Häusliches Arbeitszimmer eines Pensionärs voll abziehbar

Für die Frage, ob das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der betrieblichen oder beruflichen Tätigkeit bildet, sind nur Einkünfte, die ein Tätigwerden erfordern, - nicht Versorgungsbezüge - zu berücksichtigen.

Hintergrund

Der Pensionär P, ein Ingenieur, wurde im März des Streitjahrs 2007 pensioniert und bezog ab April Versorgungsbezüge. Daneben erzielte er zusammen mit seiner Ehefrau geringfügige Einkünfte aus der Vermietung einer Wohnung sowie aus Kapitalvermögen.

Im Juli nahm P eine selbständige Tätigkeit als Gutachter auf. Dafür nutzte er ein Arbeitszimmer von 26,90 qm im Keller des privat genutzten Einfamilienhauses der Eheleute. Der mit Büromöbeln ausgestattete Raum war an die Heizung angeschlossen und mit für Wohnräume üblichen Boden- und Wandbelägen versehen. Das eingeschossige Gebäude war voll unterkellert und hatte eine Gesamtwohnfläche von 135,97 qm.

P machte bei seinen Einkünften aus selbständiger Arbeit nach einer Gegenüberstellung der Fläche des Arbeitszimmers (26,90 qm) zur Wohnfläche zuzüglich des Arbeitszimmers (135,97 qm + 26,90 qm = 162,87 qm) 16,51 % (= 3.372,51 EUR) der gesamten Gebäudekosten (20.427,09 EUR) als auf das Arbeitszimmer entfallende Betriebsausgaben geltend. Das FA anerkannte die Aufwendungen nur in Höhe von 1.250 EUR an. Es verwies auf die Regelung in § 4 Abs. 5 Nr. 6b EStG. Danach ist der Abzug der Höhe nach nur dann nicht auf diesen Betrag begrenzt, wenn das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten beruflichen Betätigung bildet.

Das FG gab der Klage teilweise statt. Es ließ Aufwendungen in Höhe von 2.242,89 EUR zum Abzug zu. Es war der Auffassung, das Arbeitszimmer stelle den Tätigkeitsmittelpunkt des P dar. Jedoch seien lediglich 10,98 % der Gesamtgebäudekosten abziehbar. Denn neben der Wohnfläche (135,97 qm) sei auch die gesamte Kellerfläche (108,97 qm) - nicht nur die des Arbeitszimmers selbst - bei der Ermittlung des Kostenanteils des Arbeitszimmers zu berücksichtigen. Das FG setzte somit die 26,90 qm ins Verhältnis zu 244,94 qm (135,97 qm + 108,97).

Entscheidung

Der BFH ist mit dem FG der Auffassung, dass das Arbeitszimmer des P den Mittelpunkt seiner gesamten betrieblichen und beruflichen Tätigkeit bildete. Für die Bestimmung des Tätigkeitsmittelpunktes sind zwar grundsätzlich nicht nur die Einkunftsarten, für die eine Tätigkeit prägend ist, sondern auch Einkünfte, bei denen die "Nutzenziehung" im Vordergrund steht, zu berücksichtigen. Auch insoweit liegt ein aktives Tätigwerden vor, z.B. bei Vermögensverwaltung oder Vermietertätigkeit. Dagegen sind Einkünfte aus früheren Dienstleistungen nicht mit einzubeziehen. Denn sie werden nicht durch eine im Veranlagungszeitraum ausgeübte Tätigkeit erzielt und sind auch nicht Nutzungen aus einer vermögensverwaltenden Betätigung.

Da sich der Mittelpunkt der Gesamttätigkeit nach dem Mittelpunkt der Haupttätigkeit richtet, lag der Tätigkeitsmittelpunkt des P in seinem Arbeitszimmer im Keller. Die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung und Kapitalvermögen treten wegen Geringfügigkeit zurück. Die auf das Arbeitszimmer entfallenden Aufwendungen sind somit in voller Höhe abziehbar. Die Revision des FA, das den Abzug auf 1.250 EUR begrenzen wollte, wurde daher zurückgewiesen.

Die Revision des P war dagegen begründet. Bei der Höhe der abziehbaren Aufwendungen für das Arbeitszimmer sind die übrigen im Keller belegenen Räume - entgegen der Auffassung des FG - nicht in die Berechnung der anteiligen Fläche des Arbeitszimmers einzubeziehen. Die Größe des Arbeitszimmers (26,90 qm) ist vielmehr zu der Wohnfläche zuzüglich des Arbeitszimmers (135,97 qm + 26,90 qm = 162,87 qm) ins Verhältnis zu setzen, sodass der Kostenanteil 16,51 % der Gesamtkosten von 20.427,09 EUR = 3.372,51 EUR beträgt. Da das Arbeitszimmer nach seiner Ausstattung und Einrichtung wie ein Wohnraum gestaltet war, stellte es keinen Nebenraum dar, sondern war zur Wohnfläche gehörig zu behandeln.

Hinweis

Die Entscheidung präzisiert die Voraussetzungen für den Abzug der Arbeitszimmerkosten über den Höchstbetrag von 1.250 EUR hinaus.

Für die Feststellung des Tätigkeitsmittelpunkts sind sämtliche Einkunftsarten, bei denen eine Tätigkeit prägend ist, einzubeziehen. Das umfasst auch die vermögensverwaltende Tätigkeit (Kapitalvermögen, Vermietung und Verpachtung), auch wenn hier die "Nutzenziehung" im Vordergrund steht. Nicht erfasst werden Einkünfte aus früheren Tätigkeiten. Bei mehreren Tätigkeiten ist zunächst der Mittelpunkt jeder Tätigkeit festzustellen. Sodann ist der qualitative Schwerpunkt der Gesamttätigkeit zu ermitteln. Der Tätigkeitsmittelpunkt bestimmt sich dann nach dem Mittelpunkt der Haupttätigkeit. Im Zweifel ist auf die Höhe der Einnahmen, das Gewicht und den Zeitaufwand für die jeweilige Tätigkeit abzustellen. Die Gewichtung dieser Indizien bestimmt sich nach den Umständen des Einzelfalls.

Für die Berechnung der anteiligen Betriebsausgaben ist das Verhältnis der Fläche des Arbeitszimmers zu der Wohnfläche der Wohnung (einschließlich des Arbeitszimmers) zu ermitteln. Die Berechnung erfolgt nach der Wohnflächenverordnung (WoFlV), die die frühere Zweite Berechnungsverordnung (II. BV) ersetzt. Danach werden nur Wohnflächen, nicht Nebenräume wie Kellerräume in die Berechnung einbezogen. Werden beruflich genutzte Nebenräume in die Kostenberechnung einbezogen, müssen diese Kosten entsprechend der Gesamtfläche aller Räume (unter Einbeziehung der Nebenräume) aufgeteilt werden. So rechnete das FG, da es das Arbeitszimmer nicht als Wohnraum ansah. Nicht zulässig ist es, neben der Wohnfläche ausschließlich noch die Fläche der betrieblich genutzten Nebenräume einzubeziehen. Denn dann bliebe der auf die außerbetrieblich genutzten Nebenräume und damit privat veranlasste Kostenanteil unberücksichtigt.

Die Berechnung des BFH dient der Praktikabilität und wirkt sich zugunsten des Steuerpflichtigen aus, da die Aufwendungen für die Nebenräume unabhängig von ihrer Nutzung nach dem Verhältnis der für die (Haupt-)Wohnräume ermittelten Nutzung aufgeteilt werden.

Urteil v. 11.11.2014, VIII R 3/12, veröffentlicht am 25.2.2015