I.

Der am xx.xx.2021 verstorbene Erblasser war seit xx.xx.2020 in zweiter Ehe mit der Beteiligten zu 1 verheiratet; er verstarb ohne eigene Kinder. Der Beteiligte zu 2 ist der Neffe der ersten Ehefrau des Erblassers, die Beteiligte zu 3 ist die Enkelin des Bruders des Erblassers. Die Beteiligten zu 2 und 3 waren Patenkinder des Erblassers und seiner ersten Ehefrau (verstorben am xx.xx.2016).

Am xx.xx.2001 errichteten der Erblasser und seine erste Ehefrau ein notarielles gemeinschaftliches Testament. Darin verfügten sie u.a.:

Zitat

“III.

Gemeinschaftliches Testament

Wir treffen im Wege des gemeinschaftlichen Testaments folgende Verfügungen von Todes wegen:

1) Wir setzen uns gegenseitig zum alleinigen und ausschließlichen Erben ein. Diese Erbeinsetzung gilt unabhängig davon, ob im Zeitpunkt des Todes des Erstversterbenden Abkömmlinge oder Eltern des Verstorbenen vorhanden sind.

2) Für den Fall des Todes des Längstlebenden von uns bestimmen wir hiermit als Schlusserben:

Unsere Patenkinder

a) [Beteiligter zu 2], geboren am xx.xx.1995, wohnhaft in xxx und

b) [Beteiligte zu 3], geboren am xx.xx.1995, wohnhaft in xxx

zu je ½ Anteil.

Zu Ersatzschlusserben berufen wir jeweils die zum Zeitpunkt des Schlusserbfalles lebenden Geschwister der vorgenannten Schlusserben.

3) Wir treffen die vorstehenden Verfügungen von Todes wegen im Wege des gemeinschaftlichen Testaments. Der Überlebende von uns ist berechtigt, die Schlusserbfolge sowie die Ersatzschlusserbfolge zu ändern, jedoch mit der Einschränkung, dass eine Hälfte des gesamten Nachlasses an Abkömmlinge der Geschwister des Ehemannes und die andere Hälfte des gesamten Nachlasses an die Abkömmlinge der Geschwister der Ehefrau fällt …

Mit notariellem Testament vom 25.11.2019 änderte der Erblasser die vorstehend zitierte Schlusserbenregelung dahin ab, dass statt der Beteiligten zu 3 seine zweite Ehefrau als Erbin zu ½ eingesetzt wird.

Drei handschriftliche Testamente vom 29.7.2020, 30.7.2020 und 12.2.2021 sind von der Beteiligten zu 1 geschrieben und vom Erblasser unterschrieben worden und enthalten die Alleinerbeneinsetzung der Beteiligten zu 1.

Der Beteiligte zu 2 beantragte am 31.10.2022 die Erteilung eines Erbscheins für sich und die Beteiligte zu 3 als Miterben zu je 1/2. Die Beteiligte zu 1 widersetzt sich dem und meint, statt der Beteiligten zu 3 sei sie mit notariellem Testament vom 25.11.2019 als Miterbin zu ½ neben dem Beteiligten zu 2 eingesetzt worden. Die Schlusserbeneinsetzung der Beteiligten zu 3 sei im gemeinschaftlichen Testament nicht wechselbezüglich verfügt worden.

Das Nachlassgericht hat dem Erbscheinsantrag des Beteiligten zu 2 im angefochtenen Beschl. v. 8.5.2023 entsprochen (Bl.’79/81 d.A.), der dagegen gerichteten Beschwerde der Beschwerdeführerin vom 14.6.2023 (Bl. 87/88 d.A.) wurde mit Beschl. v. 18.7.2023 nicht abgeholfen und die Akten dem Senat zur Entscheidung vorgelegt (Bl. 92/93 d.A.).

II.

Die zulässige Beschwerde erweist sich in der Sache als unbegründet. Das Nachlassgericht hat zutreffend die zur Begründung des Erbscheinsantrags vom 31.10.2022 erforderlichen Tatsachen für festgestellt erachtet. Die Beteiligten zu 2 und 3 sind Schlusserben zu je 1/2, da sich die Erbfolge nach dem notariellen Ehegattentestament vom 9.1.2001 richtet. In diesem wurden die Beteiligten zu 2 und 3 wechselbezüglich als Schlusserben nach dem Tod des Letztversterbenden eingesetzt.

1. Das gemeinschaftliche notarielle Testament vom 9.1.2001 enthält zwar keine ausdrückliche Regelung, ob die Schlusserbeneinsetzung wechselbezüglich und damit bindend ist, § 2271 Abs. 2 BGB. Das Testament ist jedoch dahin auszulegen, dass die Eheleute die Schlusserbeneinsetzung der Patenkinder wechselbezüglich getroffen haben.

1.1. Nach § 2270 Abs. 1 BGB sind in einem gemeinschaftlichen Testament getroffene Verfügungen dann wechselbezüglich und damit für den überlebenden Ehegatten bindend, wenn anzunehmen ist, dass die Verfügung des einen Ehegatten nicht ohne die Verfügung des anderen Ehegatten getroffen worden wäre, wenn also jede der beiden Verfügungen mit Rücksicht auf die andere getroffen worden ist und nach dem Willen der gemeinschaftlich Testierenden die eine mit der anderen stehen oder fallen soll (BayObLG, Beschl. v. 17.3.2005 – 1Z BR 106/04, FamRZ 2005, 1931 m.w.N). Ob Wechselbezüglichkeit i.S.d. § 2270 BGB vorliegt, ist nicht generell zu bestimmen, sondern muss für jede einzelne Verfügung nach den allgemeinen Auslegungsgrundsätzen (§§ 133, 2084 BGB) gesondert geprüft und bejaht werden (BGH, Urt. v. 16.6.1987 – IVa’ZR 74/86, juris; OLG München, Beschl. v. 24.10.2013 – 31 Wx 83/09, FamRZ 2010, 1846; Krätzschel in: Krätzschel/Falkner/Döbereiner, Nachlassrecht, 12. Aufl. 2022, § 11 Rn 12’ff.).

Maßgeblich ist allein der übereinstimmende Wille der Ehegatten zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung (BGH, Urt. v. 26.9.1990 – IV ZR 131/89, NJW 1991, 169; BayObLG, Beschl. v. 24.4.1997 – 1Z BR 234/96, juris Rn 16; OLG München, Beschl. v. 24.10.2013 – 31 Wx 139/13, juris Rn 10).

Auch notarielle Urkunden sind zur Erm...

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