In der Literatur finden sich unterschiedliche Ansätze zur Klassifizierung von Bewertungsverfahren (vgl. Abb. 3). Neben den Zukunftserfolgswertverfahren, untergliedert in ertragswert- und marktwertorientierte Berechnungsverfahren, werden Substanzwertverfahren sowie "Praktikerverfahren" und Realoptionen unterschieden.

Anwendung in der Praxis

Untersuchungen von Henselmann und Barth über die Häufigkeit der Anwendung bestimmter Methoden in der Bewertungspraxis zeigen, dass pro Bewertungsfall durchschnittlich 2,65 Bewertungsmethoden zugrunde gelegt werden.[1] Meiner praktischen Erfahrung nach sind es regelmäßig das Substanzwertverfahren in der Form des Liquidationswerts zur Ermittlung des Mindestverkaufspreises des Verkäufers (Wertuntergrenze), das Ertragswertverfahren sowie das in der jeweiligen Branche übliche "Praktikerverfahren".

Abb. 3: Klassifizierung von Unternehmensbewertungsverfahren

[1] Henselmann/Barth, 2009. S. 9.

3.1 Substanzwertverfahren

Substanzwerte gibt es in den Ausprägungsformen Teil- und Vollreproduktionswert bei Unternehmensfortführung sowie den Liquidationswert im Falle der Zerschlagung. Bei den Substanzwertverfahren stellt die Summe der materiellen und immateriellen Vermögenswerte (betriebsnotwendig und nicht betriebsnotwendig) des Unternehmens abzüglich der Schulden, einer altersentsprechenden Abschreibung und ggf. weiterer Liquidationskosten den Wert des Unternehmens dar.

3.2 Praktikerverfahren

Unter dem Oberbegriff "Praktikerverfahren" lassen sich die Vergleichswertverfahren in ihren unterschiedlichen Ausprägungen zusammenfassen. Streng genommen zählen die Vergleichswertverfahren zu den marktwertorientierten Verfahren, da hier regelmäßig Marktwerte zur Berechnung herangezogen werden. Sie verfolgen das Ziel, den gesuchten Unternehmenswert aus vergleichbaren (veröffentlichten) Unternehmenswerten abzuleiten. Bei den Multiplikatoren werden z. B. betriebswirtschaftliche Kenngrößen mit einem Faktor multipliziert, der einem Marktwert entspricht, z. B. das KGV als Kurs-Gewinn-Multiple.

3.3 Realoptionsbasierte Modelle

Eine weitere Kategorie, die ebenfalls auf Marktwerten basiert, stellt die Realoptionspreistheorie dar. Realoptionsbasierte Modelle zur Berechnung eines Unternehmenswerts sind ein theoretisches Konstrukt, mit dem insbesondere die Wertfindung von wachstumsstarken Unternehmen und "Senkrechtstartern" nach der Gründungsphase ermöglicht werden soll. Beide Unternehmenstypen starten i. d. R. mit großen Anfangsinvestitionen, ohne dass in der Anlaufphase damit ein positiver Cashflow und Ertrag generiert wird. Die Marktprognose und die Entwicklungsmöglichkeit des zu bewertenden Unternehmens werden jedoch qualitativ von den Investoren als positiv gewertet.

Eine Anwendung der zukunftsorientierten Ertragswert- oder Discounted-Cash-Flow-Verfahren (DCF) scheidet bei negativen Werten von vornherein aus. Beim Optionspreismodell von Black und Scholes wird stattdessen das Eigenkapital einer verschuldeten Gesellschaft als Kaufoption auf die Aktiva verstanden. Der Investor erwirbt demnach eine Kaufoption auf Folgeinvestitionen. Da Optionspreismodelle Markwerte benötigen, die gewöhnlich für zu bewertende Unternehmen nicht existieren, ist ihre Anwendung in der Praxis äußert schwierig. Hinzu kommen die zugrunde liegenden komplexen mathematischen Modelle. Trotz alledem wird die Realoptionspreistheorie zur Begründung größerer Differenzen zwischen einem gezahlten Kaufpreis und dem Zukunftserfolgswert herangezogen.

3.4 Ertragswertverfahren

Hohe Akzeptanz

Das Ertragswertverfahren ist trotz der Popularität des DCF-Verfahrens noch immer das am häufigsten angewandte Bewertungsverfahren in Deutschland. Die Akzeptanz des Verfahrens innerhalb der Gerichtsbarkeit und der Finanzbehörden geben Anwendungssicherheit. Das OLG Düsseldorf hat in seinem Beschluss vom 10.6.2009[1] festgestellt, dass "die Ertragswertmethode allgemein anerkannt und verfassungsrechtlich unbedenklich" ist. Das Bundesverfassungsgericht bestätigt in seinem Beschluss vom 26.4.2011 die Verfassungskonformität: "So kann auch die Ertragswertmethode verfassungsrechtlich unbedenklich sein, ohne dass ihre Anwendung von Verfassungs wegen geboten wäre."[2] Im Beschluss vom 14.7.2009 vertritt das OLG München[3] die Auffassung, dass die Ermittlung des Unternehmenswerts unter Anwendung der Ertragswertmethode nicht zu beanstanden sei. Das OLG Stuttgart hat in seinem Beschluss vom 22.9.2009[4] ausgeführt, dass eine Unternehmensbewertung nach dem Ertragswertverfahren "keinen methodischen Bedenken" begegnet und die Ertragswertmethode "als eine geeignete Methode der Unternehmensbewertung" anerkannt ist. Mit Beschluss vom 14.9.2011 wiederholt und bestätigt das OLG Stuttgart[5] seine Betrachtungsweise. Demnach gibt es beim Ertragswertverfahren "keine methodischen Bedenken", es "ist anerkannt" und "verfassungsrechtlich unbedenklich".

Vorgehen

Mit dem Ertragswertverfahren wird die Summe aus finanziellem und nichtfinanziellem Nutzen berechnet. Hierbei folgt das Verfahren dem Grundsatz: "Bewerten heißt vergleichen". Im Falle des Ertragswertverfahrens werden die bereinigten, prognostizierte...

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