fortbestand, zusammen mit dem Novembergehalt eine freiwillige Sonderzahlung gewährt; die während des Jahres 1992 eingetretenen Mitarbeiter erhielten die Sonderzahlung anteilig. An die während des Jahres bzw. zum Ende des Jahres 1992 ausgetretenen Mitarbeiter wurde keine Sonderzuwendung ausgezahlt.

Die Klägerin ist der Auffassung, bei der Sonderzahlung handele es sich um eine zusätzliche Vergütung für geleistete Arbeit innerhalb des Bezugszeitraumes, von der sie nicht hätte ausgenommen werden dürfen. Da die im Laufe des Jahres 1992 eingetretenen Mitarbeiter die Sonderzahlung erhielten, gebiete der Grundsatz der Gleichbehandlung die anteilige Zahlung der Sonderzuwendung an im Laufe des Jahres ausgeschiedene Mitarbeiter.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie 2.133,33 DM brutto nebst 16 % Zinsen hierauf seit dem 23. Dezember 1992 zu zahlen.

Die Beklagten haben beantragt, die Klage abzuweisen. Sie sind der Ansicht, die Sondervergütung diene auch als Ansporn für die Zukunft. Der Ausschluß der Klägerin von der Sonderzahlung verstoße nicht gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz, weil der Eintritt von Mitarbeitern im Kalenderjahr und der Austritt unterschiedliche Sachverhalte seien, für die der Gleichbehandlungsgrundsatz nicht eingreife.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin blieb ohne Erfolg. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihren Zahlungsantrag weiter; die Beklagten bitten, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Der Klägerin steht ein Anspruch auf die – anteilige – Sonderzuwendung für das Jahr 1992 nicht zu.

I. Zutreffend haben die Vorinstanzen den von der Klägerin geltend gemachten Anspruch verneint, weil eine Anspruchsgrundlage für die Gewährung der Sonderzahlung an die Klägerin nicht gegeben ist.

1. Der Anspruch ergibt sich nicht aus dem Arbeitsvertrag der Klägerin.

a) Zwischen den Parteien besteht keine arbeitsvertragliche Vereinbarung auf Zahlung der Sonderzuwendung. Die Klägerin kann einen Anspruch auch nicht aus der tatsächlich erfolgten Auszahlung an die Mitarbeiter der Beklagten im November 1992 herleiten.

Zu diesem Zeitpunkt war sie bereits aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden.

b) Der Anspruch der Klägerin ergibt sich auch nicht aus einer betrieblichen Übung. Wie das Landesarbeitsgericht zutreffend angenommen hat, liegt eine betriebliche Übung – unabhängig davon, daß die Zahlung der Sonderzuwendung 1991 ausweislich der Gehaltsabrechnung für November 1991 und des Überweisungsbelegs freiwillig erfolgt ist – bereits deswegen nicht vor, weil eine mehrjährige vorbehaltlose Zahlung durch die Beklagten in der Vergangenheit nicht erfolgt ist (BAG Urteil vom 26. Juni 1975 – 5 AZR 412/74 – AP Nr. 86 zu § 611 BGB Gratifikation). Aufgrund des Freiwilligkeitsvorbehalts sind die Beklagten darüber hinaus in jedem Jahr wieder frei zu entscheiden, ob sie überhaupt eine Sonderzahlung gewähren wollen und unter welchen Bedingungen das erfolgen soll.

2. Die Klägerin hat auch keinen Anspruch aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz.

a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist der Arbeitgeber, der in seinem Betrieb nach von ihm gesetzten allgemeinen Regeln freiwillige Leistungen gewährt, an den arbeitsrechtlichen Grundsatz der Gleichbehandlung gebunden (BAG Urteil vom 25. April 1991 – 6 AZR 532/89 – BAGE 68, 32 = AP Nr. 137 zu § 611 BGB Gratifikation, m.w.N.). Danach ist es ihm verwehrt, in seinem Betrieb einzelne oder Gruppen von Arbeitnehmern ohne sachlichen Grund von allgemein begünstigenden Regelungen auszunehmen oder sie schlechterzustellen. Bei freiwilligen Leistungen muß der Arbeitgeber die Voraussetzungen so abgrenzen, daß nicht sachwidrig oder willkürlich ein Teil der Arbeitnehmer von den Vergünstigungen ausgeschlossen wird (BAG Urteil vom 27. Oktober 1978 – 5 AZR 273/77 – AP Nr. 97 zu § 611 BGB Gratifikation; BAG Urteil vom 28. September 1989 – 6 AZR 539/87 – AP Nr. 1 zu § 27 MTA). Die Bindung des Arbeitgebers an den Gleichbehandlungsgrundsatz wird auch durch einen in den Vorjahren regelmäßig erklärten Freiwilligkeitsvorbehalt im jeweiligen Jahr der Zahlung nicht ausgeschlossen (BAG Urteil vom 27. Oktober 1978 – 5 AZR 273/77 –, aaO).

b) Der Ausschluß der Klägerin von der Gratifikation für das Jahr 1992 ist sachlich gerechtfertigt. Der Senat hat wiederholt entschieden, daß der Arbeitgeber bei der Gewährung einer freiwilligen – in der Regel zu Weihnachten gezahlten – Leistung danach differenzieren kann, ob das Arbeitsverhältnis am Auszahlungstag überhaupt noch oder noch ungekündigt besteht. Gratifikationen sollen – unabhängig davon, inwieweit mit ihnen auch eine künftige Betriebstreue bewirkt oder honoriert werden soll – den Arbeitnehmer auch für die Zukunft zu reger und engagierter Mitarbeit motivieren. Eine solche motivierende Wirkung kann eine Sonderzahlung gegenüber bereits ausgeschiedenen oder alsbald ausscheidenden Arbeitnehmern nicht mehr entfalten. Schon diese am Motivationszweck orientierte Differenzierung danach, ob das Arbeitsverhältnis am Auszahlungstag noch – ggfs. ungekündigt – besteht oder nicht ist sachlich gerechtfertigt, so daß ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz nicht vorliegt (BAG Urteil vom 19. November 1992 – 10 AZR 264/91 – BAGE 72, 1 = AP Nr. 147 zu § 611 BGB Gratifikation, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung des Gerichts vorgesehen, und vom 26. Oktober 1994 – 10 AZR 109/93 – zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen).

Das gilt auch dann, wenn mit der Gratifikation gleichzeitig in der Vergangenheit geleistete Dienste für den Betrieb zusätzlich anerkannt werden sollen, wie die anteilige Gewährung an Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis erst im Laufe des Bezugsjahres begonnen hat, ausweist. Der Zweck einer Sonderzuwendung allein vermag über die gesetzten Anspruchsvoraussetzungen hinaus einen Anspruch auf die Sonderzuwendung nicht zu begründen (Urteile des Senats vom 5. August 1992 – 10 AZR 88/90 – BAGE 71, 78 = AP Nr. 143 zu § 611 BGB Gratifikation, vom 16. März 1994 – 10 AZR 669/92 – AP Nr. 162 zu § 611 BGB Gratifikation, zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen).

3. Die Beklagten haben der Klägerin alsbald nach der Geltendmachung der Forderung mitgeteilt, aus welchen Gründen ihr die Sonderzahlung nicht gewährt worden ist. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob die alsbaldige Offenlegung der Gründe für eine Differenzierung Voraussetzung dafür ist, daß der Arbeitgeber sich auf diese Gründe berufen kann (so BAG Urteil vom 5. März 1980 – 5 AZR 881/78 – BAGE 33, 57 = AP Nr. 44 zu § 242 BGB Gleichbehandlung, BAG Urteil vom 20. Juli 1993 – 3 AZR 52/93 – AP Nr. 11 zu § 1 BetrAVG Gleichbehandlung).

Nach alledem haben die Vorinstanzen die Klage zu Recht abgewiesen. Die Revision der Klägerin war daher mit der Kostenfolge aus § 97 ZPO zurückzuweisen.

 

Unterschriften

Matthes, Hauck, Böck, Brose, Tirre

 

Fundstellen

Haufe-Index 436596

BB 1996, 223

BB 1996, 378

NJW 1996, 948

NZA 1996, 418

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