Leitbild und wertorientierte Führung in der Steuerkanzlei

Kanzleikultur, -werte und Leitbild systematisch und planvoll zu entwickeln ist ein Widerspruch in sich:  Was alle Mitglieder einer Gruppe, Organisation oder Kanzlei als "geltende Werte, Normen und Regeln, die hier gelten", wahrnehmen, wird von vielen Einflussfaktoren bestimmt – selten bis gar nicht aber von "direkten Ansagen von oben". Deshalb ist ein Kanzleileitbild vor allem eines nicht: Statements unter der Überschrift "Unser Leitbild", die in Ihrer Kanzlei hängen oder die Sie auf Ihrer Homepage in der Rubrik "Philosophie", "Unsere Mission", "Unser Kanzleileitbild" veröffentlichen.

Wie als Kanzleileitung das Leitbild überhaupt festlegen, beeinflussen oder entwickeln?

Die unbefriedigende Antwort heißt: Schaffen Sie ein Umfeld, das ein guter Nährboden für die gewünschte Kanzleikultur ist. Naturgemäß ist der Einfluss der Inhaber und Inhaberinnen von Kanzleien als kleinen und inhabergeführten Unternehmen sehr groß – z. B. im Vergleich zu Managern in Konzernen. Darin liegt aber auch die Krux – denn oft leben Steuerberaterinnen und Steuerberater, auch „negative“ bzw. nicht gewünschte Werte vor: Getrieben sein von den Anforderungen des Tagesgeschäfts, Opfer der Umstände und des Arbeitsdrucks sein, allen Aufgaben und Terminen nur hinterherrennen, selbst gesetzte Projekte und interne Termine vernachlässigen etc.; auch das sind Dinge, die die Wahrnehmung aller Personen in der Kanzlei auf „geltende Werte und Normen“ maßgeblich prägen. Im Gegensatz dazu sind angestrebte und gewünschte Leitbilder bestimmt von besonderer Serviceorientierung für Mandanten, fachlich ausgezeichneter Qualität und exzellenten Entwicklungsmöglichkeiten für fähige und leistungsbereite Mitarbeiter.

Die Praxis lebt von diesem Spannungsfeld

Kanzleien mit stark ausgeprägten Werten entwickeln sich gerade durch gemeinsame Anstrengung und Umbruchphasen, z. B. wenn die Kanzlei stark wächst, oder getrieben durch Anforderungen wichtiger Mandanten neue Dienstleistungen (Stichwort: digitale Belegführung) einführt und nutzt, oder sich sonst wie stark verändert. Dagegen gibt es auch Kanzleien, die sich scheinbar in einem Dornröschenschlaf befinden – alles läuft wie immer, zwar steigt der Arbeitsdruck, aber in der Kanzlei bewegt sich eigentlich wenig.  Und wenn die letzten Mandanten in Ruhestand gehen, kann auch die Kanzlei endgültig zugeschlossen werden – denn neue und junge Mandanten bleiben sowieso aus. Gerade in Kanzleien, wo in den letzten Jahren wahrnehmbare Entwicklung ausgeblieben ist, kann eine gezielte und von außen begleitete Entwicklung eines Leitbilds neue und nötige Impulse liefern. Ersteren Kanzleien hilft ein Leitbildprozess, mal in allem Umbruch und von ständig neuen Entwicklungen geprägten Arbeitsalltag langfristige Orientierung und Stabilität hereinzubringen.

Warum sollten sich Kanzleien mit Ihren Werten und Visionen – dem Leitbild – auseinandersetzen?

Gerade im Hinblick auf die Initiative „Steuerberatung 2020“ steht für jede Kanzlei die Frage im Raum, sich mit den Kernfragen ihrer Existenz auseinanderzusetzen:

  • Was macht unsere Kanzlei im Kern aus, was ist der Kleister, der unsere Kanzlei zusammenhält? (z. B. sind wir eher Steuerbüro oder professionelles Dienstleistungsunternehmen?)
  • Was ist der Existenzgrund unserer Kanzlei?
  • Was ist die Motivation der Personen, die jeden Tag in die Kanzlei kommen und durch ihre Arbeit am Leben erhalten?
  • Welches langfristige Ziel (Vision) verfolgen wir alle gemeinsam in der Kanzlei?
  • Was motiviert uns, die dafür notwendige Energie und das Durchhaltevermögen aufzubringen?

Die Emotionalität, die hinter diesen Fragen steht, ist der Grund, warum sich ein Kanzleileitbild – im Gegensatz zu einer Geschäftsstrategie – nicht überwiegend sachlich und inhaltlich planen und umsetzen lässt. Kanzleikultur entsteht durch Begeisterung der Menschen in der Kanzlei. Dennoch haben Sie in der Kanzlei die Möglichkeit, durch das bewusste setzen von kulturbildenden Ereignissen (Recruiting- und Einführungsprozess für neues Personal, gemeinsame Veranstaltungen, Art und Weise wie interne Meetings abgehalten werden, …) auch konkretes Werkzeug zur Verfügung, Werte und Vision der Kanzlei in die von Ihnen als Inhaberunternehmer der Kanzlei gewünschte Richtung zu lenken. Nicht nötig zu sagen, dass das ein fortwährender Prozess ist.

Was sind die Knackpunkte für einen Entwicklungsprozess zum Kanzleileitbild?

  1. Alle Personen in der Kanzlei müssen in die Leitbildentwicklung einbezogen werden – wenn auch nicht alle in gleicher Intensität. Das trägt dazu bei, dass das Leitbild realistisch entwickelt wird und bessere Chancen hat, auch gelebt zu werden.
  2. Das Leitbild muss inhaltlich konkret sein. Werte und Leitsätze sollten positiv und negativ abgegrenzt werden.
  3. Es müssen nicht diskutierbare Regeln festgelegt werden, wie genau das Leitbild sich im Tagesgeschäft (z. B. Verhalten aller, Arbeitsprozesse, Arbeitsergebnisse) auswirkt. Gleichzeitig müssen Sanktionen festgelegt werden, die bei Nichteinhalten in Kraft treten. Auch wenn das die Folge hat, dass Personen die Kanzlei verlassen, die das Leitbild nicht leben wollen.
  4. Klärung der Frage – in vielen Details – woran Sie erkennen, dass das Leitbild gelebt wird. So konkret, dass es jede Person in der Kanzlei verstehen kann.
  5. Benennen Sie verantwortliche Personen in der Kanzlei, die die Einhaltung des Leitbilds überwachen.

Kostenloses Online-Seminar

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www.ulfhausmann.de


Schlagworte zum Thema:  Kanzlei, Mitarbeiterführung