SanInsFoG: Neuerungen im Bereich des Insolvenzantrags

Durch das Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetz hat es wichtige Änderungen bei der Stellung von Insolvenzanträgen gegeben, insbesondere im Bereich der Insolvenzantragsgründe.

Zum 1.1.2021 ist das Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetz (SanInsFoG) in Kraft getreten (BGBl 2020 I S. 3256). Wesentliche Neuerungen mit besonderer Praxisrelevanz im Bereich der Insolvenzordnung gibt es bei den Insolvenzantragsgründen.

Hinweis: Bedeutung für Steuerkanzleien und Geschäftsleitung

Die Bedeutung des SanInsFoG ist teils erheblich und dies über den Bereich der Personen hinaus, die direkt den Pflichten zur Stellung eines Insolvenzantrags bei Vorliegen der Antragsgründen unterliegen. Dies sind vor allem die Personen, die die Geschäftsleitung eines Unternehmens bilden.

Aber auch für steuerliche Berater von Unternehmen ist es unerlässlich, sich mit der Frage auseinander zu setzen, wann ein Insolvenzantragsgrund vorliegt. Denn durch den ebenfalls durch das SanInsFoG eingeführten § 102 StaRUG treffen Steuerberater, Rechtswälte oder Wirtschaftsprüfer im Rahmen der Erstellung von Jahresabschlüssen Prüfungs- und Warnpflichten hinsichtlich der Fortführungsfähigkeit von Unternehmen. Insofern ist es unerlässlich zu wissen, wann ein Insolvenzantrag zu stellen ist. 

Hintergrund: StaRuG und Änderungen der Insolvenzordnung

Das SanInsFoG betrifft im Wesentlichen zwei Teilbereiche. Durch den ersten Teil wird eine EU-Richtlinie in deutsches Recht umgesetzt. Die Umsetzung der Richtlinie ist durch das Unternehmensstabilisierungs- und restrukturierungsgesetz (StaRUG) erfolgt. Neben dem StaRUG umfasst das SanInsFoG aber auch weitere Änderungen der Insolvenzordnung (InsO), die teilweise erheblich sind.

Nachfolgend werden die Bestimmungen erörtert, die im Zusammenhang mit der Stellung des Insolvenzantrags stehen. Sehr informativ hierzu ist auch der Entwurf einer Neufassung des IDW Standards ES 11: Beurteilung des Vorliegens von Insolvenzantragsgründen. Diese Neufassung, die sicherlich zeitnah in der Endfassung verabschiedet werden wird, stellt die Neuregelungen sowie die Folgen, die sich hieraus für gesetzliche Vertreter aber auch Steuerberater, Wirtschaftsprüfer und Rechtsanwälte solcher Unternehmen ergeben, dar.

Wesentliche Neuerungen zum Insolvenzantrag

Die wichtigsten Gesetzesänderungen durch das SanInsFoG im Zusammenhang mit der Stellung des Insolvenzantrags sind:

COVID-19-Pandemie: Verkürzter Prognosezeitraum

Die Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantrags ist für die gesetzlichen Vertreter solcher Schuldner bis 30.4.2021 ausgesetzt, die zwischen dem 1.11.2020 und dem 28.2.2021 einen Antrag auf Gewährung von Coronahilfen (November- und Dezemberhilfe, Überbrückungshilfe III) gestellt haben. Dies gilt nicht, wenn offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg der Antragstellung gegeben war oder die Hilfeleistungen die Insolvenzreife nicht beseitigen würden. Außerdem wird der Prognosezeitraum für die positive Fortführungsprognose von 12 auf 4 Monate unter gewissen Voraussetzungen verkürzt, wenn - grob gesagt - die wirtschaftlichen Schwierigkeiten auf der COVID-19-Pandemie beruhen. In diesen Fällen wird auch der Zugang zur Eigenverwaltung und zum Schutzschirmverfahren für das Jahr 2021 erleichtert.

Frist zur Stellung eines Insolvenzantrags

Erhebliche Bedeutung für die Praxis haben die Änderungen, die sich in der Insolvenuzordnung im Hinblick auf die Fristen zur Stellung eines Insolvenzantrags bei einer juristischen Person ergeben haben. Ein solcher Antrag ist weiterhin unverzüglich zu stellen, also ohne ein schuldhaftes Zögern. Dies erfordert bei Zahlungsunfähigkeit eine Antragstellung weiterhin spätestens nach 3 Wochen. Bei einer Überschuldung ist diese Frist hingegen nunmehr 6 Wochen nach Eintritt der Überschuldung, um dem Schuldner mehr Zeit für Sanierungsbemühungen zu geben (§ 15a Abs. 1 Satz 1 und 2 InsO). Insofern ist zukünftig zu differenzieren, welcher Insolvenzantragsgrund besteht, um die Frist, in der der Antrag zu stellen ist, beurteilen zu können.

Zahlungsverboten bei Insolvenzreife

In § 15b InsO findet sich nunmehr eine umfassende Regelung zu Zahlungsverboten bei Insolvenzreife. Zahlungen dürfen nach Eintritt eines Insolvenzgrundes dabei nur noch dann geleistet werden, wenn dies mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters vereinbar ist. Nach § 15b Abs. 2 Satz 1 und 2 InsO ist dies der Fall, wenn die Zahlung zur Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebes erforderlich ist, eine Maßnahme zur Beseitigung der Insolvenzreife innerhalb der Höchstfristen ist oder der Vorbereitung des Insolvenzverfahrens dient. Auch Zahlungen mit der Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters sind unschädlich (§ 15b Abs. 2 Satz 3 InsO). Die Regelung gilt für alle Rechtsformen.

Damit werden nunmehr vor allem Zahlungen, die etwa für Löhn und Gehälter, Mieten, Strom, Wasser usw. erfolgen, als zulässig anzusehen sein. Wichtig ist aber, dass die Regelung des § 15b InsO, die eine Erleichterung für Geschäftsleiter darstellt, nur dann gilt, wenn nach § 15b Abs. 2 Satz 2 InsO der Insolvenzantrag dann auch ordnungsgemäß gestellt wird.

Zahlungen ohne Grund

Bei Zahlungen, die ohne einen Grund geleistet werden, kommt nach der Regelung des § 15b Abs. 4 InsO eine Haftung des Geschäftsleiters gegenüber der juristischen Person in Betracht. Diese Regelung ersetzt den § 64 GmbHG a.F., der aufgehoben wurde.

Verletzung steuerrechtlicher Zahlungsverpflichtungen

Bedeutend ist § 15b Abs. 8 InsO, der die Situation betrifft, dass sich der Geschäftsleiter in einer Pflichtenkollision zwischen seiner Pflicht zur Sicherung der Masse und steuerrechtlicher Zahlungsverpflichten befindet. Eine Verletzung steuerrechtlicher Zahlungsverpflichtungen liegt nur dann nicht vor, wenn zwischen dem Eintritt der Insolvenzreife und der Entscheidung des Insolvenzgerichts Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis nicht erfüllt werden und der Antragspflichtige seinen Verpflichtungen nach § 15a InsO vollumfänglich nachkommt.

Im Umkehrschluss bedeutet die Regelung aber auch, dass die Erhaltung der Insolvenzmasse grundsätzlich Vorrang vor der Abführung von Steuern und wohl auch  Sozialversicherungsbeiträgen (das Gesetz schweigt hierzu) hat, wenn der Geschäftsleiter seiner Pflicht zur Stellung des Insolvenzantrags ordnungsgemäß nachkommt.

Insolvenzantragsgrund: Drohende Zahlungsunfähigkeit

Neuerungen gibt es bei dem Insolvenzantragsgrund der drohenden Zahlungsunfähigkeit nach § 18 InsO, der nur als Eigenantrag zulässig ist. Für den Prognosezeitraum bei drohender Zahlungsunfähigkeit wird nach § 18 Abs. 2 Satz 2 InsO nunmehr in der Regel ein Prognosezeitraum von 24 Monaten zugrunde gelegt. Dies war bislang gesetzlich unklar. Der Schuldner muss als 24 Monate planen, um eine Prognose darüber zu erstellen, ob er voraussichtlich seinen Zahlungsverpflichtungen nachkommen wird. Die inhaltlichen Anforderungen, die an eine solche Fortbestehensprognose zu stellen sind, entsprechen dabei denen im Fall einer Überschuldung. Es ist also ein Finanzplan aufzustellen, dessen Anforderungen umfassend im IDW ES 11 dargestellt werden. 

Insolvenzantragsgrund: Überschuldung

§ 19 InsO regelt den Antragsgrund der Überschuldung, der nach § 19 Abs. 1 InsO Eröffnungsgrund bei juristischen Personen ist. Die Frist nach § 19 Abs. 2 Satz 1 InsO, für die eine allgemeine Fortführungsprognose bei einer Überschuldung abzugeben ist, beträgt nunmehr explizit 12 Monate. Hierbei ist es erforderlich, dass sich aus einer Gesamtplanung ergibt, dass trotz der bestehenden Überschuldung mit überwiegender Wahrscheinlichkeit von einer Fortführung des Unternehmens in den nächsten 12 Monaten auszugehen ist. 

Fazit: Finanzplan laufend fortschreiben

Die Änderungen im Bereich der Insolvenzantragsgründe haben einige Erleichterungen und Klarstellungen für Geschäftsleiter gebracht. Trotzdem bleibt die Frage der rechtzeitigen Stellung eines Insolvenzantrags eine sehr haftungsträchtige. Bei Unternehmen, die sich in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befinden, muss ein Geschäftsleiter nahezu stets die Frage nach der Fortführungsfähigkeit im Kopf haben und – sofern das nicht sowieso geschieht – einen Finanzplan laufend fortschreiben. Die Einschaltung von Fachleuten ist hierbei unerlässlich, wenn sich die Geschäftsleitung nicht der Gefahr der persönlichen Haftung aussetzen will. 

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