Auch wenn Medikamente für manche Patienten (lebens-)notwendig sind, entbindet sie das nicht von der Pflicht, die Wirkweise ihrer Medikation zu kennen. Ob nun ärztlich verschrieben oder selbst verordnet: Jeder Medikamentenkonsument trägt seinen Teil der Verantwortung für die Erfüllung der arbeitsvertraglichen Pflichten oder eine sichere Teilnahme am Straßenverkehr.

10.1.1 Medikamente und ihr Einfluss auf die Arbeitstätigkeit

Die beschriebenen Folgen von manchen Arzneipräparaten, welche die Arbeitsfähigkeit beeinträchtigen, wurden in Abschn. 5 beschrieben. Nicht nur Führungskräfte tragen im Rahmen ihrer Fürsorgepflicht auch die Organisationsverantwortung für eine gefahrlose Arbeitsausführung. Auch die Mitarbeiter selbst haben eine Sorgfaltspflicht, sich und ihre Kollegen nicht zu gefährden. § 15 DGUV-V 1 fordert:

Zitat

(1) Die Beschäftigten sind verpflichtet, nach ihren Möglichkeiten sowie gemäß der Unterweisung und Weisung des Unternehmers für ihre Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit sowie für Sicherheit und Gesundheitsschutz derjenigen zu sorgen, die von ihren Handlungen oder Unterlassungen betroffen sind. Die Versicherten haben die Maßnahmen zur Verhütung von Arbeitsunfällen, Berufskrankheiten und arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren sowie für eine wirksame Erste Hilfe zu unterstützen […].

(2) Versicherte dürfen sich durch den Konsum von Alkohol oder anderen berauschenden Mitteln nicht in einen Zustand versetzen, durch den sie sich selbst oder andere gefährden können.

(3) Absatz 2 gilt auch für die Einnahme von Medikamenten.

Ist sich ein Betroffener unsicher, ob er seine Arbeit gefahrlos ausführen kann, sollte er seinen Haus- oder Facharzt oder den Betriebsarzt zurate ziehen. Der Arzt wird unter Zugrundelegung der informationellen Selbstbestimmung abwägen, ob er im kritischen Fall seine Schweigepflicht brechen darf. Nur nach sorgfältiger Interessens- und Rechtsgüterabwägung darf er den Arbeitgeber informieren, dass durch die Arbeitsausführung Dritte oder Sachgüter von erheblichem Wert gefährdet sind. Bei Eigengefährdung des Betroffenen unterliegt der Betriebsarzt der Schweigepflicht und es liegt in der Verantwortung des Mitarbeiters, die Arbeit aufzunehmen oder weiterzuführen.[1]

10.1.2 Medikamente und ihr Einfluss auf die Teilnahme am Straßenverkehr

Ein generelles Fahrverbot nach Einnahme von Medikamenten gibt es nicht. Fachleute schätzen, dass sich von den rund 55.000 in Deutschland zugelassenen Medikamenten 2.800 Präparate (= 5 %) negativ auf die Teilnahme am Straßenverkehr auswirken.[1]

Andere Quellen sprechen von rund 15–20 % aller zugelassenen Medikamente, die nach Angaben ihrer Hersteller die Fahrtüchtigkeit beeinträchtigen.[2]

Besonders riskant sind Arzneimittel, die auf das zentrale Nervensystem einwirken (Schlafmittel, Beruhigungsmittel und Schmerzmittel). Aber auch Psychopharmaka und andere Medikamente wie Mittel gegen Bluthochdruck, Allergien, Herzerkrankungen, Magen-Darm-Erkrankungen oder Erkältungsmittel) beeinträchtigen die Fahrtüchtigkeit.

Der Deutsche Verkehrssicherheitsrat warnt: "Nicht nur verschreibungspflichtige Medikamente, sondern auch freiverkäufliche Arzneimittel können zum Risikofaktor beim Fahren werden. Das Statistische Bundesamt verzeichnete für das Jahr 2018 insgesamt 2.287 Unfälle mit Personenschaden (+14,9 % gegenüber 2017), die sich unter dem Einfluss 'anderer berauschender Mittel' (darunter auch Drogen) ereignet haben".[3]

Wenn jemand unter Medikamenteneinfluss einen Unfall verursacht oder an einem Unfall beteiligt war, muss er mit rechtlichen Konsequenzen rechnen. Er handelt grob fahrlässig, wenn er sich nicht über die Wirkweisen (Wirkungen, Nebenwirkungen und Wechselwirkungen) "seines" Medikamentes informiert hat.

Vermutet die Polizei, dass die Einnahme von Medikamenten oder Drogen das Fahrverhalten beeinträchtigt, kann eine Blutprobe angeordnet werden. Wenn jemand getötet oder schwer verletzt wurde, dann drohen Führerscheinentzug, Verlust des Versicherungsschutzes, Geldstrafen oder sogar Haft. § 315c Strafgesetzbuch steht dazu: "Wer infolge berauschender Mittel oder infolge geistiger oder körperlicher Mängel nicht in der Lage ist, das Fahrzeug sicher zu führen und dadurch Leib und Leben eines anderen Menschen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet, wird mit einer Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft."

Aussagen zu einer sicheren Teilnahme am Straßenverkehr findet man in den "Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung": Während einer akuten Krankheitsepisode darf kein Fahrzeug geführt werden, außer der Patient ist medikamentös gut eingestellt – kritisch ist die Einstellungsphase – und tut dies in Absprache mit seinem Arzt.

 
Wichtig

Zahlen, Daten, Fakten[4]

  • Jeder fünfte Verkehrsunfall wird unter dem Einfluss vom Medikamenten mit verursacht (vor allem unter dem Einfluss von Benzodiazepinen in Schlaf- und Beruhigungsmitteln).
  • Wer mit Benzodiazepinen im Blut fährt, ist – unabhängig von der eingenommenen Dosis – mindestens so beeinträchtigt wie mit 0,5 Promille Alkohol.
  • Bei lang wirkenden Ben...

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