Praxis-Tipp: Arbeitszimmer eines Pensionärs

Der Vollabzug der Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer lässt sich nach einer aktuellen Entscheidung des BFH für Pensionäre erreichen. Die Finanzverwaltung will das Urteil, das ihrer bisherigen Auffassung widerspricht, demnächst allgemein anwenden.

Befindet sich der Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Tätigkeit im häuslichen Arbeitszimmer, sind die Aufwendungen hierfür voll abzugsfähig. Zur Feststellung des Mittelpunktes ist auf die gesamte der Erzielung von Einkünften dienende Tätigkeit des Steuerpflichtigen abzustellen.

Übt ein Steuerpflichtiger mehrere Tätigkeiten aus, ist der Mittelpunkt anhand der Gesamtbetrachtung aller von ihm ausgeübten Tätigkeiten zu bestimmen. Für die Beurteilung des qualitativen Schwerpunktes kommt der Haupttätigkeit ein besonderes Gewicht zu. Nach der Rechtsprechung des BFH (Urteil v. 16.12.2004, IV R 19/03) wird der Schwerpunkt der Gesamttätigkeit durch den Mittelpunkt der Haupttätigkeit indiziert. Als Haupttätigkeit ist jede nichtselbstständige Vollzeitbeschäftigung eines Steuerpflichtigen aufgrund eines privatrechtlichen Arbeits-/Angestelltenverhältnisses oder eines öffentlich rechtlichen Dienstverhältnisses anzusehen. Insoweit kann typisierend davon ausgegangen werden, dass der vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmer dem Arbeitgeber regelmäßig seine „normale“ Arbeitszeit und damit seine „volle“ Arbeitskraft schuldet.

Beispiel: A ist im Hauptberuf Finanzbeamter (Innendienst) und seit mehreren Jahren nebenberuflich als Autor von Steuerfachliteratur tätig. Die schriftstellerische Tätigkeit erbringt er ausschließlich in seinem häuslichen Arbeitszimmer, welches auch ausschließlich für diese Zwecke genutzt wird.

Der Mittelpunkt liegt im Hauptberuf in der Dienststelle von A, sodass der Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Tätigkeit außerhalb des häuslichen Arbeitszimmers anzusehen ist. Da A aber keine anderer Arbeitsplatz für seine schriftstellerische Tätigkeit zur Verfügung steht, kann er nach § 4 Abs. 5 Nr. 6b Satz 2 und 3 1. Hs. EStG zumindest 1.250 EUR als Betriebsausgabe geltend machen, weil für den begrenzten Abzug (abweichend vom Vollabzug) für jede berufliche oder betriebliche Tätigkeit isoliert geprüft wird, ob außer dem Arbeitszimmer noch ein anderer Arbeitsplatz für diese Tätigkeit zur Verfügung steht.

Praxis-Tipp: Ist A aber jetzt z. B. zum 1.1.2015 pensioniert worden, übt er keine Vollzeitbeschäftigung mehr aus, sodass der Werthaltigkeit der einzelnen Tätigkeit, der Höhe der erzielten Einnahmen sowie dem zeitlichen Aufwand eine indizielle Bedeutung für die Bestimmung des Mittelpunktes der einkünfterelevanten Tätigkeiten zukommt. Auch vermögensverwaltende Tätigkeiten (z. B. Vermietung und Verpachtung) werden mit einbezogen, auch wenn hier die „Nutzenziehung“ im Vordergrund steht (BFH, Beschluss v. 27.3.2009, VIII B 184/08).

Der BFH hat aber aktuell – und entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung – klargestellt (Urteil v. 11.11.2014, VIII R 3/12, wird in Kürze im Bundessteuerblatt veröffentlicht), dass Einkünfte aus früheren Dienstleistungen nicht mit einzubeziehen sind. Denn sie werden nicht durch eine im Veranlagungszeitraum ausgeübte Tätigkeit erzielt und sind auch nicht Ausfluss der Nutzenziehung aus einer vermögensverwaltenden Tätigkeit. Im Rahmen der Gesamtbetrachtung und Gewichtung der einzelnen Tätigkeiten für die Bestimmung des Mittelpunktes der gesamten Tätigkeit sind nur solche Einkünfte zu berücksichtigen, die grundsätzlich ein Tätigwerden des Steuerpflichtigen im jeweiligen Veranlagungszeitraum erfordern. Dies ist bei Einkünften, bei denen die Nutzenziehung im Vordergrund steht der Fall, weil z. B. die Vermögensverwaltung eines Vermieters ein grundsätzliches kontinuierliches, aktuelles Tätigwerden des Steuerpflichtigen erfordert. Versorgungsbezüge stellen aber nachträgliches Entgelt für vor dem Eintritt in den Ruhestand geleistete Arbeit dar.

Für A bedeutet dies, dass die von ihm im Arbeitszimmer ausgeübte schriftstellerische Tätigkeit nun allein im qualitativen Mittelpunkt steht, sodass er seine Kosten in voller Höhe als Betriebsausgabe geltend machen kann.