Kommentar

Liegt eine Geschäftsveräußerung im Ganzen nach § 1 Abs. 1a UStG vor, ist diese nicht steuerbar, der Erwerber tritt aber in die Rechtsposition des Veräußerers ein. Eine Geschäftsveräußerung im Ganzen kann entgeltlich, aber auch unentgeltlich erfolgen. In den vergangenen Jahren stand insbesondere die Geschäftsveräußerung im Immobilienbereich im Mittelpunkt der Rechtsprechung. Die OFD Niedersachsen fasst die bisher vorliegenden Ergebnisse zusammen und gibt darüber hinaus weitere praktische Hinweise:

  • Eine Geschäftsveräußerung liegt auch dann vor, wenn der Erwerber das übernommene Unternehmen in veränderter Form weiterführt oder er die Verwendungsabsicht hinsichtlich des erworbenen Unternehmens ändert. In einem solchen Fall ist auf die Verwendungsabsicht abzustellen.

Hinweis

Grundsätzlich muss der Erwerber das erworbene Unternehmen fortführen. Ein praktisches Problem ist immer, wie lange die Fortführung des Unternehmens in dieser oder wenigstens ähnlicher Form tatsächlich stattfinden muss. Dabei muss insbesondere beachtet werden, dass der Verkäufer regelmäßig keinen Einfluss auf die tatsächliche Fortführung des Unternehmens hat. Deshalb ist begrüßenswert, dass die Finanzverwaltung klarstellt, dass es auf die Fortführungsabsicht ankommt. Der Veräußerer sollte deshalb – soweit es ihm möglich ist – versuchen, die Fortführungsabsicht des Käufers zu dokumentieren.

  • Aus Veräußerungskosten ist der Verkäufer insoweit zum Vorsteuerabzug berechtigt, wie er bisher (in diesem Veranlagungszeitraum) selbst zum Vorsteuerabzug berechtigende Ausgangsleistungen bewirkt hat. Wenn der laufende Veranlagungszeitraum zu kurz ist, um eine realistische Quote festzulegen, kann auch der vorige Besteuerungszeitraum herangezogen werden.
  • Die OFD Niedersachsen vertritt die Auffassung, dass der Erwerber im Rahmen der "Fußstapfentheorie" auch die Bindungsfristen nach § 1a Abs. 4 UStG[1] und § 19 Abs. 2 Satz 2 UStG[2] übernehmen muss.
  • Hat der Veräußerer in einer Rechnung bei einer nichtsteuerbaren Geschäftsveräußerung fälschlicherweise Umsatzsteuer gesondert ausgewiesen, wird diese nach § 14c Abs. 1 UStG geschuldet, kann aber nur nach den verschärften Berichtigungsmöglichkeiten des § 14c Abs. 2 UStG berichtigt werden. Wird die Rechnung nicht berichtigt (oder kann nicht berichtigt werden) und zahlt der Veräußerer die unrichtig ausgewiesene Umsatzsteuer nicht, haftet der Erwerber unter den Voraussetzungen des § 75 i. V. m. § 191 AO als Betriebsübernehmer.[3] Für die Festsetzung der Umsatzsteuer und die Erteilung eines Haftungsbescheids ist das Finanzamt des Veräußerers zuständig.

Konsequenzen für die Praxis

Geschäftsveräußerungen im Ganzen oder Teilbetriebsveräußerungen kommen in der Praxis nicht so häufig vor, wenn es aber dazu kommen sollte, können schwerwiegende Fehler gemacht werden. Deshalb sollte grundsätzlich bei einem Unternehmensverkauf und vor allem bei dem Verkauf von Immobilien darüber nachgedacht werden, ob eine Geschäfts- oder Teilbetriebsveräußerung im Ganzen nach § 1 Abs. 1a UStG vorliegen kann.

Nachdem der BFH[4] entschieden hatte, dass sich die Geschäftsveräußerung auch nur auf einen Teil einer Immobilie beziehen kann, soweit der Erwerber in diesem Teil des Gebäudes die Vermietungstätigkeit des Veräußerers fortsetzt, kommt der Abgrenzung der Geschäftsveräußerung im Ganzen von der steuerbaren Veräußerung besondere Bedeutung zu.

Tipp

Handelt es sich bei einer Immobilienveräußerung nicht um eine Geschäftsveräußerung im Ganzen, liegt regelmäßig eine steuerbare, aber steuerfreie[5] Lieferung eines Grundstücks vor. Dies kann in bestimmten Fällen zu einer Vorsteuerberichtigung für den Verkäufer führen. Der Verkäufer sollte deshalb prüfen, ob eine Option (Verzicht auf die Steuerbefreiung) möglich und sinnvoll ist. Der Verzicht auf die Steuerbefreiung kann nur in dem notariellen Kaufvertrag[6] erklärt werden; der Käufer wird in diesem Fall zum Steuerschuldner.[7]

 

Link zur Verwaltungsanweisung

OFD Niedersachsen, Verfügung v. 19.9.2017, S 7100b – 1 St 171, UR 2018 S. 178.

[1] § 1a Abs. 3 UStG ermöglicht es sog. besonderen Unternehmern, die die Erwerbsschwelle nicht überschreiten, keine innergemeinschaftlichen Erwerbe zu besteuern. Auf diese Ausnahmeregelung kann der Unternehmer nach § 1a Abs. 4 UStG verzichten, er ist dann aber auf 2 Jahre an diesen Verzicht gebunden und muss dann innergemeinschaftliche Erwerbe der Besteuerung unterwerfen.
[2] Kleinunternehmer können nach § 19 Abs. 2 Satz 2 UStG auf die Anwendung der Kleinunternehmerbesteuerung verzichten; soweit sie dies tun, sind sie für 5 Jahre daran gebunden und können nicht wieder in die Kleinunternehmerbesteuerung zurückkehren.
[3] Dies gilt aber nicht für Erwerbe aus einem Insolvenz- oder Vollstreckungsverfahren (§ 75 Abs. 2 AO).
[5] Der Umsatz fällt unter § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG.

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