Nachhaltige Transformation: Die Rolle der Mitarbeitenden

Meint es ein Unternehmen ernst mit Nachhaltigkeit, bedeutet das eine große Transformation. Entscheidend für den Erfolg ist es jedoch, die Mitarbeitenden einzubeziehen. Vier Klimapsychologinnen erklären, wie das gelingen kann. 

Die Ausrichtung auf Nachhaltigkeit kann Geschäftsmodelle ordentlich durcheinander wirbeln. Was bedeutet das für die Beschäftigten, die sich mit den bisherigen Produkten stark identifizieren? Worauf müssen Firmenlenker achten, damit die Transformation von den Beschäftigten mitgetragen wird? Klimapsycholog:innen sind Experten für solche Fragen. Sie untersuchen, wie sich der Klimawandel auf die Psyche auswirkt und wie wir Menschen zu klimagerechtem Handeln motivieren können. Auf diese sechs Punkte sollten Unternehmen bei der internen Transformation achten: 

1. Motivieren Sie mit Lösungen

„Wird immer nur über die Klimakrise und ihre Risiken gesprochen, entstehen bei den Menschen vorwiegend unangenehme Gefühle“, erklärt Ursula Maria Odrobina, freiberufliche Psychologin und Kommunikationsberaterin. Um davon nicht überwältigt zu werden, sei es psychologisch völlig plausibel, diese Gefühle zu verdrängen – die Krise also auszublenden. „Damit das nicht passiert, brauchen wir positive Handlungsoptionen als Ergänzung“, sagt Odrobina. Sprich: viele positive Beispiele. „Bei einer Apokalypse-Stimmung hat keiner Lust, mitzumachen“, ergänzt Verena Kantrowitsch, die als Psychologin im Öffentlichen Dienst arbeitet und Mitglied bei der Initiative „Psychologists for Future“ ist.

Bei der Kommunikation zu Nachhaltigkeit empfiehlt Odrobina, diese Faustregel im Hinterkopf zu behalten: „Es braucht drei positive Handlungsoptionen beziehungsweise Zukunftsvisionen auf ein negatives Krisenszenario, damit die Menschen handlungsfähig bleiben.“  Diese Sicht auf das Positive und Konstruktive hilft, Veränderungen umzusetzen. Widerstände entstehen nämlich leicht, wenn zum Schutz des Klimas Themen wie Dienstwagen, Dienstreisen, Druckernutzung oder das Angebot in der Kantine auf den Prüfstand kommen. „Dass Menschen genervt reagieren, wenn ihnen etwas genommen wird, ist völlig normal. Wichtig ist, darauf zu schauen: Wo sind die Vorteile? Wo liegen die Chancen?“, erklärt Anita Habel, Mitglied bei „Psychologists for Future“. So können Unternehmen zum Beispiel beim Jobrad oder einem veränderten Angebot der Kantine herausstellen, welchen Vorteil das für die persönliche Gesundheit der Beschäftigten hat. 

2. Sie brauchen eine Strategie und eine Vision

Entscheidend für den Erfolg sind eine positive Vision und eine klare Strategie. Auf der operativen Ebene von Nachhaltigkeit geht es um die Gestaltung von Prozessen, wie zum Beispiel Dienstreisen oder Druckernutzung. Darüber liegt die strategische Ebene: Was bedeutet die Transformation für das Unternehmen? Wohin wird es sich entwickeln? 

„Mit dieser strategischen Ebene kann man die Menschen begeistern und sie für eine Vision gewinnen. Fehlt sie, werden sie irgendwann von den operativen Änderungen nur noch genervt sein, weil das ‚Warum‘ für diese Änderungen fehlt“, erklärt Kantrowitsch. Die Strategie verhindert auch, dass die Beschäftigten das Gefühl haben, es werde alles auf sie abgewälzt. „Wenn das Unternehmen sich nicht verändert und nur Veränderungen von den Mitarbeitenden verlangt, ist es verständlich, dass die Akzeptanz fehlt“, sagt Kantrowitsch. 

3. Beziehen Sie die Führungskräfte ein

Die nachhaltige Transformation wird nicht ohne Unterstützung der Führungskräfte gelingen. „Es ist äußerst wichtig, dass die Führungskräfte das als ihr Kernthema darstellen. Sonst bleibt Nachhaltigkeit ein nice to have“, meint Kantrowitsch. 

Das Management ist besonders wichtig, um die drei für die Transformation wichtigen Komponenten – Motivation, Kompetenzen und Strukturen – zu erreichen, betont Janna Hoppmann, Trainerin für Klimapsychologie und Gründerin des Weiterbildungs- und Beratungszentrums ClimateMind. Durch strategische Entscheidungen beeinflussen die Manager die Struktur und Organisation, durch die Personalpolitik die Kompetenzen und durch ihr Führungsverhalten die Motivation der Mitarbeitenden. Gerade bei letzterem sind sie sehr gefordert: „Die Führungskraft muss ihre Empathie schulen und ein echtes Feingespür für Kommunikation und psychologische Prozesse entwickeln. Erst dann kann sie die Sorgen der Beschäftigten auffangen und sie für die Veränderung bestmöglich motivieren“, unterstreicht Hoppmann. 

Um die Managementebene zu aktivieren, müsse die Unternehmensleitung über Fakten sprechen, die für Führungskräfte oft entscheidend seien, empfiehlt Habel: „Nachhaltigkeit kann einen Wettbewerbsvorteil bringen, die Mitarbeiterzufriedenheit erhöhen, die Attraktivität fürs Recruitment steigern. Das sind häufig die Argumente, die Führungskräfte verstehen.“ Ebenso könne es helfen, auf andere Unternehmen der Branche zu verweisen, die in puncto Nachhaltigkeit schon weiter sind und damit Erfolg haben. 

4. Sorgen Sie für umfassendes Wissen

Seit langem schon ist das Problem des Klimawandels bekannt. Und viele denken: „Die Menschen müssen nur mehr über den Klimawandel wissen, dann werden sie entsprechend handeln.“  Doch die Wirklichkeit zeigt, dass das nicht funktioniert. „Es reicht nicht, nur das Problem zu kennen“, erklärt Odrobina. Wir Menschen müssten auch wissen, was wir tun können und wie effektiv das ist. Entscheidend sei daher, nicht nur Problemwissen zu vermitteln, sondern auch Handlungs- und Effektivitätswissen. Und sich gleichzeitig bewusst zu machen, dass Wissen allein nicht ausreicht. 

Für Unternehmen, die mit ihrem Geschäft einen Beitrag zur Nachhaltigkeit leisten, sei es laut Odrobina daher wichtig, dass Mitarbeitende nicht nur über die Probleme Bescheid wissen, sondern dass sie auch verstehen, wie das Unternehmen mit seinen Produkten oder Dienstleistungen zur Lösung beiträgt. Dies stärke das Gefühl der kollektiven Selbstwirksamkeit, das wiederum zum Handeln motiviert. 

5. Kollektive Erfolgserlebnisse motivieren

„Die Klimakrise kann keiner allein lösen“, sagt Verena Kantrowitsch. „Liegt der Schwerpunkt auf dem Einzelnen, steht das der nötigen Veränderung im Weg. Wir brauchen kollektive Erfolgserlebnisse, also die Erfahrung, dass wir als Gruppe Probleme lösen, die für den Einzelnen zu groß sind.“ Gute Beispiele sind wichtig, um zu zeigen, dass wir gemeinsam Großes erreichen und die Krise lösen können. 

„Wir brauchen im Unternehmen eine kritische Masse an Menschen mit einer großen Leidenschaft, die Nachhaltigkeitsthemen voranzutreiben. Wir wollen die Mitarbeitenden einladen, Teil einer Bewegung zu werden“, sagt Hoppmann. Und noch etwas ist ihr wichtig: „Wir wollen das Thema Veränderung so angehen, dass es Spaß macht. Das erreichen wir, wenn die Menschen ihre Stärken für Nachhaltigkeit einsetzen können.“ 

6. Partizipation ist wesentlich

„Es müssen alle überzeugt sein von der Idee, dass Nachhaltigkeit wichtig ist. Das erreichen Sie nur mit Partizipation“, sagt Kantrowitsch. „Durch die Beteiligung der Beschäftigten entsteht eine stärkere Bindung. Und man findet so Lösungen, die auch wirklich passen“, sagt Habel. Das wiederum erleichtere die Implementierung deutlich. So könne die nachhaltige Transformation auch zu einer neuen Unternehmenskultur führen. „Sie müssen das nicht allein schaffen. Holen Sie sich Unterstützung, zum Beispiel Prozessbegleitung von Arbeits- und Organisationspsycholog:innen oder Konfliktbegleitung von Mediator:innen."

Wichtig sei zudem, deutlich zu machen, dass zur Nachhaltigkeit im Unternehmen jeder etwas beitragen kann. „Die Verantwortung dafür darf nicht nur bei den Führungskräften oder der Nachhaltigkeitsabteilung liegen“, warnt Habel. Ein wichtiges Signal sei zum Beispiel, dass die Zeit, die Beschäftigte in die nachhaltige Transformation investieren, als Teil der Arbeitszeit gilt. Hoppmann ergänzt: „Wenn die Menschen Sorge haben, nachhaltiges Handeln würde abgelehnt, ist das hinderlich. Unternehmen brauchen eine Kultur, die Nachhaltigkeitsverhalten wertschätzt. Das baut kollektive Identitäten auf.“ 

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